𝐓𝐫𝐞𝐧𝐭𝐚𝐭𝐫𝐞́

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Ophelia

Ich nahm mir eine meiner Sweatjacken aus meinem Kleiderschrank, zog mir eine Jogginghose und ein kurzes Shirt an, um diese überzuziehen und setzte mich mit einer Wolldecke und einem Buch auf die Hängeschaukel auf der Terrasse meines Zimmers. Der kühle Wind bescherte mir Frieden und löste auch ein klein wenig die Übelkeit, die mich das Zusammensein mit meinem Mann gekostet hatte. Diese Schwangerschaft verlangte bereits jetzt mehr von mir als jemals zuvor. Und das bereitete mir eine holde Angst. Ich wusste nicht, wie ich das vereinbaren konnte. Insbesondere den beruflichen Aspekt. Papierkram zu erledigen wirkte nicht gerade kompliziert, nur wusste ich, dass Antonio mich auch in anderen Bereichen brauchte. Und da wirkte es nicht gerade toll oder zollte mir Respekt ein, wenn ich alle fünf Minuten eine Pause machte.

Mir stellte sich wirklich die Frage, wie meine Schwiegermutter das damals bewältigen konnte. Und das Ganze viermal – einmal sogar mit Zwillingen.

Ich seufzte und sah zur Seite, als sich die Tür öffnete.

»Hier bist du«, lächelte genau sie und schloss die Tür wieder.

»Brauchst du etwas?«, erkundigte ich mich und sah mit an, wie sie mir gegenüber Platz nahm.

»Du brauchst nicht auf Italienisch zu sprechen. Ich verstehe Englisch ganz gut.« Was? »Salvatore ist der Einzige mit dir nun, der das weiß. Auf eine Weise musste ich ja herausfinden, was meine Söhne vor mir alles verheimlichen und da sie denken, dass ich kein Englisch verstehe, sprechen sie immer auf dieser Sprache, wenn sie etwas verheimlichen und ich in der Nähe bin«, lachte sie.

Ich fasste mir an den Mund. »Oh Gott! Wie konntest du das alles denn so lange geheim halten?«

»Es ist eine traurige Wahrheit, dass Männer nicht sonderlich auf Details achten und meine Söhne tun das nur, wenn sie von etwas hingezogen sind. Antonio beispielsweise merkt sich alle Dinge, die du liebst, um sie dir wieder ermöglichen zu können.« Ich sank den Kopf. »Dir macht die Schwangerschaft zu schaffen, oder?«

»Nicht die Schwangerschaft insbesondere. Die Übelkeit und die Emotionen, die über mich hineinbrechen. Ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll überhaupt zu atmen.« Sie nickte. »Wie hast du das damals denn geschafft?«

»Salvatore war mir eine riesige Hilfe. Er hat mir meistens alles abgenommen und hat steht's einen Stuhl bereitgestellt, damit ich mich setzen konnte, wenn ich denn eine Pause brauchte.« Ich lächelte schmal. Die beiden mussten sich wirklich verdammt lieben. »Bei meiner ersten Schwangerschaft war das aber auch verdammt schwer für mich. Salvatores Vater war erst vor kurzem gestorben; mein Mann hatte erst die Geschäfte geerbt und war kaum daheim, um bei mir zu sein.« Auf eine Weise war das Ganze genauso wie bei Antonio und mir zurzeit. Nur, dass er für mich noch Zeit hatte. »Es verlief alles nicht so, wie es sollte. Antonios Geburt verlief kompliziert und kostete mich beinahe mein Leben.« Natürlich nahm mir das die Angst. »Und ich glaube, dass diese Sache meinem Mann seinen Kopf etwas gerade gerückt hat. Er hat verstanden, dass ich ihn brauche und solch eine Schwangerschaft nicht alleine bewältigen kann. Ich war ja auch nicht viel älter als du gewesen.« Ich sah auf meine Finger. »Ich möchte dir damit nur sagen, dass du glücklich darüber sein kannst, dass Antonio auf diese Weise zu dir steht. Er kann dir nicht sonderlich helfen, wenn es um deine Emotionen oder um deine Übelkeit geht, aber kann dich anders unterstützen, indem er dir Dinge abnimmt und dir die Ruhe gönnt, die du brauchst.« Ich hob meinen Kopf wieder. »Antonio gibt sich wirklich große Mühe. Er hat sich vorher nie so um eine Frau gekümmert wie um dich. Du tust ihm gut. Und dieses Baby wird wahrscheinlich alles zwischen euch ändern, aber euch auch klarmachen, dass ihr einander braucht, um glänzen zu können.«

Ich lachte und sank den Kopf. »War es immer dein Wunsch gewesen, so viele Kinder zu bekommen?«

»Nun ja, eigentlich sollte nach Romeo Schluss sein.« Sie lachte. »Salvatore und ich haben eigentlich ausgemacht, dass wir keine weiteren Kinder bekommen, nur leider wusste ich zum damaligen Zeitpunkt nicht, dass die Pille nicht ganz wirkt, wenn man Antibiotika einnimmt.« Sie wischte sich eine Haarsträhne beiseite. »Zwei Monate später habe ich erfahren, dass ich mit Zwillingen schwanger bin und da war der Gedanke noch zwei Babys zu haben, nicht gerade schlimm. Selbst, wenn der Altersunterschied zwischen ihnen dadurch riesig wurde.«

»Antonio war 13, als sie auf die Welt kamen, oder?«

Sie nickte. »Er war überhaupt nicht erfreut darüber. Das war er bereits nicht bei Alessandro und Romeo, da er seinen Vater und mich so teilen musste.« Auf eine Weise wirkte diese Vorstellung auf mich süß. Antonio müsste etwa vier gewesen sein, als Alessandro auf die Welt kam. Da konnte ich glatt verstehen, dass diese geteilte Aufmerksamkeit schrecklich war. Ich war manchmal ganz froh, dass ich Einzelkind war. »Aber mit der Zeit liebte er die beiden. Er beschützte sie mit seinen Leben. Das tut er heute noch.«

»Inwiefern?«

»Antonio würde für die beiden jede Kugel aufnehmen. Damals in der Schule hat er den beiden auch jedes Problem aus der Welt geschafft, damit sie in Frieden leben konnten.« Ob er unser Kind auch so beschützen würde? »Es tut mir leid, wie ich dich anfangs behandelt habe. Es war aber nötig, damit du lernst unser Leben nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Du bist nicht mehr bei deinen Eltern und musst nicht an das Wohl von Tausend Menschen denken, sondern von Millionen.«

Ich nickte und zupfte an meinen Fingerkuppen. »Ist es dir wichtig, dass dieses Kind ein Junge wird?«

»Nein. Ein Kind ist immer ein Geschenk Gottes, das wir schätzen sollten.« Sie kam zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. »Ich würde mich aber freuen, wenn endlich einmal eine Frau diesen Trotteln zeigt, dass wir mehr können, als billigen Papierkram zu erledigen. Und ich hoffe, dass du mehr erreichen kannst als ich damals.«

»Ich werde dich nicht enttäuschen«, lächelte ich schwach und sah zur Seite, als sich die Terrassentür öffnete.

»Ist alles in Ordnung bei euch beiden?«

»Natürlich, Liebling. Wir haben nur etwas miteinander gesprochen«, gab sie nun auf Italienisch von sich und ließ mich lachen. »Ich lasse euch beide dann alleine. Und Ophelia: Ich schicke dir ein Porridge mit Früchten hoch. Ich konnte damals nicht genug davon bekommen.«

»Danke«, flüsterte ich und machte Antonio Platz, als er zu mir kam.

»Ihr beide habt euch vertragen?«

»Deine Mutter ist doch nicht so schlimm, wie ich dachte«, lächelte ich und kuschelte mich an ihn. »Sie würde sich auch über ein Mädchen freuen.«

»Jeder in diesem Haus würde das. Du kannst dir die Freude meiner Brüder gar nicht vorstellen, als sie erfahren haben, dass sie eine Schwägerin bekommen.«

»Das ist süß.« Ich sah zu ihm hoch. »Darf ich dich heute begleiten?«

»Gerne. Lass uns nur ein klein wenig noch warten, bis deine Übelkeit verschwunden ist.« Er nahm mir das Buch aus der Hand. »So lange lese ich dir einfach etwas vor.«

»Ich kann das auch alleine«, schmunzelte ich und schmiegte mich an seinen Arm.

»Etwas Übung schadet doch nie«, sagte er und machte es sich bequem, um das Buch folgend zu öffnen.

Konnte ich mich überhaupt noch glücklicher schätzen?

Konnte ich mich überhaupt noch glücklicher schätzen?

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𝐏𝐥𝐚𝐲𝐟𝐮𝐥 𝐂𝐨𝐧𝐭𝐫𝐚𝐜𝐭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt