Kapitel 12

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Caelans Pov

Die Abenddämmerung leuchtet am Himmel, während wir unser Lager aufschlagen. Der Wald ist hier zwar etwas lichter, trotzdem ist es noch ein gut verborgener Schlafplatz.

Ich drücke die dünnen eisernen Stäbe in den trockenen Boden. Mit den langsam abnehmenden Bäumen ist er das erste Anzeichen, dass wir den Dschungel verlassen haben und auf dem richtigen Weg sind. Vor zwei Tagen sind wir Richtung Nordwesten aufgebrochen und wir werden noch einige Tage unterwegs sein, bis wir den Mittelpunkt der Insel erreichen. Dort befindet sich der Tempel und nach dem Blutritual endet diese Aufnahmeprüfung endlich. Auch wenn wir es viel einfacher haben als alle anderen Anwärter – denn wir machen schließlich Jagd auf sie und nicht sie auf uns – bin ich trotzdem froh, dass es endlich vorbei ist. Wären wir nicht auf Lilian gestoßen, dann könnte ich wahrscheinlich noch mehrere Monde auf Baleros verbringen. Ich finde die Landschaft hier schön und fühle mich den Göttern näher als je zuvor. Aber wegen dieses Mädchens – und wegen dem, was ich bin – kann ich mich nie lange von unserem Lager und ihr entfernen.

Ich spanne den robusten Stoff über das eiserne Gerüst und sehe dabei zu, wie sich die Farbe langsam verändert. Würde ich nicht wissen, dass dieser Stoff von den Ternox stammt, würde es mir vielleicht nicht einmal auffallen. Die Clanmitglieder des Ternox Clans haben eine Gabe von Lucean, dem Gott des Lichts, erhalten. Wenn ein Lichtbrecher – sie können, das Licht so manipulieren, dass sie oder andere unsichtbar werden – sein Blut in einen Stoff webt, nimmt dieser etwas von seiner Kraft auf. Unsere Zelte werden dadurch zwar nicht ganz unsichtbar, allerdings passen sie sich an ihre Umgebung an – was unheimlich praktisch ist.

Im Gegensatz dazu kann mein Blut nur eines: Gaben nehmen. Das war schon immer mein ganz persönlicher Fluch. Schwarzblüter sind fast ausgestorben; selbst vor der Vereinigung der Clans wurden sie gejagt und König Mevan der Eroberer hat es weitergeführt. Irgendwie kann ich es auch verstehen, denn mein Blut ist ihre größte Schwäche, aber ich hasse, dass es so ist und ich nichts daran ändern kann. Nur wegen König Zaref bin ich heute noch am Leben. Er hat mein Leben verschont und mich gleichzeitig zu einem Vertrauten des Kronprinzen gemacht. Warum er es getan hat, weiß ich bis heute noch nicht – doch auf eine seltsame Weise kommt ihm das jetzt zugute. Ohne mich könnten die anderen Lilian niemals in Schach halten. Hier im Wald, wo ihre Kräfte am stärksten sind, könnten wir sie nicht gefangenhalten – ohne mein Blut hätten wir sie töten müssen. Ob mich das nun freut oder nicht, bin ich mir selbst noch nicht sicher. Bisher hat mein Blut mir immer nur Ablehnung und Hass verschafft und wegen meiner Gabe wurde es mir ständig vor Augen geführt; der dunkelrote, ablehnende Gefühlsnebel verfolgt mich, seitdem bekannt wurde, dass ich ein Schwarzblut bin. Und selbst Lilian, die mich kaum kennt, fühlt neben ihrer Verzweiflung und Angst auch Abscheu, wenn sie mein Blut sieht.

Sobald mein Zelt stabil steht, schaue ich auf und sehe, dass die anderen noch dabei sind, ihre aufzustellen. „Soll ich inzwischen den Weg für morgen ausspähen oder jagen gehen? Drüben beim Fluss hab' ich ein paar Fische gesehen", sage ich und bereue meine unbedachten Worte sofort. Zeran hält in seiner Bewegung inne und sein Blick schnellt nach oben. Eisblauen Augen fixieren mich. Durch seinen neutralen Gefühlsnebel zuckt ein scharfes, wütendes Rot. Innerlich habe ich gehofft, dass niemand etwas sagen würde und ich einfach gehen könnte, aber das war zu naiv von mir. „Ich habe dir einen Befehl gegeben." Sein Ton ist bedrohlich. Zeran liebt es Befehle zu geben und hasst es wiederrum, wenn man seine Autorität infrage stellt. „Hast du ihn etwa schon vergessen?", fügt er provokant hinzu. Seine Augen haben sich zu Schlitzen verengt, während er mich abschätzig mustert. „Nein", presse ich hervor, obwohl ich eigentlich lieber etwas anderes sagen würde. „Also?", stichelt er weiter. Ich bin froh, dass die anderen meinen Gefühlsnebel ebenso wenig sehen können, wie ich, denn ich bin mir sicher, darin zerbersten gerade wütende, hellrote Blitze. Zeran hat mich noch nie gemocht und daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht. Aber er respektiert mich auf seine persönliche Art und Weise, weil ich ihm im Kampf immer überlegen war – neben meinem Blut, ist dies aber auch ein weiterer Grund, warum er mich hasst. Er ist es gewohnt, der Mächtigste und der Stärkste zu sein und dass ich ihm im Kampf schlage, passt ihm deshalb natürlich gar nicht.

Das letzte Juwel - die Chroniken von KryniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt