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Louis

„Das Video hat jetzt schon drei Millionen aufrufe!", stellt Niall begeistert fest, als er es sich zum gefühlt hundertsten Mal ansieht. „Warum bin ich eigentlich immer am Koffer schleppen, wenn mal was Aufregendes passiert?"

„Weil du der Page bist? Außerdem, so aufregend war das gar nicht.", winkt Harry ab. „Ich bin nur gestolpert. Der Typ war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort."

„Und das zweite Mal? Das Wasserglas war doch Absicht.", hakt Niall neugierig nach.

„Von mir erfährst du nichts. Letztendlich spinnst du dir sowieso wieder deine eigenen Geschichten zusammen.", sieht Harry ihn provokant an und entlockt ihm damit ein frustriertes Seufzen. „Soll das jetzt immer so weiter gehen? Ich habe aus meinem Fehler gelernt. Ehrlich! Ihr könnt mir vertrauen.", hüpft Niall wie Rumpelstilzchen um Harry herum, der wehmütig seinen Blick durch den Personalraum gleiten lässt.

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen werde, aber es war eine schöne Zeit."

Irritiert wechselt Niall's Blick von Harry zu mir und wieder zurück. „Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?"

„Das soll heißen, dass ich von hier verschwinde."

„Aber... aber..." Ich kann förmlich sehen, wie es in Niall's Kopf arbeitet, doch die richtigen Worte scheint er noch nicht gefunden zu haben. Ich binde meine Schuhe zu und schmeiße die Dienstkleidung zur Schmutzwäsche. „Das war's also?", stelle ich mich Harry rührselig gegenüber. Kaum zu glauben, dass ich ihn jetzt nicht mehr täglich bei der Arbeit sehen werde. Noch gar nicht lange her, da habe ich mir gewünscht, dass er verschwindet, aber jetzt kann ich mir das Golden Crown ohne ihn gar nicht mehr vorstellen.

„Sieht so aus.", haucht Harry kaum hörbar. Sein Duft steigt mir in die Nase, als er sich über mich reckt, um seine Jacke vom Haken zu nehmen. Ich schließe meine Augen und möchte mich ihm entgegenlehnen, seine Nähe spüren, mich an ihn schmiegen, bis mich seine Stimme wieder ins hier und jetzt holt. „Soll ich dich noch nach Hause fahren?" Ein sanftes Lächeln umspielt seine Mundwinkel und lässt mein Herz augenblicklich schneller schlagen.

Ich räuspere mich, um von meinem plötzlichen Gefühlschaos abzulenken.

„Musst du nicht. Ich bin doch stolzer Besitzer einer Monatskarte für die Bahn.", drücke ich ihn sanft von mir, um mir ebenfalls meine Jacke zu nehmen.

„Es würde mir aber nichts ausmachen."

„Du schindest Zeit, Harry!", ermahne ich ihn liebevoll.

„Du hast Recht. Augen zu und durch." Harry atmet tief ein und aus, als würde er sich dem schwersten Kampf seines Lebens stellen.

„Du schaffst das."

Ich muss schmunzeln. Noch vor ein paar Stunden hat er mir Mut zugesprochen, jetzt haben wir die Rollen getauscht. Ich wünschte ich könnte ihm mehr geben, als ein du schaffst das, doch an seinem Blick kann ich erkennen, dass es schon mehr ist, als er je erwartet hat.

„Meldest du dich, wenn es vorbei ist?", frage ich fast schon flüsternd. Ich weiß, wie schwer es ihm fällt seinem Vater die Stirn zu bieten. Doch Harry ist selbstbewusst und stark. Er muss sich nicht von seinem Dad abhängig machen. Mit harter Arbeit kann er auf eigenen Beinen stehen. Potenzial hat er jedenfalls.

„Ich ruf dich an, falls ich da lebend wieder rauskomme.", er lächelt mich tapfer an, doch sein Lächeln erreicht seine Augen nicht ansatzweise.

„Viel Glück!", wünsche ich ihm noch, als er sich bereits mit kleinen Schritten der Tür nähert. Seine Hand zittert, als er sie vorsichtig auf die Klinke legt. Seine Körperhaltung schreit nicht gerade ich schaffe das. Er macht mehr den Eindruck, als wolle er lieber davonlaufen, als sich dem Monster zu stellen.

„Harry", bewege ich ihn noch einmal zum Umdrehen. Ich weiß nicht genau wieso und warum, doch etwas sagt mir, dass er jetzt mehr braucht als ein Einfaches Viel Glück. Keinen Wimpernschlag später stehe ich vor dem gutaussehenden Typ mit den smaragdgrünen Augen und den unglaublich weichen Locken und presse meine Lippen auf seine. Sinnlich bewegen sich unsere Münder aufeinander, doch bevor Harry zu gierig werden kann, löse ich mich von ihm. „Mehr gibt's, wenn du es hinter dich gebracht hast.", flüstere ich ihm ins Ohr, doch statt sich von mir zu lösen, hält Harry mich fest an sich gedrückt. „Ich dachte, du wolltest es noch geheim halten.", raunt er, während er einen Punkt hinter mir fixiert.

Oh Shit! Niall!

Wie konnte ich den denn vergessen?

Peinlich berührt drehe ich mich in Harrys Armen um und sehe Niall's weit aufgerissene Augen. Mit aufgeklappter Kinnlade starrt er uns an.

„Kein Wort! Zu niemandem!", droht Harrys Stimme durch den Raum, bevor ich auch nur einen klaren Gedanken fassen kann.

Nachdem Harry sich schweren Herzens auf den Weg zu seinem Vater gemacht hat und Niall mir tausendmal geschworen hat nichts zu sagen, stehe ich nun in der klirrenden Kälte und warte auf meine Bahn, während meine Gedanken bei Harry sind. Schafft er es tatsächlich von seinem Vater freizukommen? Oder gibt er klein bei, um weiter im Luxus zu schwimmen?

„Ich weiß ja nicht, was du dir davon erhoffst, aber Harry ist eine Nummer zu groß für dich.", werde ich von einer piepsigen Stimme aus meinen Gedanken gerissen. Ich ignoriere ihn und setze mich auf einen der wenigen freien Plätze. „Du bist nur ein nettes Spielzeug für ihn.", quatscht mich dieser Idiot weiter voll, obwohl es nicht mal seine Bahn ist, in die er mir gefolgt ist. „Was willst du Dawson?", gebe ich genervt von mir, doch komme nicht umhin mich zu fragen, woher er von Harry und mir weiß. Ich bin mir sicher, dass Niall nicht gequatscht hat. Aber woher sollte er es sonst wissen?

Dawson nimmt ungeniert neben mir Platz und versperrt mir so mit seiner Größe den Fluchtweg. „Ich möchte dir nur die Augen öffnen, Tomlinson. Harry ist nicht der für den du ihn hältst."

„Was redest du denn für einen Blödsinn? Zwischen Harry und mir ist nichts.", streite ich alles ab. Gelangweilt von diesem Gespräch blicke ich aus dem Fenster und sehe die hohen Gebäude nur so an uns vorbeiziehen. Dawson schweigt und scrollt durch sein Smartphone, bis er abermals das Wort ergreift. „Harry ist kein Typ für eine Beziehung.", fährt er fort, ohne auf meine Einwände einzugehen. „Er will seinen Spaß im Bett, sonst nichts. Du bist nur einer von vielen. Genau wie ich." Perplex starre ich ihn an. „Da staunst du, was? Ich wette, das hat er dir nicht erzählt. Harry ist egal wem er fickt, solange er der dominante Part ist. Und er fickt verdammt gut."

Lustvoll leckt er sich über die Lippen. Es soll wohl irgendwie erotisch wirken, doch ich finde es einfach nur widerlich und abstoßend. Zum Beweis für seine Behauptungen hält er mir sein Telefon unter die Nase und schiebt von einem Foto zum nächsten. Auf jedem ist Harry mit einer anderen Person, mal Mann, mal Frau, in eindeutiger Pose abgebildet. „Was stimmt denn nicht mit dir?", ist das Erste, was mir einfällt, als ich die unzähligen Bilder sehe. Es kann doch nicht normal sein, dass man so viele Fotos von jemandem hat mit dem man nicht mal befreundet ist. Mir ist klar, dass Harry keine jungfräuliche Vergangenheit hat, doch ich möchte ihn selbst kennenlernen. Mir selbst eine Meinung bilden. Bereits am Anfang habe ich den Fehler gemacht und Harry in eine Schublade gesteckt, in die er bei genauerem Hinsehen gar nicht reingehört.

Ich schiebe das Telefon von mir und wende mich von Dawson ab. „Verschone mich mit deinem Gossip. Ich bilde mir dann doch lieber meine eigene Meinung."

Abrupt zieht er mich an meiner Jacke zu sich heran und funkelt mich wütend an. „Wenn du auf einen gut gemeinten Rat nicht hören willst, dann sieh es als Warnung. Lass deine Finger von Harry, sonst wirst du es bitter bereuen!" Der Zorn in seinen Augen und die Brutalität in seiner Stimme machen mir deutlich klar, dass es nicht nur so daher gesagt war. Ich erschaudere unter seinem Blick, doch schon im nächsten Moment lässt er von mir ab, streicht den Stoff meiner Jacke glatt und steht auf. „Schönen Feierabend, Louis. Man sieht sich.", säuselt er lieblich, wendet sich von mir ab und wechselt das Abteil.

Was war das denn bitte?

Ich hatte nie Zweifel daran, dass Dawson eine Macke hat, aber dass gerade...

empire love ➵ larry stylinson Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt