Ophelia
Ich schmiegte mich sanft in das weiche Kopfkissen unter mir und küsste auf die zärtlichste Weise überhaupt die kleinen Hände meiner Tochter, die ihre Augen auf mich richtete. Der blau-graue Ton ließ mein Herz schneller schlagen und mich für einen Moment lang zu meinem Mann sehen, der noch friedvoll schlief und wohl keine Ahnung hatte, wie froh er war, dass sein Schlaf so tief war. Die Krankenschwestern hatten mir zwar ausgeholfen und mir gezeigt, wie das alles funktionierte, nur hatte mir das kleine Monster bereits nun eine Nacht geklaut und hatte auch nicht vor zu schlafen.
Etwas seltsam.
Ich hob mich leicht an, beruhigte ihr Quengeln und schob mir das Shirt nach einer Weile hoch, um sie zu stillen.
Sie wendete den Blick kein einziges Mal von mir, verfiel nur langsam ihrem Schlaf und ließ es zum ersten Mal in dieser Nacht zu, dass ich sie in den Inkubator legte und mich ausruhte. Mir war nicht nach Schlafen zumute – ich brauchte bloß das Gefühl, dass ich es konnte, ohne die Angst zu besitzen, die Kleine im Stich zu lassen.
Langsam drehte ich mich auf meine Seite, griff mir mein Handy und beantwortete die Nachrichten meiner Mutter. Zarte Küsse wanderten ab diesem Moment über meinen Nacken und ließen mich seufzen.
»Morgen«, nuschelte ich und drückte meinen Mann einen Kuss auf die Wange. Er gesellte sich zu mir und streichelte mein Haar beiseite. »Wie fühlst du dich?«
»Die Kleine war die Nacht über ziemlich unruhig. Aber ich denke, dass das normal ist.« Er lächelte schwach. »Kommen deine Eltern her?«
»Sie bringen uns Frühstück mit«, nickte er und legte seine Hand an meiner Taille nieder. Ich lächelte schwach, lehnte meine Stirn an seine und bewegte mich näher zu ihm. »Du hast unglaublich hübsch geschlafen, weißt du?«
»Du hast mich beobachtet?«
»Die Kleine wollte nicht schlafen und ich wurde zwischenzeitlich auch noch genäht«, erklärte ich und sah vorsichtshalber zu ihr. »Meine Brüste tun weh.«
Er lächelte stark, bewegte seine Finger zart hinauf und sah vorsichtshalber nach hinten. »Ich glaube, das werden sie noch eine ganze Weile. Die Kleine trinkt ziemlich viel.« Er hatte das auch bemerkt. »Ich bin dir so unglaublich dankbar dafür. Du hast mir das größte Geschenk auf Erden gemacht.«
»Nicht nur dir.«
Ich richtete mich und streifte mir mein Haar beiseite. Antonio schmiegte seine Arme um mich und lachte. »Weißt du, dass es in dieser Familie seit einem Jahrhundert keine erstgeborenen Mädchen mehr gab?«
»Irgendwie konnte ich mir das schon denken.« Ich sah zu ihm. »Wahrscheinlich lag das daran, dass ihr nur in eurem Kreis geheiratet habt und du nun eine Außenstehende.«
»Das war die beste Entscheidung meines Lebens.« Er sah zu der Kleinen und richtete sich, als die Familie den Raum betrat und sich mein Schwiegervater zu mir begab. »Wie geht es dir, kleines?«
»Ich bin noch etwas erschöpft, aber auch so unglaublich glücklich.« Er küsste meine Stirn und gesellte sich zu seiner Frau, die auf die Kleine sah.
»Wie fühlt man sich so als Mutter?«, erkundigte sich Lorenzo und nahm neben mir Platz. Ich zuckte mit den Schultern und lehnte meinen Kopf an seine Stirn. »Bislang unverändert. Ich hoffe aber, dass dir dieses Baby Freude bringen wird.« Er wirkte verwirrt und ich deutete zu meinem Mann, welcher nickte und mit den anderen Familienmitgliedern in der Kantine verschwand. Lorenzo legte die Tüte beiseite, genauso wie den Becher, und folgte mir zu dem Inkubator. »Schau mal auf ihr Namensschild.«
»Ihr wolltet sie doch nach deiner Großmutter benennen?«, fragte er und verstummte, als er das pinke Schild ansah. Sein Körper spannte sich an und seine Brust hob sich, ehe er aufsah und mich unglaubwürdig musterte. »Alessia?«
»Antonio und ich waren der Ansicht, dass wir dir etwas zurückgeben sollten. Du unterstützt ihn besser als jeder andere aus der Familie und bist auch im Geheimen sein Lieblingsbruder.« Er sah zurück auf die Kleine. »Ich weiß, dass du keine Kinder möchtest, da deine große Liebe gestorben ist. Du wolltest nur mit ihr welche haben.« Er schluckte fest. »In gewisser Weise hast du damit jetzt deine Alessia zurück. Du wirst ihr Patenonkel, was dir in gewisser Weise auch mehr Zeit mit ihr vergönnt als mit den anderen.« Er lachte. »Freust du dich?«
»Du kannst nicht glauben, wie sehr.« Er zog mich in seine Arme und küsste mein Haar. »Danke. Das ist das beste Geschenk seit langem.«
»Ich weiß.« Ich nickte und setzte mich aufs Bett, während er die Kleine herausholte und ihr einen Kuss auf die Stirn drückte.
»In der Tüte ist ein Eiskaffee für dich«, zwinkerte er mich an. »Und so ein Croissant. Antonio meinte, dass du die liebst.«
»Danke«, entgegnete ich und nahm mir den Becher heraus – stach den Strohhalm hinein und nahm einen Schluck.
Gott, tat das gut.
»Wenn du magst, können wir nachher zusammen Sushi oder so bestellen. Du musstest in den letzten Monaten darauf ja verzichten.«
Er setzte sich zu mir und küsste die Hände der Kleinen. Sie erwachte langsam und musterte ihn. »Soll ich dir etwas verraten?«
»Hm?«
»Meine Alessia hatte genauso wie sie grau-blaue Augen.« Er lehnte sich leicht zurück. »Es ist, als hätte ich sie wirklich wieder.«
»Hast du je daran gedacht, eine neue Frau kennenzulernen?«
»Ich habe mich nie wirklich dazu bereit gefühlt. Aber hiernach ... es ist wie ein Abschluss, weißt du? Als könnte ich endlich damit zurechtkommen und die Vergangenheit ruhen lassen.«
»Diese Männer wirst du trotz dessen weiter jagen, oder?«
»Bis zu meinem letzten Atemzug.«
Ich nickte schwach und sah mir die Kleine an, die ihre Umgebung erfasste und danach zu quengeln begann. »Hat sie Hunger?«
Ich schüttelte den Kopf. »Babys drücken sich nur mit Geschrei aus, weil sie es anders nicht können. Sie hat vor etwa zehn Minuten Milch bekommen und braucht gerade wahrscheinlich nur Aufmerksamkeit.« Ich wiegte sie leicht. »Könntest du Antonio herholen? Sie braucht wahrscheinlich die Wärme von ihm und das wäre für euch auch deutlich angenehmer, als wenn ich hier ohne Shirt sitzen würde.« Er lachte und richtete sich. »Ich beeile mich.«
Nickend lehnte ich mich nach hinten und streichelte leicht über ihren Kopf. »Daddy ist gleich da«, murmelte ich und rieb mit meiner Nase über ihre. Sie verstummte und sah mich an – wirkte aber erst wieder ruhig, als mein Mann ins Zimmer kam, sich das Shirt auszog und sie an sich nahm.
Wusste ich es doch.
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𝐏𝐥𝐚𝐲𝐟𝐮𝐥 𝐂𝐨𝐧𝐭𝐫𝐚𝐜𝐭
Teen FictionWas für ein Leben führst du, wenn nichts, was du tust, in deinem eigenen Interesse liegt? Mein Schicksal stand bereits als Embryo im Leibe meiner Mutter fest. Ich würde ihn heiraten. Mein Leben wurde auf diesen Tag aufgebaut, meine Bildung wurde auf...