Kapitel Dreiunddreißig: Fallschirmspringen

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A V E R Y

Die Sonne strahlt auf uns hinab, während ich den Blick gegen den Himmel richte und dabei meine Augen mit der Hand abschirme. Das surrende Geräusch, das vom Flugzeug kommt, lässt mich frösteln. Eine Gänsehaut, der unguten Art, hat sich auf meinem Körper gebildet. Mein Herz läuft schon jetzt einen Marathon und das nur, weil ich mir das ansehe. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es ist, wenn ich wirklich dort oben bin. Kurz vor dem Herausspringen.

Plötzlich dreht sich dieses Monster, fliegt auf dem verdammten Kopf, bevor es ein Looping nach dem anderen vorführt, sodass bei mir der Schweiß ausbricht.

»Ich werde sterben«, murmle ich leise vor mich hin und schüttle meinen Kopf.

Ich glaube nicht, dass meine Organe das mitmachen. Eher sterbe ich an einem Herzinfarkt, als dass ich wieder heil aus dieser Sache herauskomme.

Wieso musste ich mich auch dazu überreden lassen?

Connor unterhält sich mit dem Mann, der uns in Empfang genommen hat und bespricht die letzten Details. Nathaniel steht einige Meter von mir entfernt und blickt ebenfalls in den Himmel.

Seit unserem Kinobesuch wirkt er nachdenklich und in sich gekehrt. Als ich ihn darauf angesprochen habe, hat er nur mit der Hand abgewinkt. Auch wenn er mir weismachen will, dass da nichts ist, bin ich mir sicher, dass etwas vorgefallen sein musste. Nur will ich ihn nicht dazu drängen mir etwas zu sagen, wenn er nicht bereit dafür ist. Mein bester Freund wird das selbst tun, weshalb ich warten werde.

»Seid ihr beide bereit?«

Mein Verlobter grinst uns beide an. Er freut sich wie ein kleines Kind und kann es kaum erwarten hoch in die Wolken zu fliegen, bevor er wieder herunterfällt. Hoffentlich in einem Stück!

Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, den ich mühsam versuche herunterzuschlucken. Zudem beginnen meine Hände leicht an zu zittern.

»Ja!«, schreit Nathaniel, während aus meinem Mund das genaue Gegenteil herauskommt. »Nein! Ich will nicht sterben!«

Connor hebt nach meiner Aussage eine Augenbraue in die Höhe. Nathaniel lacht hingegen leise vor sich hin. Er findet das wohl witzig, auch wenn ich mir fast in die Hose mache. Dieser Verräter!

»Niemand wird sterben«, mischt sich eine unbekannte Stimme in unser Gespräch ein. »Hallo Avery, ich bin William und werde heute mit dir springen.«

Der großgewachsene Mann streckt mir die Hand entgegen. Mit seiner Kurzhaarfrisur und den breiten Schultern, sieht er aus, als wäre er ein Soldat.

»Bist du ein Soldat?«, platzt es aus mir heraus, als ich seine Hand ergreife. Innerlich schlage ich mir auf die Stirn und verfluche mich für mein großes Mundwerk. Es gibt Dinge, die gehen mich schlichtweg nicht an.

Lachfältchen haben sich um seine Augen gebildet, während er irgendwie eine beruhigende Aura ausstrahlt und leicht mit dem Kopf schüttelt. »So offensichtlich?«

Connor, Nathaniel und ich nicken augenblicklich mit dem Kopf.

»Na ja, ich war ein Seal, aber das ist einige Jahre her. Nachdem ich zurückgekommen bin, habe ich mir hier diesem kleinen Flugplatz aufgebaut uns bin ziemlich glücklich.«

Ich gehe einen Schritt auf William zu und zeige mit dem Finger auf ihn. »Also hast du Freude daran, wenn sich Menschen vor Angst fast in die Hosen machen?«

»Du wirst es lieben, glaub mir. Sobald du wieder unten bist, wirst du es wiederholen wollen.«

Meine Augen weiten sich bei seinen Worten. Niemals! Das wird nicht passieren! Ich bin froh, wenn ich das überleben werde. Ein weiteres Mal werde ich mein Leben nicht aufs Spiel setzen. Das mache ich nur Nathaniel zuliebe. Es ist sein Wunsch auf seiner Liste. Sonst wäre mir nie im Traum eingefallen, so etwas Waghalsiges zu tun.

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