Kapitel 29
Ella
Nachdem wir uns auf den Weg gemacht hatten, erinnerte Brads Großvater uns mit einem schelmischen Augenzwinkern daran, dass wir ihn bald besuchen sollten – und fügte hinzu, dass wir Braden nicht vergessen dürften. Seine Stimme klang so fröhlich, als könnte er kaum erwarten, wieder mit Drake, zu plaudern. Drake kam in einem Sportwagen vorgefahren, der vor Eleganz nur so strotzte. In so einer Prachtmaschine hatte ich noch nie Platz genommen! Jeder Knopf, jede Naht, die satte grüne Farbe – ich saugte jedes Detail auf wie ein Schwamm. An diesem Tag aber war etwas anders; Drake war die ganze Fahrt über angespannt. Seine Stirn war eine einzige Sorgenfalte. Er verhielt sich, als wären seine Gedanken ständige Besucher bei einem jener nervenaufreibenden Familienessen. Wahrscheinlich war sein Vater der Grund. Ist alles gut?, fragte ich vorsichtig, während wir über den Asphalt fegten. Ich legte meine Hand auf sein Bein, und er ergriff sie – ein fester, fast tröstender Griff. Alles in Ordnung, behauptete er. Seine Stimme hätte Glas in Sand verwandeln können, so wenig Überzeugung trug sie. Ich sorge mich nur, wie du reagieren wirst, wenn du ihn siehst. Aber warum? Ist etwas nicht in Ordnung mit ihm? Meine Neugier war geweckt wie ein alter Kamin im Winter. Er druckste herum. Nö, alles gut. Klare Lüge. Er wollte offensichtlich nicht reden, also beschloss ich, in einen Wettbewerb des Schweigens einzutreten. Als ich meine Hand zurückziehen wollte, ließ er nicht los. So rauschten wir den Highway hinunter, in einer Mischung aus Geschwindigkeit und schweigender Anspannung. Drake drehte die Musik auf, als wollte er die Stille übertönen, die zwischen uns wie ein eigensinniges Haustier saß. Was meinte er bloß damit, wie ich reagieren würde? Vermutlich ging es darum, dass ich meinen Vater nach so langer Zeit wiederzusehen werde. Schließlich lenkte er den Wagen auf den Parkplatz einer Tankstelle. Willst du etwas trinken?, fragte er mich, als hätten wir nicht eben eine Psychodrama-Episode hinter uns gehabt. Ja, hol mir einfach das gleiche, was du nimmst. Mein Vertrauen in sein Urteilsvermögen schien ihn zu amüsieren. Während ich wartete, wurde ich Zeugin, wie eine Gruppe junger Männer ihre hormongesteuerte Energie in albernen Streichen verpuffen ließ. Als sich einige von ihnen zu unsrem Wagen umdrehten, begann mein Puls zu rasen. Hey, Kleine, komm raus, lass uns spielen, rief einer durch die Tür. Ich klemmte mir einen sarkastischen Kommentar über seine Vorstellung von 'Spielsachen' gerade noch rechtzeitig hinter die Ohren. Mach, dass du wegkommst, wies ich ihn ab. Mein Begleiter ist gleich zurück, und er wird nicht gerade das Sonnenschein-Emoji sein, wenn er euch hier sieht. Sie sahen betrunken aus, unausstehlich kichernd und torkelnd wie Neugeborene Rehe auf Eis. Plötzlich war Drake da, und wie ein Retter verwandelte, er die Situation. Hände weg von meinem Auto und von meiner Freundin! Er klang wie ein Superheld aus einem Comic, seine Stimme schmetternd und so ernst, dass sogar die Straßenlaterne zu salutieren schien. Ein Schlag, ein paar herausfordernde Worte und die Jungs streuten davon – Drake Kniet vor mir, seine besorgte Stimme, die fragte, ob alles in Ordnung sei. Ich konnte mir ein Lachen kaum verkneifen. Hier, ich weiß nicht, ob dir das gefällt, was ich mir genommen habe. Er hielt zwei Getränke in der Hand, wie der Priester der Hydration. Oh, du bist süß. Ein Zwinkern entwich meinen Augen. Nenn mich nicht süß, ich bin kein kleiner Junge, alles klar?, erwiderte er, die Augen zu schmalen Schlitzen verengend. Ein großer süßer Mann dann, kicherte ich, während er versuchte, ernst zu bleiben. Ella!, rief er ausWie lange dauert diese ewige Fahrt noch? fragte ich, als wäre mein Hintern längst mit dem Sitz verwachsen. Ein schelmisches Grinsen umspielte seine Lippen, als er kurz zu mir herüberschaute: Keine Sorge, wir sind fast angekommen. Die Musik im Auto schuf eine Atmosphäre, die man sonst nur in Musikvideos findet. Er tanzte am Steuer, zur Ablenkung von dem endlosen Asphaltband, das uns verschlang. Ich konnte nicht anders, als in Gelächter auszubrechen und im gleichen Takt mitzuwinken, als wäre das Armaturenbrett unsere Bühne. Endlich kam der Wagen vor einem Haus zum Stehen, das so aussah, als hätte es seit den 70ern keine Renovierung mehr gesehen. Wir sind da, sagte er und ich verspürte ein Kribbeln der Vorfreude – oder war es die Angst vor dem, was kommen könnte? Ich zupfte an meiner Kleidung und warf einen nervösen Blick auf das Haus. Kommst du mit mir rein?, bat ich mit einem Hauch von Unsicherheit in meiner Stimme. Seine Antwort war geprägt von einem leichten Schulterzucken: Klar, wenn du das möchtest. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Ja, bitte, ich will unbedingt, dass du mitkommst. Mit wackeligen Beinen stiegen wir aus und gingen zur Eingangstür. Drake, klopfte energisch an die Tür, die aussah, als könnte sie von leichten Windstößen eingedrückt werden. Es dauerte einen Herzschlag zu lange, bis diese sich öffnete. Da war er, mein Vater, im Rollstuhl. Der Anblick traf mich wie ein elektrischer Schlag – mein Lächeln gefror zu einem kläglichen Zucken meiner Mundwinkel. Meine Augen wurden von Tränenfluten übermannt. Ich fiel auf die Knie und umarmte meinen Vater, als könnte ich die Fragmente der Situation so zusammenhalten. Was ist geschehen? Meine Stimme zitterte wie ein schlecht gestimmtes Klavier. Ich erinnere mich, sie haben geschossen, aber warum – ein Rollstuhl? Er lächelte müde und sagte: Vergangenheit ist Vergangenheit, wichtig ist, dass wir am Leben sind. Doch seine Worte wurden überschattet von Sorgenfalten und Narben, die von vergangenen Schmerzen erzählten. Ihr müsst hier weg, die Schürgen kontrollieren ständig, ob du hier aufgetaucht bist. Ich folgte den Spuren vergangener Gewalt über sein Gesicht. Haben sie dir das angetan? Kümmere dich nicht um mich, wehrte er ab. Doch ich war fest entschlossen, niemand würde ungestraft davonkommen. Ich schwöre, sie werden bezahlen – besonders sie... unsere so genannte 'Mutter'." Er schüttelte den Kopf, sein Blick durchdringend. Ella, tu das nicht. Du könntest dich verletzen. Aber ich ließ mich nicht beirren, sicher in dem Wissen, dass Drake an meiner Seite war. Ihr müsst jetzt gehen, bevor sie wiederkommen. Passt auf euch auf, sagte er und schloss mich in eine letzte, feste Umarmung, während ich schwor zurückzukehren. Mein Vater beobachtete uns mit einem Blick, der sowohl Stolz als auch Sorge verriet, als wir uns mutig dem Unbekannten stellten – bereit, jede Gefahr, die uns entgegentrat, anzustarren, in der Hoffnung, dass uns dabei nicht metaphorisch die Füße weggezogen werden. Mit schwerem Herzen schlich ich neben Drake zum Auto. Wir fahren zu mir hin, erklärte er mit einer Stimme. Ich habe Angst, Drake. Das weiß ich. Aber mach dir keine Sorgen, passieren wird dir nichts. Solange du nicht wieder ausbüxt. Wirst du mir jetzt von Braden erzählen? Nein. Die Verwirrung brodelte in mir wie ein Topf Nudelwasser. Warum schwieg er so beharrlich? Was verbarg sich hinter Bradens mysteriösem Fehlen? Die Fahrt fühlte sich an wie eine Ewigkeit, und doch war es nur der Beginn unserer Odyssee. "Wirst du mich irgendwann einweihen, oder muss ich erst einen Detektiv mieten?", versuchte ich es nochmal, während ich aus dem Fenster in den tiefen, geheimnisvollen Abendhimmel starrte. Vielleicht, sagte er mit einem schelmischen Lächeln, das verriet, dass auch er es einfach nicht ernst nehmen konnte. Ich wusste, in diesem Auto, auf dieser Fahrt, hatte ich vielleicht nicht alle Antworten, aber ich hatte definitiv die beste Begleitung. Wir erreichten sein Haus, das aussah. Schau nicht so traurig., sagte Drake, als er mein skeptischer Blick auffing. Ja, entgegnete ich, aber mein Lachen verriet meine aufkommende Heiterkeit. Das Geheimnis um Braden und die Zukunft mochten noch unscharfe Schatten in der Dämmerung sein.
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The Truth
RomanceEs ist eine DARK Romance Geschichte Ich würde mich über ein Kommentar freuen wie ihr die Geschichte fandet.