Manfred kochte Kaffee, und Bilski bot allen ein Zigarillo an, das sie dankend ablehnten. Sie hatten sich geeinigt, in ihrer Abteilung nicht zu rauchen. Bilski packte die Schachtel resigniert ein.
„Also? Was darf Motte nicht hören?" fragte er Tom.
„Es geht um Avi, den Mann vom Mossad. Gaddafi hat ihn nach Libyen eingeladen. Er will mit ihm einen Tag in die Wüste gehen. Ich wollte Euch fragen, ob Ihr das gutheißen würdet."
„Verstehe ich nicht. Wie kommt Gaddafi auf so eine bescheuerte Idee?" fragte Bilski.
„Ich habe ihm Avis Lebensgeschichte erzählt, und das fand er interessant," sagte Tom. „Er würde ihn gerne kennenlernen und mit ihm diskutieren. Ich dachte, ein deutscher Geheimdienst würde die Sache vielleicht unterstützen. Avi kann ja nicht einfach so nach Libyen. Man müsste ihn quasi hinbringen. Dafür würde man sicher ein paar interessante Einblicke gewinnen."
„Das ist doch auf Deinem Mist gewachsen," vermutete Bilski.
„Sowas fällt einem ein, wenn man in der Wüste sitzt," erklärte Nikos. „Vorausgesetzt, man heißt Tom."
Der MAD-Chef hielt sich zurück. Er erinnerte sich an ein Gespräch im Kanzleramt, an dessen Ende die Geheimdienste wie Verlierer aussahen, aber er hatte schon damals gewusst, dass Tom mit Beginn seines Wehrdienstes in seinen Einflussbereich geraten würde. Im Moment stand er sogar ganz offiziell unter seinem direkten Befehl. Auslandsaufklärung gehörte nicht zu den Aufgaben des MAD, aber einen israelischen Agenten unter seine Fittiche zu nehmen, der in einem strategisch wichtigen Land mit dem ersten Mann im Staat sprach, das war unwiderstehlich. Und irgendwie fiel es dann ja doch in seine Kompetenz, weil ein Soldat der Bundeswehr involviert war. Toms Argumente und Bilskis Bedenken gingen zu seinem linken Ohr herein und und zum rechten wieder hinaus.
„Herr Przybilski, Sie haben ganz recht. Die Regierung sollte sich auf keinen Fall die Finger an sowas verbrennen," sagte der General, hielt aber seine Pause so kurz, dass Tom zwar Luft holen, aber nicht widersprechen konnte. „Aber ich wäre bereit, dem Mossad einen Gefallen zu tun. Sie können sicher sein, wenn dieser Avi eine Reise nach Libyen machen will, dann wird der Mossad freudig zustimmen, und ihn natürlich auch instruieren. Tom, bieten Sie ihm an, mit Ihnen und Klaus nach Libyen zu fliegen. Wir organisieren das unauffällig. Es wäre natürlich optimal, wenn ich mich mit ihm nach seiner Rückkehr ein wenig unterhalten könnte. Hat Gaddafi denn einen Termin genannt?"
„Noch nicht. Er wollte sich melden."
Bilski war froh, so billig aus dieser Nummer herauszukommen:
„Also gut, wenn Sie Spaß dran haben. Ich übernehme dann nur die geistige Schirmherrschaft, und die Regierung weiß von nichts. Aber Sie sagen mir, wann das stattfindet, und anschließend bekomme ich einen Bericht von Tom. Mündlich. Und jetzt gehe ich. Ich muss an diesem Wochenende sechs Reden in sechs Städten halten."
„Wir arbeiten auch durch," tröstete ihn Torsten.
Der General und Bilski verabschiedeten sich.
„Dann wollen wir die Telefonrechnung der Abteilung mal ein bisschen in die Höhe treiben," grinste Tom. „Klaus, dürfte ich ausnahmsweise Dein Telefon benutzen?"
„Ausnahmsweise. Und nur, wenn ich mithören darf."
Manfred und Torsten trotteten in ihre Büros, in denen inzwischen jedes Eckchen mit Akten belegt war.
„Ich will auch mal mit nach Afrika," beschwerte sich Manfred bei Torsten. „Kannst Du nicht mal Stallwache machen?"
„Ich glaube, dann würde ich Ärger mit dem Minister kriegen. Aber vielleicht brauchen wir gar keine Stallwache, wenn wir Abu Reza in Tripolis treffen. Dann ist die ganze Sache ja gelaufen. Einen Versuch ist es wert."
DU LIEST GERADE
Die richtigen Leute Band 8: 6.000 Jungs wie Ihr
Historical FictionIn „6.000 Jungs wie Ihr", dem 8. Band meiner Reihe „Die richtigen Leute", geht es um die Vorbereitung und Durchführung einer vorgetäuschten Flugzeugentführung, die dazu dient, die überlebenden palästinensischen Attentäter des Anschlags auf die Olymp...