Nachtfahrt

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Ein normaler Tag, wie jeder andere? Nein, leider nicht. Heute erfahre ich, was ich nach meinen Abi alles machen könnte und ob ich überhaupt bestanden habe.

Mit leicht schlotternden Knien betrete ich das Schulgebäude. Hoffentlich zum letzten Mal.

Die langen Flure, wo ich die letzten neun Jahre immer meine Pausen verbracht habe, kommen mir jetzt ewig lang vor. Hier bin ich Liam zum ersten Mal begegnet. Ach dieses Arschloch. Am liebsten würde ich ihn komplett aus meinen Kopf streichen, doch das wird wohl leider kaum möglich sein.

Endlich komme ich vor dem Raum 211 an. Jimmy steht auch schon ungeduldig vor. Er ist auch bald schon mit seinen Führerschein fertig. Im Gegensatz zu mir hat er jede Woche fast immer drei Fahrstunden mit seinen Fahrlehrer Martin und er hat vorher auch schon zehn Stunden mit dem Simulator gefahren. Ich bin noch nie mit dem Simulator gefahren, weil meine Mutter das für Schwachsinn hielt, denn sie nicht bezahlen wollte.

Ach, sie kann mich auch mal. In Moment sitzt sie in Untersuchungshaft bis das Verfahren gegen sie eingeleitet wird. Sie hatte wohl auch Steuerhinterziehungen betrieben und das nicht gerade wenig. Es soll wohl um 5 Millionen Euro gehen. Eine gewaltige Summe. Mein Vater meint, dass wird sie mindestens für über zehn Jahre ins Kittchen befördern.

Ehrlich gesagt die Vorstellung, dass sie in den Knast muss, zaubert mir stets ein Lächeln übers Gesicht. Sie hat auch nichts anderes verdient.

Zwischendurch kommen immer einzelne Lehrer und rufen uns auf, damit wir unseren finalen Abinoten erfahren. Jetzt ist Jimmy an der Reihe. Es geht nach Alphabet. Mit K, wie Kent, ist er natürlich vor mir dran.

Jimmy brauch richtig gute Note für sein geplantes Studium in den USA.

Kurze Zeit später kommt er auch ziemlich begeistert auf mich zu. „Ich habe einfach fast überall eine eins drin geschrieben." Verkündet er freudestrahlend und ich gönne es ihn wirklich. So viel, wie er für die Prüfungen gelernt hat. Ich beglückwünsche ihn und mich danach Mental bereit meine Noten zu erfahren.

Bis dann endlich mein Name aufgerufen wird. Das Adrenalin schießt gefühlt, wie ein Blitz durch meinen Körper.

Der Lehrer fordert mich auf, mich hinzusetzen, was auch besser so ist. Mein Herz schlägt so schnell, sodass ich meinen Herzschlag kaum spüren kann.

So Chloe Lefebre. In Deutsch 12 Punkte, Geschichte 14 Punkte, Mathematik 10 Punkte und Französisch 15 Punkte. Das sind wirklich gute Ergebnisse." Teilt mir der Lehrer mit. Ich weiß nicht, ob ich vor Erleichterung Luftsprünge machen soll oder mich doch lieber übergeben soll.

Mit so einen guten Ergebnis hätte ich echt nicht gerechnet. Das Klassenzimmer verlasse ich mit einem zufriedenen Lächeln. Seit langem war mein Lächeln nicht mehr so echt, wie jetzt.

Jimmy sieht es sofort. „Und zufrieden?" Fragt er gespannt. Ich nicke nur glücklich und umarme ihn. Ich weiß zwar noch nicht, an welche Universität ich studieren möchte, aber mit dem Durchschnitt habe ich viele Möglichkeiten.

Den Rest des Tages verbringen Jimmy und ich damit Outfits für den Abschluss rauszusuchen und anzuprobieren. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal, wieder so einen schönen Tag hatte. Ach ja richtig mit Thomas.

Der Tag verging viel zu schnell. Jetzt ist es 19 Uhr und damit Zeit für meine Nachtfahrt. Wie immer warte ich an der Kirche. Alleine starre ich auf die gut beleuchtete Straße. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass Thomas mit seinen Tiguan vorfährt. Aber das ist nur ein Hirngespinst und wird wahrscheinlich nie wieder so passieren. Dieser Gedanke bringt mich fast schon wieder zum weinen.

Egal, wie gut der Tag war, wenn ich an Thomas denken muss und daran, ihn nie wieder zu sehen, muss ich fast immer weinen.

Doch jetzt muss ich mich zusammenreißen, denn Ingo kommt schon aus der Fahrschule. Heute ist er nur fünf Minuten später dran. Mit seinen typischen Rucksack bahnt er sich seinen Weg zu mir.

Wir begrüßen uns und schon geht es ins Auto. Es dämmert schon etwas. Ich stelle mir alles wie gewohnt ein.

Die Uhrzeit nenne ich mal perfekt für die Nachtfahrt. So kannst du alle unterschiedlichen Phasen der Dunkelheit mitkriegen. Wegen deiner praktischen Prüfung. Ich habe dich jetzt für den 30. Mai eingetragen, wenn alles klappt hast du schon in drei Wochen deinen Führerschein." Berichtet Ingo freudig.

Ja, in drei Wochen habe ich endlich meinen Führerschein. Sollte ich glücklich sein? Dann verliere ich gefühlt alles, was mit Thomas etwas zu tun hatte. Aber vielleicht sollte ich damit abschließen.

Nach dem ganzen Nachdenken, fahren wir los. Es geht aufs Land und es wird langsam immer dunkler. Langsam kommen in mir die Gedanken hoch, wie die Nachtfahrt wohl mit Thomas verlaufen wäre.

Zuerst wären wir normal losgefahren. Er hätte mir alles über die Beleuchtung erklärt. Thomas nahm seinen Job als Fahrlehrer immer sehr ernst, trotz das er ein lockerer Typ ist.

Später würden wir über entlegene Straßen fahren. Ich hätte mir, was knappes angezogen, was schlussendlich dazu geführt hätte, das wir zwei auf der Motorhaube gelandet wären. Bestimmt auf einen Parkplatz im Wald, wo niemand mein Stöhnen hören würde.

Diese Gedanken erregen mich für einen kurzen Augenblick, doch dann kommt wieder das Gefühl, dass es vorbei ist. Das alles sind nur Fantasien in meinen Kopf, die nie mehr passieren werden.

Fahr mal bitte auf den Parkplatz drauf. Dann kann ich dir kurz die Beleuchtung erklären." Sagt Ingo. Der Parkplatz gehört zu einem Hotel und es kommt mir sehr bekannt vor. „Sind wir in Bad Kirchen ?" Frage ich Ingo, denn das Hotel müsste in Bad Kirchen sein. Hier hatte meine Mutter immer ihre Meetings.

Ja. Eigentlich mag dieses Dorf nicht. Hier passieren nur komisch und gruselige Dinge. Auf einer alten Brücke hatte die Tochter von einem Kollegen von mir und Thomas, einen Unfall. Bei dem sie und ihre zwei Freundinnen starben. Dann noch die Sache mit Thomas. Darüber will man garnicht nach denken." Erzählt Ingo. Bad Kirchen das Dorf, wo nur gruselige Sachen geschehen. Ob da was dran ist?

Jedenfalls erklärt mir Ingo erstmal ausführlich die Beleuchtung. „So machst du das Fernlicht an. Aber dabei musst mir stets darauf achten, dass du vorher das Abblendlicht eingeschaltet hast. Nur bei Standlicht funktioniert das Fernlicht nicht. Das Fernlicht machen wir nur an, wenn wir alleine auf der Straße sind und es keine Straßenbeleuchtung gibt."

Ich höre Ingo aufmerksam zu, dennoch werde ich morgen bestimmt schon das meiste wieder vergessen haben.

Nach dem kurzen Stopp fahren wir weiter durch Bad Kirchen. Jede Ecke in diesen Dorf erinnert mich schmerzhaft an Thomas. Ob er hier auch schon mal lang gelaufen ist, denke ich mir bei jeder einzelnen Straße.

Doch nach ein paar Minuten verlassen wir Bad Kirchen. Wir fahren in die Dunkelheit einer nicht beleuchteten Straße. Zum Glück sind wir nicht an Thomas Haus vorbei gefahren, denn dann......

Schreibt gerne in die Kommentare, wie euch das erste Kapitel gefallen hat. Heute werden übrigens zwei veröffentlicht, also schaut gerne beim nächsten Kapitel vorbei☺️

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