Antonio
»Ich weiß wirklich nicht, was in sie gefahren ist, Tia. Bitte, nimm ihr das nicht übel«, beteuerte ich zum zweiten Mal und kann zum wiederholten Mal meinen Blick nicht von Ophelia nehmen, die sich eine weitere Partie Tennis mit meinem Bruder erlaubte und mich mit dem weißen kurzen Rock verrückt machte. Ihr Haar wehte dem Wind entgegen, ihr Vanillegeruch erreichte mich wahrscheinlich selbst hier (oder aber ich halluzinierte) und ihr schlanker Körper bewegte sich so unfassbar athletisch, dass ich mich kaum noch auf das eigentliche Gespräch konzentrieren konnte.
Wieso auch musste dieses Mädchen so offen herumlaufen? Als hätte ich nicht bereits genug, was mir den Verstand raubte.
»Das ist doch wirklich kein Problem. Mach dir doch keine Gedanken darum.« Sie ergriff meine Hand und lächelte schmal, was ich kurz erwiderte. »Sollen wir weiter über das Geschäftliche sprechen?«
Ich nickte stumm und sah mir an, wie Ophelia gemeinsam mit meinem Bruder zu ihrem Tisch lief und einem Kellner dankte, der den beiden etwas zu essen hinstellte.
Ihr Blick fiel kurz auf mich, bevor sie sich eine Haarsträhne beiseite streichelte und die Hände ineinander verschränkte.
»Mein Vater sieht es immer noch nicht als ganz komfortabel an, euch die Stadt zu übergeben. Auch wenn die Summe unglaublich groß ist und die Zusammenarbeit garantiert wurde. Er vertraut deinem Vater nicht ganz.«
»Mein Vater ist bloß noch für etwa drei Monate an der Macht. Die Geschäfte gehen an mich über, das habe ich euch doch versichert.«
»Dein Vater hat nur leider bereits einmal sein Versprechen uns gegenüber gebrochen. Andernfalls wären wir beide ja jetzt auch verheiratet.«
»Celestia, ich bitte dich. Dieses Thema gehört schon lange der Vergangenheit an.« Die Frau vor mir mag zwar unglaublich schön sein, ein recht bekanntes Model in Sizilien und Umgebung, doch wenn man von dieser Sache absah, hatte sie wahrscheinlich den IQ einer Kuh und auch nicht solch einen großen Einfluss auf den Drogenhandel wie der Vater meiner Frau, der ganz New York und halb Kalifornien unter Kontrolle hatte.
Dementsprechend war es meinen Vater dann auch damals nicht sonderlich schwer mit einer Entscheidung gefallen, als er erfahren hat, dass Camilla mit einem Mädchen schwanger war und Edoardo, Ophelias Vater, nach einem Ausweg suchte um trotz dieses Kindes weitere Macht und einen Nachfolger für sein Kartell zu haben.
Und wer war da denn schon besser geeignet als der Sohn, der ohnehin das Kartell erben würde?
Aus den genannten Gründen war es also nicht sonderlich verwunderlich, dass Celestia keine Wahl für meinen Vater darstellte.
Selbst wenn wir einmal eine Beziehung geführt hatten, was nicht gerade lange her war, die allerdings nur dazu diente, dass ich meinen Spaß bekam.
So in etwa eine Entdeckungstour, um mich auf das Eheleben vorzubereiten.
Dabei lief es ja nicht ganz so, wie ich dachte.
»Macht sie dich überhaupt glücklich? Ich meine, du wolltest nie eine Frau, die widerspenstig ist oder sich dir gegenüber respektlos verhält. Und Ophelia ... nun ja, was soll ich sagen? Sie ist schon ein klein wenig eingenommen von sich selbst.«
»Ist Selbstliebe etwa etwas Schlechtes, Tia?« Sie schluckte. »Ophelia weiß sich in den passenden Momenten zu benehmen. Und die Reaktion eben war, denke ich, nur verschuldet, da du mich ohne jeglichen Grund berührt hast und sie das nicht möchte. Was ich vollkommen nachvollziehen kann.«
»Ich verstehe das ja auch. Aber wir sind gute Freunde und...«
»Romeo hat ihr wahrscheinlich erzählt, dass wir zusammen waren. Deshalb reagiert sie so.« Auch wenn ich keinen Grund sah. Wir empfanden nichts füreinander. Vielleicht Hass, aber mehr nicht. »Können wir uns jetzt bitte dem Geschäftlichen widmen? Ich habe noch andere Dinge heute zu tun.«
Es vergingen um die zwei Stunden, bis sich Celestia von mir verabschiedete und ich die Unterlagen an die beiden Männer hinter mir reichte.
Ophelia und mein Bruder schienen weiterhin hier zu sein, was mir einen Grund gab, um zu ihr zu gehen und nach ihrer Hand zu greifen.
»Sie fährt mit mir nach Hause«, informierte ich Romeo unbekümmert und ziehe sie zu mir hoch.
»Entschuldige?«
»Sperr diese Verträge bitte im Tresor ein, sobald du daheim bist. Ich habe jetzt etwas Wichtigeres zu erledigen.«
Ohne ein weiteres Wort verließ ich mit Ophelia den Tennisclub und setzte sie auf die Rückbank des Autos, in dem der Fahrer bereits auf uns wartete.
Ich stieg auf der anderen Seite ein, trennte mich von meinem Jackett und gab ein Zeichen, dass er losfahren konnte.
»Kannst du mir bitte erklären, was das soll?«
»Ich gehe mit meiner Frau essen, hast du was gegen?«
Ihre Augenbrauen ziehen sich verblüfft nach oben, ihre Augen formten sich zu Schlitze.
»Bilde dir bitte nichts darauf ein. Ich habe einfach keine Lust alleine zu essen und das Bild zu übertragen, dass meine Frau nur zu Hause bleiben darf und darauf warten soll, dass sie die Nachricht bekommt, dass sie schwanger ist.«
»Soll das hier so etwas wie ein Date sein?«
»In Anbetracht dessen, dass du verschwitzt und in Sportbekleidung neben mir sitzt, würde ich ganz klar nein sagen. Es ist lediglich ein Essen. Mehr nicht.«
»Lediglich ein Essen«, sprach sie mir nach und sah aus dem Fenster. »Wo warst du heute Nacht?«
»In unserem Geschäftshaus. Jemand brauchte meine Aufmerksamkeit.«
»Etwa eine von den Frauen, die ihr—«
»Ich habe einem Mann stundenlang das Gefühl gegeben, dass er jeden Moment ertrinkt und ihn dann doch noch gerettet. Ich habe seine Finger nach und nach abgenommen und sie vor seinen Augen von meinen Hunden zerfressen lassen, bevor ihm das Schicksal selbst lebendig erreichte.«
»Welchen Mann?« Ich lehnte mich entspannt zurück. »Welchen Mann, Antonio?«
»Ich hatte dir gestern gesagt, dass jeder Mann umgebracht wird, der dich berührt. Es ist also dein Verdienst, das...«
»Du hast nicht—« Sie hielt sich die Hand vor den Mund. »Ich will hier raus! Lass mich raus!«
»Wieso?«
»Ich möchte mit keinem Mörder in einem Auto sitzen!«
»Streng genommen habe ich ihn ja gar nicht umgebracht, da er noch lebte, als ich ihm den Hunden zum Fraß zugeworfen habe. Sie sind also theoretisch gesehen die Mörder von dem Idioten.« Sie verschränkte die Arme. »Schau nicht so, du weißt ganz genau, wie mein Beruf aussieht.«
»Und ich finde das bis heute nicht gut«, gab sie protzig von sich und wendete ihren Blick wieder aus dem Fenster.
Das würde wohl mit Abstand das härteste Mittagessen meines Lebens werden.
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𝐏𝐥𝐚𝐲𝐟𝐮𝐥 𝐂𝐨𝐧𝐭𝐫𝐚𝐜𝐭
Novela JuvenilWas für ein Leben führst du, wenn nichts, was du tust, in deinem eigenen Interesse liegt? Mein Schicksal stand bereits als Embryo im Leibe meiner Mutter fest. Ich würde ihn heiraten. Mein Leben wurde auf diesen Tag aufgebaut, meine Bildung wurde auf...