Die bittere Realität

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Ich sehe nur in Jennifers schockiertes Gesicht. In mir breitet sich ein tiefer Schmerz aus und ich denke an Thomas. An sein Wesen, seine Art und daran, dass ich ihn wahrscheinlich nie wieder Lachen oder Lächeln sehen werde. Nie wieder seine Stimme hören werde. Nie wieder meinen Namen von ihm hören werde. Nie wieder seine Nähe spüren werde. Alles ausgelöscht in der Sekunde, wo der Zug auf das Auto traf.

Aber er ist nicht ausgestiegen. Warum ist er nicht ausgestiegen ? Warum?! Innerlich schreie ich verzweifelt, weil es auf diese Frage keine Antwort gibt.

Jennifer, die immer noch von der Botschaft geschockt zu sein scheint, setzt sich sprachlos auf den Boden.

Kurz darauf sinke ich auf den Boden der Tatsachen. Er ist kalt, aber Wärme könnte ich jetzt auch nicht ab. Jennifer und ich wechseln kein Wort miteinander. Einfach nur die Stille des Geschehens umhüllt uns.

Alles in Ordnung?" Ingos Stimme holt mich aus meinen Gedanken zurück ins jetzt zurück. Mit roten, verheulten Augen schaue ich zu ihm auf. „Thomas saß wohl in dem Auto." Erzähle ich ihn mit meiner zitterigen Stimme. Sein Gesichtsausdruck ändert sich schlagartig. „Ach so." Erwidert er fassungslos. So als ob er nicht wüsste, was er dazu sagen sollte. Aber was sagt man auch in so einer Situation? Ein paar liebe, beruhigende Worte. Mehr nicht. Oder doch?

Wir haben das Auto gefunden, was auf den Schienen stand!" Dieser Satz von dem Feuerwehrmann dröhnt durch meinen schweren Kopf, so als würde er aus einer ganz anderen Welt stammen.

Dann drehe ich mich um. Ich sehe Jennifer schon los rennen. Doch bevor ich es ihr gleich tue, gucke ich nur kurz zu Ingo, der gerade einer älteren Frau hilft. Sehr hilfsbereit von ihm.

Nach der kurzen Beobachtung und Feststellung, renne ich schließlich auch los in die Richtung, in die Jennifer auch gerannt ist.

Zwar bin ich vielleicht nicht bereit für das, was ich sehen werde. Aber ich muss ihn sehen und wenn er vielleicht sogar noch lebt, dann muss ich ihn unbedingt noch einmal sehen. Ich liebe ihn doch!

Dann endlich. Ich sehe seinen zerstörten, schwarzen Tiguan. Alle Scheiben sind zersprungen und es steht auf dem Kopf. Der Rest des Autos ist zerdeppert. Die Scheinwerfer, die Amateur, die Reifen, die Karosserie alles ist kaputt. Der Anblick lässt mir einen Scheuer über den Rücken laufen. Ich weiß noch ganz genau, wie ich und Thomas das erste Mal zusammen in den Tiguan eingestiegen sind und jetzt ist er einfach komplett hinüber.

Ein lebloser Arm hängt aus dem Auto. Er ist voller Schürfungen, die den Rasen in ein tiefes rot tränken. Ist das Thomas?

Die Sanitäter ziehen ihn vorsichtig aus dem Auto. Dabei gibt die Person keinen Laut von sich. Eine bedrückende Totenstille breitet sich aus. Der eine Sanitär checkt seinen Puls, dann sagt er kalt: „Exitus. Der hier hat einen Genickbruch. Wir können nichts mehr für ihn tun." 

Jetzt kann ich ihn auch aus der Nähe betrachten. Es ist nicht Thomas. Sondern der Fahrschüler, der heute seine praktische Prüfung hatte. Und jetzt liegt er da tot.

Ich kann da nicht lange hingucken, ohne das mir schlecht wird. Dann der erlösende Satz: „Hier ist noch einer!" schreit ein Feuerwehrmann.

Jennifer geht sofort dahin. „Thomas!" schreit sie freudestrahlend. Gemeinsam ziehen der Feuerwehrmann und Jennifer Thomas aus seinen geliebten Tiguan. Er ist bewusstlos und sein ganzer Körper ist bedeckt mit seinen noch warmen Blut. Dazu hat er mehrere tiefe Wunde. Ich weiß nicht, ob ich lächeln oder weinen soll? Ich will nur zu ihm. Ich möchte, dass er weiß, dass ich da bin.

Dann setzen die zwei ihn vorsichtig ab. „Kein Puls." Sagt der Feuerwehrmann. Schnell fängt er mit einer Herz Lungenmassage an. „Darf ich seine Hand halten?" Frage ich mit meiner zitternden Stimme. Der Sanitäter nickt.

Endlich darf ich seine Hand halten. Sie ist zwar regungslos, aber noch warm. Es klebt etwas Blut dran, was schon ein bisschen getrocknet ist. Aber sie ist genauso weich und sanft, wie ich sie in Erinnerung habe. Sanft küsse ich seine Hand. Jetzt gerade ist mir komplett egal, was die anderen denken könnten. Ich will einfach nur für ihn da sein, so wie er für da war.

Nach kurzer Zeit lässt der Feuerwehrmann von Thomas ab. „Exitus. Bei seinem Verletzungen hatte er eh nie eine Chance." Die Worten des Feuerwehrmannes sind unglaublich kalt. Schon wieder fange ich an zu schluchzen. Und wir wollten uns doch noch heute Abend einen schönen Abend machen und jetzt ist er tot. Einfach so. Ohne einen Grund. Er war doch kein schlechter Mensch. Thomas setzte sich immer für andere ein. Er sprach nie schlecht oder abfällig über andere. Er behandelt immer jeden mit Respekt, selbst wenn dieser ihm gegenüber respektlos war. Und jetzt? Warum?

Auf einmal zieht mich ein anderer Feuerwehrmann von Thomas weg. Ich will seine Hand nicht los lassen. „Nein! Nein! Nein! Nein!" Schreie ich immer wieder unter Tränen. Ich will und ich kann ihn nicht hier so alleine lassen. Nein!

Plötzlich reißt sich Jennifer los und macht weiter mit der Herz Lungenmassage. Die Sanitäter und Feuerwehrleute gucken sie fassungslos an. „Hören Sie auf. Das bringt nichts mehr. Er ist tot." Sagt der eine Sanitär um Jennifer wieder zur Vernunft zu bringen. Doch das bringt nichts. Sie macht immer weiter. „Komm schon. Du darfst nicht sterben. Nicht heute." Murmelt Jennifer dabei.

Alle gucken ihr dabei zu. Sie macht es energisch, so als ob es noch einen Sinn hat und Thomas noch nicht tot ist. Und tatsächlich. „Ich fühle wieder einen Puls!" Schreit ein Sanitäter.

Sie haben wohl magische Kräfte." Sagt der Feuerwehrmann zu Jennifer mit einem Zwinkern. Doch sie schüttelt nur ihren Kopf. „Ich habe einfach nicht aufgegeben. Im Gegensatz zu ihnen." Entgegnet Jennifer ihm sauer.

Sofort versorgen die Sanitäter Thomas. Sie schneiden sein T Shirt auf und machen seine Brust frei. Die Brust auf der ich abends lag. Wo ich immer stets sicher gefühlt habe. Und jetzt zieren mehrere tiefe Stiche sie.

Die Sanitäter schließen Thomas ans CT an. Danach intubieren sie ihm, da ihm das selbstständig atmen schwer fällt. Der Anblick ist einfach nur schrecklich. Ich wünschte, dass ich weiter seine Hand halten könnte. Doch jetzt laden Sie Thomas in den Hubschrauber, dabei bekommt er Kammerflimmern, sodass sie kurze Elektroschocks durch seinen Körper jagen müssen. Dann heben sie auch schon ab und ich bleibe ohne ihn am Boden zurück. Ohne zu wissen, ob er noch lebt. Ein tiefes Loch der Ungewissheit breitet sich langsam aber sicher in mir aus.

Jennifer guckt etwas verträumt zum Himmel. Dann schaut sie mich lächelnd an. Aber auf einmal läuft Blut aus ihren Nase. Erschrocken gucke ich sie an. Als sie sich dann mit ihrer Hand an den Mund fasst läuft auch dort Blut raus.

Schnell will ich ihre Hand greifen, doch dann fällt sie stumm zur Boden.....

Wird Thomas überleben? Und was ist mit Jennifer jetzt los? Schreibt gerne eure Vermutungen in die Kommentare❤️ Am nächsten Donnerstag geht es dann wieder weiter😊

Forbidden desireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt