Kapitel 52

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- Harry -


Der erste Tag an unserem Urlaubsort war schnell verflogen. Nachdem Trish mich angerufen hatte und nachfragte, wann ich ins Hotel zurückkehrte, da sie ihre Arbeit für den heutigen Tag beendet hätte, teilte ich ihr mit, dass wir uns gerne am alten Hafen treffen konnten und von dort aus, ein wenig spazieren gehen konnten und im Anschluss in einem netten Restaurant den Abend ausklingen lassen konnten. Sie stimmte umgehend zu und versprach, demnächst einzutreffen.

Ich hatte ihr meinen Standort zukommen lassen und war erstaunt, dass sie keine dreißig Minuten später neben mir stand. Sie hatte sich umgezogen und hatte ihren normalerweise strengen Dutt geöffnet und trug ihre Haare offen. Sie wehten im Wind hin und her und zerzausten sie leicht. Es schien sie nicht zu stören, sondern schien ihr zu gefallen. Sie wirkte gelöst und lächelte mich mit einem ehrlichen Lächeln an. Die offenen Haare ließen sie jünger wirken, im Gegensatz zu dem strengen Dutt, den sie sonst immer trug. Sie wirkte fast wie die Frau, die ich damals kennen- und lieben gelernt hatte. Doch so hübsch sie am Abend aussah, der Zug war abgefahren. Meine Gefühle für Trish waren verebbt und hatten sich in Wohlgefallen aufgelöst.

An einem solchen Abend fragte ich mich wieder, wo war die Leichtigkeit unserer Beziehung hingegangen und wann hatte sie sich dermaßen festgefahren, wie sie war. Manche Leute sagten, dass ein Urlaub alle Sorgen löste. Doch ich wusste, dieser würde es nicht machen. Vielleicht waren wir im Osten Kanadas gelöster und verstanden uns besser, aber ich wusste, es würde sich ändern, sobald wir nach Hause kämen. Daher hielt ich an meinem Plan fest, den ich tief in meinem Unterbewusstsein verankert hatte.

Trish und ich spazierten lange am Hafen entlang, führten Gespräche, wie wir es schon lange nicht mehr taten, sahen uns Dinge an, machten alberne Fotos und genossen die Zeit, frei von allem zu sein. Ich musste tatsächlich feststellen, dass sie sich bemühte. Sie sprach nicht von ihrer Arbeit, nicht von ihrem Auftrag und auch nicht von ihrem Kunden. Sie erzählte stattdessen von Dingen, die sie in Deutschland erlebt hatte, als ich unterwegs war. Erzählte mir von ihrem Treffen mit ihren Eltern und ihren Geschwistern. Sie meinte, ihre Schwester hätte sich verlobt und kurz darauf wieder getrennt. Es war eine interessante Erfahrung, dass ich Wochen später erst davon erfuhr. Wir hatten viele Abende nebeneinander im Bett gelegen und uns angeschwiegen. Ich fragte mich, wieso sie es nicht bereits in Vancouver erwähnt hatte. Es waren weitere Kleinigkeiten, die ich nicht mehr nachvollziehen konnte. So sehr sie in ihrem Job eingespannt war, früher erzählten wir uns diese Tatsachen immer sofort, spätestens einen Tag später. Obwohl ich mich ärgerte, zeigte ich es nicht, sondern überging es und teilte ihr mit, sie möge ihrer Schwester mein Beileid bekunden.

Als sie sich kurz auf die öffentliche Toilette verabschiedete, checkte ich mein Handy nach Neuigkeiten. Ich schaute in meinen Nachrichtenstatus und stellte fest, dass meine Schwester noch immer nicht geschrieben hatte. Das machte mir schon ein wenig Sorgen, zumal ich Gemma anders kannte. Ich redete mir ein, dass sicherlich etwas dazwischen gekommen war und sie keine Zeit hatte, ihr Handy zu überprüfen. Dennoch überlegte ich, ob ich ihr eine Nachricht schicken sollte und ein paar Bilder beifügte. Ich entschied mich stattdessen dagegen. Niall hatte mir eine Nachricht geschrieben, dass er mir viel Spaß und einen schönen Urlaub wünschte. Ich antwortete mit einem schlichten „Danke“ auf seine Nachricht und schloss die App wieder. Ich hatte keine große Lust, mit ihm zu schreiben. Ich wollte Montreal genießen. Ich wusste nicht, wann ich das nächste Mal hier sein würde und wollte so viele Eindrücke sammeln, wie ich konnte.

„Liebling, ich finde, es wäre an der Zeit, eine Kleinigkeit zu essen. Ich bekomme so langsam Hunger. Du weißt, dass ich zum Hulk werden kann, wenn der Hunger zu groß wird.“

Trish kam von ihrem Toilettengang zurück und umarmte mich von hinten. Meinen Gedanken, dass sie nicht nur zum Hulk wurde, wenn sie Hunger hatte, sprach ich nicht aus. Ich wusste, dass sie auch zu einem grünen Ungeheuer wurde, wenn sie Angst hatte oder der Meinung war, ihr würde etwas weggenommen werden.

„Selbstverständlich. Ich glaube, ich habe heute Mittag ein nettes Restaurant gesehen, dass dir gefallen könnte. Ich weiß, wie sehr du italienisches Essen magst.“

Ich zeigte ihr auf dem Smartphone die Seite des Restaurants, welches ich heute Mittag gesehen hatte und wusste, dass es Trish gefallen würde. Sie nahm das Handy, scrollte durch die Seite, schaute sich die Speisekarte an und nickte zustimmend. Ich kannte sie zu gut und wusste, dass es ihr gefallen würde. Ich konnte mir bereits vorstellen, was sie essen würde.

„Das sieht fabelhaft aus. Du hast einen großartigen Geschmack. Wenn das Essen nur halbsogut schmeckt, wie es auf den Bildern aussieht, werden wir lecker speisen.“ Sie harkte sich bei mir unter und lächelte mich an. „Lass uns loslaufen, damit wir noch einen guten Platz bekommen.“
Sie zog mich in eine Richtung, bis ich ihr mitteilte, dass sie in die falsche lief. Entschuldigend sah sie mich an, drehte sich um und setzte zum Laufen an.

Still The OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt