Kapitel 14

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Irgendetwas war im Busch, allerdings wusste ich nicht genau, was es war. Emma und mein Bruder benahmen sich seltsam, als meine Kinder in das Zimmer von Emma gestürmt waren. Milena und Dominic wollten unbedingt ihre Basteleien vorführen und stürmten direkt in ihr Zimmer, nachdem wir das Haus betreten hatten. Ich folgte ihnen umgehend, da ich mit Emma den weiteren Abend besprechen wollte. Ich ließ meinen Kindern den Vortritt und hielt mich im Hintergrund, als sie Emma ihre Eulen zeigten. Begeistert schaute sie sich die Basteleien an und lobte die beiden. Dass mein Bruder anwesend war, hatten die Kinder nicht mitbekommen, ich dafür umso mehr. Ich beobachtete ihn von meinem Platz aus und stellte fest, dass er sein Shirt falsch herumtrug. Sein Blick war auf Emma und die Kinder gerichtet und ich konnte in seinen Augen etwas erkennen, was ich anfangs nicht deuten konnte. Seine Augen hatten einen speziellen Glanz, den ich selten in seinen Augen sah. Ich folgte seinem Blick und sah, er betrachtete, wie Emma mit Milena sprach. Da fiel es mir auf. Ihre Haare waren komplett zerzaust, obwohl sie versucht hatte, sie zu richten. An ihrem Schlüsselbein war, unübersehbar, ein großer Fleck zu sehen, den sie heute Mittag, als wir das Haus verlassen hatten, noch nicht hatte. Ich vermutete, dass sie ihn noch nicht gesehen hatte, sonst hätte sie versucht, ihn zu überdecken, was bei der Stelle schlecht gewesen wäre. Weder mein Bruder, noch Emma registrierten, dass ich im Türrahmen stand und sie abwechselnd musterte. Ich fragte mich, was zwischen den beiden vorgefallen war, beziehungsweise was passiert wäre, wenn die Kinder und ich nicht nach Hause gekommen wären. Ich vermutete, dass sie sich entweder geküsst hatten oder sogar miteinander geschlafen hatten oder kurz davor waren und wir hatten sie dabei unterbrochen. Ich wusste nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder ob es mich ärgern sollte. Ich konnte mich noch nicht entscheiden. Doch ganz egal, was es war, ich fand es allemal besser, als seine aktuelle Beziehung. Dass sie sich gut verstanden, war nicht zu übersehen. Das war sogar Michal aufgefallen und bei ihm dauerte es manchmal länger, bis er das Offensichtliche sah. Doch wenn ich mir die beiden ansah, spürte mein sechster Sinn eine gewisse Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte. Michal hatte mir eine Nachricht geschickt, dass Harry geklingelt hatte, bevor mein Mann das Haus verlassen wollte. Er wollte direkt mit Emma sprechen und ließ sich nicht auf ein Gespräch mit Michal ein. Mein innerer Detektiv horchte auf und überlegte die verschiedenen Situationen, die ich beobachtet hatte.

Vor ein paar Tagen hatte ich Emma mitgeteilt, dass ich gerne eine Ladung Wäsche machen würde und bat sie, ihre dreckigen Stücke auf einen Stapel in ihrem Wandschrank zu legen. Während sie mit den Kindern am Kochen war, sammelte ich die Kleidungsstücke im ganzen Haus ein und machte eine interessante Entdeckung. In ihrem Wandschrank hing ein Eishockey-Trikot ihrer Lieblingsmannschaft aus Deutschland und eines von den Vancouver Canucks. Ich schaute mir das der deutschen Mannschaft selbstverständlich genauer an, weil ich von Natur aus neugierig war. Als ich das Trikot aus dem Schrank nahm und den Namen und die Rückennummer darauf sah, wunderte mich nichts mehr. Sie hatte eines von meinem Bruder und hatte es mit nach Kanada genommen. Verschmitzt lächelte ich in mich hinein und hängte das Trikot zurück in den Schrank. Sie hatte tatsächlich ein Trikot meines Bruders mitgenommen, obwohl sie nicht wusste, dass sie in seine Familie kommen würde, bei der sie ihr Auslandsjahr verbringen würde. Ich hatte Michal am gleichen Abend davon erzählt, was er desinteressiert kommentierte. Ich hörte nur ein „Ja, kann sein. Ist doch nett, dass sie ein Trikot ihres Lieblingsspielers mitgenommen hat." Ich war mir sicher, dass er mir nicht richtig zugehört hatte, als ich erwähnte, dass es sich um das Trikot meines Bruders handelte. Nachdem ich meine Entdeckung gemacht hatte, ratterten in meinem Kopf die Zahnräder und ich betrachtete die einzelnen Situationen, in denen ich sie zusammen gesehen hatte, sich unterhielten oder gemeinsam mit den Kindern spielten.

Stück für Stück setzte sich in meinem Kopf ein Puzzle zusammen, welches immer und immer mehr Form annahm und mich vermuten ließ, dass sich die beiden nicht nur gut verstanden, sondern vielleicht auch mehr Interesse aneinander vorhanden sein könnte. Der heutige Tag hatte meine Vermutung bestätigt. Obwohl ich mich auf der einen Seite für meinen Bruder und Emma freute, so sehr überlegte mein Verstand jedoch, ob es gut war, wenn die beiden miteinander anbändeln würden. Emma kam aus Deutschland, sie war nur für ein Jahr in Kanada. Sie mochte meine Familie und meinen jüngeren Bruder, wir mochten sie und die Kinder liebten sie. Dazu kam, dass Harry in Deutschland derzeit unter Vertrag stand, für ihre Lieblingsmannschaft spielte und nicht weit weg von ihr wohnte. Prinzipiell wäre es ein Leichtes für beide, aber auf der anderen Seite war mein Bruder kein freier Mann, sondern war in einer Beziehung mit Trish. Er war verlobt und plante sie zu heiraten. Er hatte gelernt, dass man niemanden betrügen sollte, wenn man sich in einer Beziehung befand. Wenn ich ihn doch sprechen hörte, war ich mir nicht sicher, ob er seine Entscheidung bereute und besser nie um ihre Hand angehalten hätte.

Auch nach den Blicken, die ich heute Abend von ihm gesehen hatte, wie er Emma ansah, gar anschmachtete, war ich mir nicht mehr sicher, ob er Trish überhaupt noch heiraten wollte oder das nur machte, weil sie es wollte. Er erzählte mir, dass sie derzeit viel arbeitete und sie sich kaum sahen, seitdem sie aus Deutschland nach Hause gekommen waren. Sie kehrte ihm den Rücken zu, was ihn dazu brachte, seine freie Zeit mit uns zu verbringen. Doch dies gefiel seiner Verlobten nicht. Ihr passte es nicht, dass er Zeit mit Dominic und Milena verbrachte, was Emma miteinschloss, da sie für meine Kinder verantwortlich war.

Nachdem mir die Kinder erzählt hatten, dass Trish plötzlich im Schwimmbad aufgetaucht war, allen eine Szene machte, sowie Emma herunterputzte und beleidigte, war meine Hutschnur geplatzt. Ich machte meinem Bruder klar, dass mir ihre Art nicht gefiel und sie kein Recht hatte, Emma vor den Augen meiner Kinder niederzumachen. Wenn Trish ein Problem mit unserem Au-Pair hatte, sollte sie die Beschuldigungen ohne die Ohren meiner Kinder vom Stapel lassen oder Emma am besten aus dem Weg gehen. Das wäre die einfachste Lösung für alle Beteiligten. Dazu teilte ich ihm mit, dass seine Nichte und sein Neffe panische Angst vor ihr hatten, die nicht unbegründet war, wenn sie sich wie eine Furie im öffentlichen Schwimmbad benahm. Ich war froh, als Milena mir erzählte, dass Emma sich entschlossen hatte, dieses Miststück stehen zu lassen und meine Kinder vor ihr gerettet hatte. Tagelang hörte ich nichts von meinem Bruder, bis ich ihn heute in Emmas Zimmer sitzen sah.

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