Kapitel Achtunddreißig: Anruf

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N A T H A N I E L

Mein Blick ist auf die hässliche Bettdecke gerichtet, während eine Krankenschwester auf mich einredet, sodass ich nur am Rande wahrnehme, was aus ihrem Mund kommt. Viel zu sehr nervt mich dieses Gelb, dass eigentlich positive Energie dem Patienten übermitteln sollte. Nur ist das bei mir nicht der Fall. Eher provoziert es etwas in meinem Inneren, das ich nicht erklären kann. Am liebsten würde ich es verbrennen, aber das kann ich schlecht tun.

Das einzig gute daran ist, dass ich mich auf etwas anderes konzentrieren kann, als auf den Grund, weshalb ich eigentlich hier bin.

Abwesend nicke ich alle paar Sekunden. Nicht, dass sie sich mehrmals wiederholen muss. Das wäre ohnehin Zeitverschwendung, da ich ihr sowieso nicht zuhöre. Aber das weiß sie nicht. Hoffe ich zumindest.

»Wir haben Ihren Notfallkontakt informiert. Miss Wilson ist auf dem Weg hierher und wird Sie abholen. Außerdem wartet Miss Hamilton draußen. Darf Sie hereinkommen?«

Bei diesen Worten schießt mein Kopf in die Höhe. Jetzt hat sie meine volle Aufmerksamkeit. »Sie haben was getan?«

»Miss Wilson angerufen. Sie ist ihr Notfallkontakt.«

Stöhnend schließe ich die Augen und lehne mich komplett zurück. Verdammt! Das ist nicht gut. Ich hätte mir denken können, dass sowas passieren könnte. Wieso habe ich es zugelassen und ihren Namen auf dieses Formular niedergeschrieben? Avery wird mich auseinandernehmen. Zudem wird sie sich Sorgen machen und nicht mehr von meiner Seite weichen wollen.

»Mir geht es gut. Sie hätten niemanden anrufen sollen.«

Die Krankenschwester, deren Namen ich vergessen habe, hebt nur eine Augenbraue. Wir wissen beide, dass das nicht stimmt, aber meine beste Freundin muss das nicht erfahren. Nicht ohne Grund habe ich ihr nichts von meinen letzten Arztterminen erzählt.

»Darf Miss Hamilton hereinkommen? Sie hat die ganze Nacht vor dem Zimmer gewartet und nach Ihnen gefragt.«

Ich nicke ergeben. Mit ihr zu diskutieren, würde mir nicht viel bringen. »Rufen Sie bitte auch den Doktor. Ich muss mit ihm etwas besprechen, bevor Avery auftaucht.«

»In Ordnung. Jetzt erholen Sie sich ein wenig, Nathaniel. Dieser Anfall war nicht ohne.«

Dabei sieht sie mich mit einem Blick an, der mich an meine verstorbene Oma erinnert. Tadelnd und doch liebevoll. Streng, aber auch wohlwollend. Keine Ahnung, wie sie zwei grundverschiedene Emotionen in ihrem Gesicht widerspiegeln kann.

Sobald sie aus dem Zimmer ist, öffnet sich die Tür ruckartig wieder. Eine sehr besorgte und außerdem völlig schockierte Willow taucht vor mir auf. »Nate! Wie geht es dir? Sie wollten mir gar nichts sagen, außer dass du nicht in Lebensgefahr schwebst. Diese Idioten! Dabei habe ich mir totale Sorgen um dich gemacht und hatte Angst. Die habe ich immer noch. Was hast du? Alles okay?«

Ihre Händen berühren mich überall, als möchte sie sich selbst davon überzeugen, dass mir nichts fehlt. Zumindest körperlich.

Bevor sie noch komplett durchdreht, umschließe ich behutsam ihre Hände und versuche ihr in die Augen zu sehen, was gar nicht so einfach ist, da ihr Blick gegen meine Brust gerichtet ist. Das Letzte, was ich wollte, war, dass sie Angst um mich hat. »Mir geht es gut, kleine Elfe.«

Sanft streiche ich ihr mit den Daumen über ihre Handrücken. »Aber es wäre tatsächlich besser, wenn wir uns unterhalten würden, weil ich dir dringend etwas sagen muss. Das wollte ich gestern schon tun, bevor ich zusammengebrochen bin.«

Ihre Augen weiten sich, ehe sie die Augenbrauen zusammenzieht. »Das hört sich nicht gut an«, merkt sie nervös an und zupft gleichzeitig an meinem Armband.

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