Kapitel 27 - Bruchstücke einer Liebe

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Der schmerzhafte Aufschlag blieb aus. Stattdessen spürte ich zuerst kalten Boden unter mir und dann das Gefühl warmer Hände die nach mir griffen.

In meinen Ohren rauschte es und ich hörte meine eigene Stimme die immer mehr anschwoll.
Ich blinzelte und als meine Umgebung wieder klare Umrisse annahm, sah ich mich selbst. Und das gleich in mehrfacher Ausführung.

Die zersprungene Glasfront des Gedankenraums war über und über mit meinem Gesicht bedeckt und es wiederholte immer wieder die Worte die ich bei meinem letzten Besuch zu Gilderoy gesagt hatte.

Wie war ich hier her gekommen? Ich hatte mich nicht auf Gilderoy fokussiert. Es war als wäre ich einfach so aus meinem wachen Zustand gerissen worden.

Leicht schwankend stand ich auf und sah Gilderoy auf dem Sofa sitzen und auf die Fensterfront starren. Aber wie war das möglich? Eigentlich konnte nur ich Gilderoy hier her bringen und nicht umgekehrt.

Aber auf der anderen Seite war er auch ohne mein Zutun hier gelandet, vielleicht konnte er dann auch mich in den Raum holen.

„Gilderoy?" vorsichtig ging ich auf ihn zu und setzte mich neben ihn.

Er blickte mich verwirrt an „Oh du bist wieder da. Die Schmerzen haben aufgehört."

Ein schmales Lächeln huschte über sein Gesicht und er wandte sich wieder meinen Bildern zu.

„Gilderoy. Wie hast du das gemacht? Wie hast du mich hier her geholt?" fragte ich ihn neugierig.

„Ich...ich habe nichts gemacht. Ich sehe nur die Bilder an. Deine Stimme ist wirklich sehr schön. Sie wirkt so vertraut, als wäre sie mit meiner Seele verbunden." er sah mich aus seinen vergissmeinnichtblauen Augen an und fuhr fort.

„Ich hatte mir so sehr gewünscht du würdest zurückkommen."

Ich nickte und dachte nach. Wahrscheinlich war Gilderoys Wunsch so stark gewesen, dass er mich zu ihm gebracht hatte.

Bis jetzt hatten wir diese Möglichkeit noch nie in Betracht gezogen, da ich jedesmal den Weg in den Gedankenraum geebnet hatte. Wieder eine Frage an Elphias Doge.

„Wie geht es dir, Gilderoy?" ich rutschte ein Stück näher und musterte ihn. Er sah immer noch mitgenommen aus, aber er wirkte entspannter. Zum Glück, hatte die Erinnerung an mich die verzerrten Bilder der Folter verdrängt.

„Ich weiß es nicht. Ich habe versucht andere Erinnerungen zu finden. Aber keine war so klar wie diese hier. Es waren nur Bruchstücke und ich kann sie nicht zusammen setzen." antwortete er und strich sich über das Kinn.

„Kannst du sie mir vielleicht zeigen? Vielleicht kann ich dir helfen die Erinnerungen wiederherzustellen." ich sah ihn aufmunternd an.

Gilderoy zögerte kurz. Doch schließlich kniff er die Augen zusammen und konzentrierte sich.
Die Bilder auf den Scherben flackerten und verschwanden.

Kurz darauf erschienen neue Erinnerungsfetzen. Ich sah Gilderoys Gesicht voller Freude strahlen, dann kam ein Lichtermeer von Kerzen, dann mein Gesicht, dann zwei Hände, dann eine Menschenmenge und plötzlich erlosch alles.

Die Bilder waren so schnell verschwunden wie sie gekommen waren und Gilderoy sah mich fragend an.

„Ich nehme an das sind wir. Aber ich kenne nicht den Zusammenhang. Ist das wirklich passiert? Oder ist es nur eine Einbildung?"

„Oh das ist keine Einbildung. Ich kenne diese Erinnerung." sagte ich mit zittriger Stimme.

„Wirklich? Was ist es?"

„Es ist unsere Hochzeit."

Gilderoy starrte mich für ein paar Sekunden perplex an, so als müsse er erst die Umstände berechnen die zu unserer Hochzeit geführt hatten.

True Colors - SeelengebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt