Kapitel Zehn: Schock

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N A T H A N I E L

Gedankenverloren schlendere ich nach Hause. Es sind einige Stunden vergangen, seit dem ich das Büro fluchtartig verlassen habe. Sobald ich aus dem stickigen Gebäude raus war, habe ich mir gedacht, dass mir ein Spaziergang guttun würde. Frische Luft sollte bei diesen Kopfschmerzen helfen, die mich heute geplagt haben. Aus diesem Grund bin ich hinunter zum Fluss, der in der Nähe vom Wald liegt und habe mich dort versucht zu beruhigen.

Das Zwitschern der Vögel, die sich über mich befinden und den wundervollen Tag fliegend genießen, ist immer wieder schön mitanzuhören. Das Rauschen des Wassers, während es gegen die Felsen schlägt, bringt mir eine Ruhe, die ich nicht für möglich gehalten habe. Und der Duft der reinen Natur hat etwas Faszinierendes an sich, das ich nicht beschreiben kann.

Die Kopfschmerzen sind zwar noch immer da, jedoch nicht mehr so stark, wie zuvor im Büro. Dieser Spaziergang hat mir wirklich geholfen und die Tablette, die ich vor einer halben Stunde eingenommen habe, hat dieses Mal gewirkt, sodass ich endlich aufatmen konnte.

Es gibt nichts Schlimmeres, als dieses stechende Pochen, das nicht aufhören will und mich fast in den Wahnsinn treibt. Es fühlt sich wirklich an, als wäre jemand auf meinen Schultern und würde mir mit einem Hammer auf den Kopf schlagen. Einfach nur unerträglich.

Zudem hat der Vorfall auf der Arbeit nicht gerade beigetragen, dass ich mich besser fühle. Eher das Gegenteil ist der Fall. Ich kann nicht fassen, wie sich meine Arbeitskollegen verhalten haben. Seit ich dort arbeite, ist sowas zum Glück noch nie passiert. Ich muss dringend mit meinem Boss reden, damit er auf die Übeltäter ein Auge wirft, damit das in Zukunft nicht mehr vorkommt.

Das ist echt das allerletzte und macht mich extrem wütend. Ich kann nur hoffen, dass meine Aussage sie davon abhalten wird, es erneut zu versuchen und wenn es doch passieren würde, muss Louis das nächste Mal einschreiten.

Kurz bevor ich mein Haus erreiche, blicke ich nach links zu Mrs. Griffin. Sie hat heute versucht mich zweimal anzurufen, jedoch habe ich den Anruf zu spät gesehen. Mein Rückruf ist ebenfalls fehlgeschlagen, weshalb ich schnell bei ihr vorbeischauen wollte, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist.

Die alte Dame sitzt jedoch mit jemanden mir Unbekannten draußen auf der Veranda, weshalb ich nicht stören will. Mrs. Griffin bekommt nicht so oft Besuch, wie sie es gerne hätte. Vielleicht ein Grund, wieso sie mir gegenüber so hartnäckig war. Mich würde es aber interessieren, wer diese junge Frau ist.

Immerhin hat sie keine Kinder und sie hat mir nichts über einen bevorstehenden Gast erzählt. Neugierig bin ich schon, weshalb ich sie morgen danach fragen werde. Außerdem hat sie mir das bisher immer schon vorher erzählt.

Plötzlich winkt sie mir energisch zu, als sie mich entdeckt und fordert mich mit ihrer Handbewegung auf näherzukommen. Dabei ziert ein strahlendes Lächeln ihr Gesicht. Diese Besucherin muss sie sehr erfreut haben, dass sie mich ihr gleich vorstellen möchte. Hoffentlich ist es kein Verkupplungsversuch, denn das wäre nicht der Erste, den sie versuchen würde.

Achselzuckend gehe ich einen Schritt auf die beiden zu und denke mir nicht viel dabei, als ich völlig schockiert innehalte, nachdem die junge Frau ihr Gesicht zu mir gedreht hat. Ihre braunen Locken, die ihr bis zur Brust reichen, hüpfen dabei auf und ab, während ihr strahlendes Lächeln zu Eis erstarrt.

Heilige Scheiße.

Eine Erkenntnis blitzt in mir auf, sodass ich stockend aufatme.

Das kann nicht sein, oder etwa doch?

Überrascht, geschockt und total überfordert blicke ich sie an. Unbewusst zwicke ich mich in den Arm und zische leise auf, als der Schmerz durch meinen Körper fegt und ich damit feststelle, dass mein Verstand mir keinen Streich spielt. Es ist keine Illusion, sondern wirklich die Realität.

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