Kapitel 34

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Kapitel 34

Ella

Meine Glieder sind taub, die Seile schneiden tief in mein Fleisch, und die Narben der Prügel brannten noch immer wie offene Wunden. Ein dringendes Bedürfnis treibt mich an, und doch, niemand ist hier, um mich aus diesem elenden Zustand zu befreien. Mit all der Kraft, die mir geblieben ist, rufe ich um Hilfe, meine Stimme hallt verzweifelt durch die Stille: Ich brauche Hilfe! Kann mir denn niemand beistehen? Alexo? Meine Rufe gipfeln im Aufschwingen der schweren Kellertür. Alexos Gesicht, hart und ungerührt, erscheint in dem schmalen Lichtstrahl, der sich in den Raum stiehlt. Was soll das Geschrei? Seine Stimme ist kalt, der Blick funkelnd vor Verachtung. Ich möchte ihn nicht erzürnen, allerdings kann und will ich mich auch nicht seinem Willen beugen. Er ist kein Mann von Ehre. Mit so viel Anstand, wie ich in diesem Moment aufbringen kann, appelliere ich an sein Gewissen. Bitte, ich muss auf die Toilette. Löse diese Fesseln. Meine Stimme ist schwach, aber höflich, ein Widerschein meiner Würde, die ich nicht aufgeben will. Ach wirklich? Ein höhnisches Lachen entfährt ihm, während er sich köstlich über meine Bitte amüsiert. Entfessle mich, daran ist nichts komisch. Mach schon! Verzweiflung schwingt in meinem Ton mit, eine dringende Bitte, in der jede Silbe schmerzt. Mit solchen Worten wirst du bei mir nichts erreichen. Seine Reaktion ist kalt, fast gleichgültig. Ich sammle die letzten Reste meiner Kraft, Bitte, ich muss wirklich dringend... Ach, so höflich jetzt. Er tritt auf mich zu, seine Gestalt wirft einen langen Schatten, der sich über mir erhebt. Widerstrebend löst er die Fesseln. Endlich kann ich gehen - zumindest bis zur Toilette. Geduldig warte ich darauf, dass er den Raum verlässt, doch er rührt sich nicht. Würdest du bitte hinausgehen? frage ich so beherrscht, wie es mir möglich ist. Er schüttelt den Kopf, ein diabolisches Grinsen umspielt seine Lippen. Nein, ich werde nicht gehen. Ich werde dich sowieso bald nackt sehen, also kannst du ebenso gut hier vor mir deine Notdurft verrichten. Ein tiefes Seufzen entweicht meiner Brust, mein Verlangen nach Würde im Angesicht der Notwendigkeit schwach werdend. So, vor ihm stehend, muss ich mich fügen - entblößt und unter Beobachtung in meinem verletzlichsten Moment. Rasch erledige ich, was sein muss, während seine Augen nicht von mir weichen. Jedes Lächeln, jeder Hohn in Alexos Gesicht erscheint mir wie eine Verletzung - ein Schlag gegen das, was einmal unberührbar schien: die Integrität meines Selbst. In diesem schäbigen Keller sind nicht nur meine Fesseln geöffnet worden, sondern auch die fest verschlossene Tür zu meinen Ängsten und meiner Hilflosigkeit. Nachdem die Notdurft verrichtet ist, ziehe ich schweigend die Kleidung an meinen zitternden Körper - ein Akt der Demütigung unter den wachsamen und rücksichtslosen Augen meines Peinigers. Doch in diesem Moment der Schwäche entflammt ein neuer Funke in mir, die stumme Zusage an mich selbst, dass ich aus diesen Fesseln einen Ausweg finden werde - gleichgültig, wie lang der Kampf, wie dunkel der Keller, oder wie grausam die Wächter sein mögen. Ich muss dich hierlassen, nur für einige Tage, denn du bist noch nicht bereit. Du wirst gebrochen werden müssen. Seine Worte waren kalt, Worte, die er sprach, als wäre ich nichts weiter als ein unbeugsamer Baum, der gebrochen werden sollte. Träume weiter, entgegnete ich mit einer Entschlossenheit, die meine inneren Zweifel verbarg. Ich werde niemals tun, was du verlangst. In seinen Augen sah ich einen Schatten aufziehen, ein bedrohliches Gewitter, das sich in der Stille zusammenbraute. Er verstand nicht; ich konnte nicht. Jeden Befehl, jede Forderung, sie prallten an meiner Standhaftigkeit ab. Was auch immer sein Plan sein mochte, ich würde mich ihm nicht beugen. Er näherte sich mir schnell, seine Schritte dröhnend wie Donner. In einem Moment der Verwirrung, stand er vor mir, seine Hand um meinen Hals, ein eiserner Griff, der die Welt langsam verstummen ließ. Schmerz flammte überall auf, mein Rücken, der bereits von den Wunden gezeichnet war, wurde gegen die wandgepresst. Mit verzweifelter Anstrengung rang ich nach Luft, die nicht kommen wollte, während er meinen Lebensfaden mit seinen Händen zu zerschneiden drohte. Widerstand regte sich in mir, Fäuste, die gegen die Dunkelheit schlugen, die mich zu verschlingen drohte. Sein Griff lockerte ein wenig, doch nicht genug; meine Lunge schrie nach Sauerstoff. Plötzlich, als hätte er genug gespielt, ließ er los. Reiz mich nicht, warnte er durch seine Zähne. Du wirst es machen. Jenny hat es schließlich auch geschafft. Jenny? Ein Sog der Angst zog bei ihrem Namen durch mich. Wo war sie? Bei ihm? Das konnte nicht sein. Wenn du brav bist, lasse ich dich sie sehen. Was hast du ihr angetan? Zeig mir, wo sie ist! Meine Worte explodierten, ich traf ihn - sein Gesicht. Ein Schlag, wie ein Blitz, der den Himmel durchzuckt. Daraufhin traf seine Reaktion mich wie ein Peitschenschlag. Ich erstarrte, mein Herz friert ein, als ob ich wüsste, was noch kommen könnte, wenn ich weiterhin die Grenzen seiner Grausamkeit auslotete. Nicht noch einmal. Wage es nicht, dich mir zu widersetzen oder deine Hände zu erheben. Seine Drohung hing in der Luft, schwer wie Blei. Trotz der Angst, die mit tausend Nadelstichen in meine Brust stach, sehnte ich mich danach, ihn für alles, was er getan hatte, was er mir antat, zur Rechenschaft zu ziehen. du wirst dich mir unterwerfen, erklärte er auf eine grotesk fröhliche Weise. Es wird länger dauern als gedacht. hörst du, nie werde ich freiwillig irgendetwas tun, was du willst, spuckte ich die Worte wie Gift aus. Er verstummte nicht, seine Brutalität nahm zu, eine entmenschlichte Kraft, die mich gegen die Wand presste, unfähig, mich zu wehren. Ich war gefangen in seiner Dunkelheit, in der Angst, die flehend in mir aufstieg. Bitte, hör auf, flüsterte meine Seele so leise, dass selbst die Worte Angst hatten, gehört zu werden. Aber sein Sturm tobte weiter, ohne Rücksicht auf mich. Schmerz, rein und unbarmherzig, war alles, was blieb, während ich mich verlor in der Trostlosigkeit meiner Tränen, der Stille meiner aufgestauten Schreie. In dieser endlosen Zeit, in der Zeit ihren Sinn verlor, betete ich nur, dass es bald vorüber sein würde. Mit einer unnachgiebigen Hand riss er meine Hose und Unterwäsche herunter, während er gleichzeitig seine eigenen hinunterzog. Mit einem brutalen Stoß drang er in mich ein. Ein stechender Schmerz durchzuckte meinen Körper - Flüche und Obszönitäten wollten sich Bahn brechen, doch ich zitterte nur, stumm vor Entsetzen und Schmerz. Mein Innerstes schrie auf gegen die unerträgliche Verletzung. Dieser Mensch, ein Mann ohne Anstand oder Respekt, hatte mich vergewaltigt. Als Alexo seinen Höhepunkt erreichte, versteifte sein Körper, und ein einziger Gedanke blitzte in mir auf: Endlich ist es vorbei. Mit hastigen Bewegungen kleidete er sich wieder an und warf mir Worte zu, so kalt und scharf wie eine Klinge, "Das ist deine Schuld, Schlampe. Du hättest mich nicht provozieren dürfen." Diese ungerechte Beschuldigung hallte hohl in meinen Ohren; mein Geist war unfähig, auf diese Verdrehung der Wahrheit zu reagieren. Ich hatte ihn nicht provoziert. Doch da stand ich noch immer, an die Wand gepresst wie ein Schattengewächs, die Angst lähmte jede Bewegung, drosselte die Stimme in meinem Hals. Er sollte gehen, mich in einem Meer des Schmerzes und der Verwirrung allein lassen. Jeder Teil meines Seins schmerzte, von einer schändlichen Tat entweiht. Nachdem Alexo verschwunden war, brach die letzte Festigkeit meiner Haltung, und ich sank zu Boden. Ich rollte mich zusammen, eng und klein, ein Schutzmechanismus, so nutzlos gegen das, was bereits geschehen war. Die Kälte des Bodens durchdrang mich, doch sie war nichts verglichen mit der Kälte in meinem Innern. Da lag ich nun, zusammengerollt zu einer Kugel, die Welt reduziert auf das Echo meiner eigenen Atemzüge. Tränen bahnten sich ihren Weg über meine Wangen, heiß und unaufhaltsam, während mein Körper in Wellen zitterte - ein Erdbeben der Seele, das sich seinen Weg an die Oberfläche kämpfte. In meinem Kopf drehten sich die Gedanken im Kreis, stolperten über Fragen der Schuld, der Scham und des "Was wäre, wenn?". Doch ließen sich die Antworten nicht fassen; sie zerfielen zu Staub bei jeder Berührung. Stunden könnten vergangen sein oder Sekunden; Zeit hatte ihre Bedeutung verloren, als ich dort in der Dunkelheit hockte. Mit jeder Träne, die ich vergoss, wurde mein Herz ein Stück schwerer, mein Geist ein wenig dunkler, mein Glauben an das Gute im Menschen ein wenig mehr erschüttert. Gezeichnet von einem Mann, der Gewalt mit Macht verwechselte, der Dominanz mit Zustimmung gleichsetzte, war ich nun verloren in einem Labyrinth des Schmerzes. Wie ich da lag, begann ich den langen und steinigen Weg zurück ins Leben zu begreifen. Er würde mit einem ersten Atemzug beginnen, gefolgt von einem ersten Schritt - einem Schritt weg von diesem kalten Boden, weg von der Dunkelheit. Doch bevor ich mich aufraffen konnte, um diesen neuen Pfad zu beschreiten, musste ich hier ausharren - ausharren und mich der Trauer und dem Schmerz stellen. Also weinte ich, bis die Tränen weniger wurden, bis der Schüttelfrost nachließ. Bis ich bereit war, aufzustehen und wieder zu lernen, was es bedeutete, mich sicher und wohl in meiner eigenen Haut zu fühlen. Bis ich bereit war, zu heilen.

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