Kapitel 24 - Schmerz

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Nachdem Voldemort aus dem Zimmer geglitten war und mich alleine zurückgelassen hatte, ließ ich mich auf eines der Ledersofas fallen und seufzte.

Ich hatte ihm unsere Loyalität versprochen, das konnte kein gutes Ende nehmen. Im Grunde hatte ich damit unser aller Schicksal besiegelt. Mit dem unbrechbaren Schwur war ich an ihn gebunden und musste meinen Teil erfüllen.
Egal ob ich wollte oder nicht.

Mit meinen Händen hielt ich immer noch das Glas umklammert, der verschmolzene Seelenfaden glimmerte wie Scherben im Mondlicht. Ich hatte furchtbare Angst, ich könnte Gilderoy für immer verloren haben.

Elphias Doge hatte nie etwas von einer zerbrochenen Seelenverbindung erzählt. Er hatte nie erwähnt was dies bedeuten würde, für mich und vor allem für Gilderoy.

Im Grunde wusste ich, dass ich endlich in den Gedankenraum zurück musste. Irgendetwas sagte mir, dass es die einzige Möglichkeit war Gilderoy zu retten.

Mein Blick haftete auf dem Seelenfaden und ich dachte an Gilderoy. Er war ein Teil von mir und ich von ihm, wir waren eins und würden es immer sein.

Ich schloss meine Augen und atmete tief ein. Meine Angst verstaute ich ganz weit weg und konzentrierte mich nur auf unsere Seelenverbindung und wie so oft in meiner Zeit am Grimauldplatz, öffnete ich sie wenige Minuten später und befand mich in der Bibliothek von Winter Hall.

Doch war sie nicht, wie sonst auch, der wärmende Ort unserer schönsten Erinnerungen. Jetzt war sie wie ein wahr gewordener Alptraum.

Die Bücher lagen zerrissen und verstreut am Boden, die Tapete schälte sich von den abbröckelnden Wänden und die einstmals bodenlange Fensterfront war zersprungen.

Ähnlich wie der Seelenfaden bestand sie nur mehr aus Scherben, die sich mit letzter Mühe an Ort und Stelle hielten.

Vereinzelte verschwommene Bilder flirrten über das Glas und dort wo ich hinaus auf die Fliederfelder blicken konnte, war nur mehr verdorrtes Ödland.

Dumpfe Schreie und hämisches Lachen erfüllte den Raum und als ich mir die Erinnerungsfetzen auf den Scherben genauer ansah, hörte mein Herz für eine Sekunde auf zu schlagen.

Es war Gilderoy, wie er immer und immer wieder von Voldemort und Bellatrix gequält wurde. Er schrie und sie lachten. In Dauerschleife flammten die Bilder über Glas. Eines grauenhafter als das andere.

„Was ist hier passiert?" flüsterte ich und schlug voller Entsetzen die Hände vor den Mund. Ich ging langsam über den Parkett und Splitter knirschten unter meinen Füßen.
Der Gedankenraum war völlig zerstört.

Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Es klang wie ein wimmerndes Gemurmel und ich wirbelte herum.

In einer der dunklen Ecken, die Beine fest an sich gezogen und leicht hin und her wippend, kauerte Gilderoy.
Er starrte in die Leere und schien mich nicht bemerkt zu haben.

Am liebsten wäre ich sofort zu ihm gerannt, aber ich wollte ihn nicht erschrecken. Er wirkte fast genauso desorientiert wie bei unserem letzten Aufeinandertreffen.

„Gilderoy." meine Stimme zitterte und ich bewegte mich ganz langsam auf ihn zu. Bei seinem Namen zuckte er leicht und blickte verwirrt in meine Richtung.

„Wer?" Gilderoys Stimme war brüchig und verängstigt und er zog sich noch weiter an die Wand zurück.

„Ich bin es Gilderoy, Tanita. Du musst keine Angst haben." ich versuchte mit aller Kraft meine Tränen zurückzuhalten und möglichst beruhigend zu sprechen.

„Nein, geh weg. Du bist nicht echt." Gilderoy wurde jetzt immer panischer und vergrub sein Gesicht zwischen seinen Armen.

„Ich bin echt und ich werde dir nichts tun. Versprochen." flüsterte ich möglichst freundlich und als ich direkt vor Gilderoy stand, ging ich auf die Knie um in seiner Augenhöhe zu sein.

True Colors - SeelengebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt