Kapitel 40
Ella
Schlaflosigkeit plagt mich, denn Braden schleicht durch meine Gedanken. Konnte ich doch nur ergründen, weshalb er mich ignoriert. Im Auto schien es noch anders, seine Hand in meiner verweilt. Doch nun quälen mich seine stummen Botschaften. Es kreisen Vermutungen und Fragen in meinem Kopf: Warum nur dieses eisige Schweigen? Mit fester Absicht, Klarheit zu gewinnen, trete ich vor seine Tür und das vertraute Unbehagen breitet sich aus. Erinnere mich lebhaft an die Zurückweisung, wie damals, als Sophie da war. Zaudernd stehe ich da, ringe mit dem Gedanken zu klopfen oder einfach einzutreten. Wie soll ich das Gespräch eröffnen? Was soll ich sagen? Mein Wunsch ist schlicht – ich möchte die Ursache seiner Kälte verstehen, mit ihm darüber sprechen. Unruhe nimmt mich gefangen. Ich hole tief Luft und finde einen klaren Gedanken. Meine Hand formt sich zur Faust und klopft an die Holztür, aber Stille bleibt die Antwort. Ein zweites Klopfen, vergeblich. Mutig, doch voller Unsicherheit, öffne ich die Tür und blicke in das leere Zimmer. Die Nachttischlampe wirft ihr schwaches Licht, doch von Braden keine Spur. Wo könnte er sein? Vielleicht im Erdgeschoss?
Plötzlich seine Stimme hinter mir: Was machst du hier mitten in der Nacht? Erschrocken wende ich mich um, erkenne gerade so seine Gestalt im Dämmerschein, in einem Sessel. Du hast mich erschreckt, sagte ich mit klopfendem Herzen. Braden erhebt sich, betätigt den Lichtschalter und lichtet das Dunkel. Ich wollte nach dir sehen, gestehe ich leise. Jetzt hast du mich gesehen. Geh wieder schlafen", begegnet er mir emotionslos. Mein Herz klopft, Enttäuschung mischt sich unter meine fassungslose Wut. Warum bist du so zu mir? Was gewinnst du dabei, wenn ich anfange, dich zu hassen?, konfrontiere ich ihn mit bebender Stimme. Es hat seinen Sinn, verstehst du das nicht?, entgegnet er rätselhaft. Ich blicke in seine Augen, suche nach einer Regung, nach einem Zeichen von Empathie. Nichts. Emotionslosigkeit zeichnet sein Antlitz. Ich kämpfe mit meinen Gefühlen, während ich ihm Schritt für Schritt näherkomme. Ich will dich nicht hassen, presse ich hervor. Die Sehnsucht nach Verständnis und Nähe schwelt in meiner Brust. Sein Blick bleibt eisig und unergründlich. Braden, bitte, sprich mit mir. Ich kann diese Gleichgültigkeit nicht ertragen. Es zerreißt mir das Herz, flehe ich. Ich weiß um deine Ängste, denn sie sind auch meine. Doch trotze ich ihnen, stelle mich meinen Gefühlen, obwohl das Vertrauen mir schwerfällt. Ein Schrei erdrückt in meiner Kehle, während ich bekenne, was in meiner Seele brennt, und doch – er steht reglos da wie eine Statue, als hätte ich ihn nicht erreicht. Mein Herz schlägt Schmerz in Wellen, während ich dastehe, gefangen in der Stille zwischen uns. Was bleibt, ist die Hoffnung auf Erwiderung, eine Brücke zwischen den Welten, die uns trennen und doch auf so tragische Weise verbinden. Ich machte wieder einen Versuch und streckte meine Hand aus, um die seine zu ergreifen, doch er entzog sie mir mit einer schnellen Bewegung. Tränen stiegen mir in die Augen und brannten auf meiner Haut. Mit schwerem Herzen wandte ich mich ab, um mein Gesicht zu verbergen. Die Salztropfen sollten sein Antlitz nicht treffen. "Du solltest schlafen", sagte ich mit brüchiger Stimme, "Ruhe ist das, was du jetzt brauchst, nach allem, was geschehen ist." Dann verließ ich das Zimmer und zog die Tür leise hinter mir zu. Allein lag ich im Dunkeln, rollte mich hin und her, vergeblich suchte ich den Schlaf. Drake befand sich bei seinem Vater; sie hatten noch Dinge zu klären, hatte er mir erklärt. Meine Lieblingsmusik, einst Quelle des Trostes, sollte mir nun die erhoffte Beruhigung bringen. Doch während ich die Melodien durch die Kopfhörer aufnahm, verschlossen vor der Welt, wusste ich weder Zeit noch Dauer meiner einsamen Kontemplation. Drake kehrte zurück, ich spürte, wie sich das Bett neigte, wie er sich zu mir legte und mich von hinten umarmte. Ich blieb reglos, die Augen fest verschlossen, denn ich wollte seinen Duft einatmen, mich an seiner Gegenwart laben. Aber bald wurde mir klar, dass es nicht Drake war, der da neben mir lag. Schnell hob ich den Kopf, ein Blick über die Schulter sollte meine Vermutung bestätigen – und ja, es war Braden. Ich verzog mein Gesicht zu einem Lächeln und drehte mich langsam zu ihm, achtete darauf, seine Wunden nicht zu berühren. Sanft strich ich über sein Haar und flüsterte: "Willst du reden?" Seine Miene verfinsterte. "Ich werde mich nicht entschuldigen. Das liegt nicht in meiner Natur. Aber dich so zu sehen... das wollte ich nicht. Wenn du in meiner Nähe bist, fühle ich etwas, das war noch nie so bei einer Frau. Es ist neu, beunruhigend. Alles Neue, alle Gefühle stoße ich normalerweise zurück... so wie ich dich zurückgestoßen habe." Seine Augen waren dunkel, erfüllt von einer gewissen Verwirrung. "Und wenn du dich jetzt darauf einlässt? Lass uns sehen, was passiert. Ob das, was du fühlst, richtig ist. Aber stoß mich bitte nicht weg." Sein Lächeln kehrte zurück. "Einverstanden." Es kam mir vor, als segelte ich durch neblige Gewässer, meine Stimme zitterte, als ich hervorbrachte: "Es ist neu... Alles. Ich fühle so auch aber für zwei Männer... und zudem seid ihr Brüder." "Das ist kein Problem", antwortete er schnell, "für mich und auch nicht für Drake. Wir haben in der Vergangenheit schon... geteilt." Sofort durchzog mich ein Stich der Traurigkeit, als ich an Sophie dachte, die sie geteilt hatten. "Sophie", hauchte ich. "Ja, aber das ist Vergangenheit. In jener Nacht hatte ich nichts mit ihr. Ich wollte dir wehtun." Ich war einerseits erleichtert, doch die Intention hinter seinen Handlungen, dass er mich dazu bringen wollte, ihn zu verachten, schmerzte mich zutiefst. "Scheint, als wäre es dir nicht ganz gelungen. Ich hasse dich nicht", entgegnete ich mit einem Hauch von Verspieltheit. Da trafen sich unsere Lippen, anfangs gierig, doch bald wandelte sich der Kuss zu einer sanften, emotionalen Begegnung. Ihn schien das nicht abzuschrecken; vielmehr hielt er mich fester, trotz des Zuckens des Schmerzes, der von seiner Verletzung ausging. Aber ich zog mich zurück. "Wir sollten aufhören. Du hast Schmerzen." "Das ist mir egal", sagte er mit einem schelmischen Funkeln, "solange ich deine Lippen küssen kann." In diesen Augenblicken, in denen die Schmerzgrenzen verschwammen, die Lippen aber vereint blieben, lag eine Tiefe, die sich mit Worten kaum ausdrücken ließ. Es war ein stilles Einverständnis zwischen zwei zerrütteten Seelen, eine Flucht und zugleich ein Entkommen in den schwerelosen Raum zwischen Verlangen und Verletzlichkeit. Drake offenbarte mir jedes Detail dessen, was sich im Keller ereignet hatte, was er dir angetan hatte. Mit gesenktem Blick versuchte ich, die Erinnerungen zu verdrängen. Es war ein kostbarer Augenblick gewesen und nun wurde er durch diese Worte getrübt. Gemeinsam werden wir Rache an Alexo üben. Es wird uns ein Vergnügen sein, das versichere ich dir. Seine Worte ließen mich irritiert zurück. Was möchte er mit Vergnügen meinen? "Was genau hat er dir angetan?", fragte ich vorsichtig. Genug, genug, um dafür zu büßen, dass er es gewagt hat, mich zu berühren, geschweige denn dich, entgegnete er mit einer dunklen Entschlossenheit. Eine Furcht begann sich in mir auszubreiten, angesichts seiner offenkundigen Besessenheit von der Idee, Rache zu üben. Gewiss, Alexo hatte Strafe verdient, aber Bradens Pläne schienen weitaus finsterer zu sein. Du musst Ruhe finden, nach allem, was passiert ist. Du bist verletzt und ich mache mir große Sorgen um dich. Die Schmerzmittel wirken jetzt noch, aber später wird der Schmerz zurückkehren. Meine Fürsorge war offensichtlich und doch spürte ich ein Zögern: Ich habe keine Schmerzmittel genommen. Aber die Antibiotika hast du eingenommen, nicht wahr? Um eine Entzündung zu vermeiden?, hakte ich nach. Meiner Stimme war die Sorge anzumerken. Mit einem Seufzer erwiderte er: Du solltest dich nicht so sorgen. Wenn du wüsstest, wie sehr ich um dich gebangt habe, als du noch in seinen Fängen warst. Die Stille, die darauffolgte, war schwer mit ungesagten Gedanken und Gefühlen beladen. Wir waren beide verloren in einem Ozean der Ereignisse, die uns unweigerlich verändert hatten. Ich konnte die Kälte in seinem Blick nicht ignorieren, die mir jedes Mal ins Bewusstsein rückte, dass wir uns nun auf einem gefährlichen Pfad befanden; einem Pfad, der von Schmerz und Rache gepflastert war. Ich wusste, ich könnte nicht ewig in der Dunkelheit des Kellers gefangen bleiben, umgeben von den Geistern meiner Peiniger. ich musste einen Weg finden, mit meinen Wunden zu leben, mit den inneren und äußeren Narben, die mich nun markierten. ich war am Leben, ja, aber zu welchem Preis? Die Schatten der Vergangenheit lagen nun wie ein Schleier über meiner Zukunft. Würde ich je wieder das Licht finden oder war ich dazu verdammt, in der Endlosschleife meiner Rache gefangen zu bleiben? Bradens Worte vom Vergnügen der Rache hallten in meinem Kopf wider und verursachten eine Gänsehaut. Rache konnte süß schmecken, aber meistens hinterließ sie nur eine bittere Leere. Ich schluckte meine Bedenken hinunter, als ich Braden ansah. Er war entschlossen, und ich? Ich war zerrissen zwischen der Sorge um ihn und der Furcht vor dem, was unsere gemeinsame Zukunft möglicherweise bereithielt. Es war eine Gratwanderung zwischen dem Bedürfnis nach Gerechtigkeit und dem Verlangen, zu vergessen. Vielleicht würden die Schatten uns lehren, im Zwielicht zu leben – zwischen dem, was einst war, und dem, was sein könnte. Im Moment jedoch waren der Schmerz und die Angst meine ständigen Begleiter auf diesem steinigen Weg, den wir zu gehen hatten.
DU LIEST GERADE
The Truth
RomanceEs ist eine DARK Romance Geschichte Ich würde mich über ein Kommentar freuen wie ihr die Geschichte fandet.