Caelans Pov
Auf dem Weg in den Ratssaal begegnen mir kaum Menschen. Die meisten Clanmitglieder sind bereits auf dem Fest der Initianten und nur die, die Wachdienst haben, befinden sich noch im Inneren des Schlosses.
Lilian habe ich in ihren Gemächern zurückgelassen, die so hoch oben gelegen sind, dass sie unmöglich fliehen könnte. Was macht sie wohl gerade? Vielleicht bestaunt sie wieder jedes noch so kleine Detail, so wäre es das Schönste, das sie je in ihrem Leben gesehen hat. Oder sie ist wieder einmal in Gedanken versunken und von kummergrauen Nebel umgeben.
Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, worum es im Gespräch zwischen dem König und Lilian ging. Aber wenn ich es richtig verstanden habe, wird Lilian freiwillig helfen, das Juwel zu finden und danach will König Zaref sie gehen lassen. Warum, verstehe ich jedoch nicht. Sie besitzt eine lang verschollene Gabe – unerforscht und voll von neuen Möglichkeiten und er will sie einfach gehen lassen. Ich schüttle meinen Kopf, in der Hoffnung, auch den Gedanken loszuwerden. Der König weiß am besten, was richtig ist und ihn zu hinterfragen steht mir nicht zu.
‚Lass sie zu keiner Zeit allein und verteidige sie mit deinem Leben', hat er in meinen Gedanken zu mir gesagt und wie immer werde ich seinem Befehl bedingungslos folgen. Ich habe ihm mein Leben zu verdanken und deshalb ist das das Mindeste, was ich tun kann, um meine Schuld zu begleichen. Außerdem ist dies eine so wichtige Aufgabe, dass ich mich geehrt fühlen kann, vom König auserwählt worden zu sein – egal ob meines Blutes wegen oder nicht.
Ich klopfe an die unscheinbare Tür des Ratssaals. ‚Komm herein', hallt die Stimme des Königs einen Moment später in meinem Kopf wider. Jedes Mal, wenn er seine Gabe bei mir anwendet, bin ich beeindruckt von der Macht, die von ihm ausgeht. Beängstigend finde ich nur die Tatsache, dass Zeran irgendwann zu denselben Dingen fähig sein wird, wie sein Vater.
König Zaref sitzt am Kopf eines langen Tisches, auf jeder Seite vier Stühle mit violetten Polsterungen. Im Gegensatz zu Lilians Gefühlsnebel kann man rein gar nichts aus seinem lesen. Er kontrolliert seine Emotionen so gut, dass sein Gefühlsnebel ein neutrales weiß besitzt und nur schwer sichtbar, ganz eng um seinen Körper anliegt. Wie ein hauchdünner, durchsichtiger Stoff, der ihn völlig einhüllt.
Ich setze zu einer tiefen Verbeugung an. „Komm, mein Junge, lass uns die Zeit nicht mit Höflichkeiten verschwenden." Er winkt mich zu sich und zeigt auf den Platz neben sich. Stumm folge ich seinen Anweisungen.
Jedes Mal, wenn er mich Junge nennt, regt sich in meiner Brust ein seltsames Gefühl. Etwas, das ich in meinem Leben nicht kannte, bevor ich an den Hof gekommen bin. Der König ist wie ein Vater für mich – vielleicht sogar mehr, denn er hat mich vor dem Tod bewahrt und deshalb schulde ich ihm auch mein Leben.
„Du hast auf Baleros gute Arbeit geleistet", lobt er mich mit einem Lächeln auf den Lippen. „Danke, Eure Worte ehren mich, mein König", sage ich, obwohl ich genau weiß, dass er es ohnehin aus meinen Gedanken herauslesen könnte. „Was sagst du zu ihr?", will er von mir wissen. Sicher hat Zeran ihm schon die wichtigsten Informationen und seine Einschätzung gegeben, trotzdem fragt König Zaref jetzt mich danach. Unweigerlich steigt in mir ein Gefühl von Wertschätzung hoch und ich beginne damit ihm alles zu erzählen; wie wir im Wald unterwegs waren und plötzlich dieses Mädchen gesehen haben, dass Zeran mit ihr gespielt hat und als wir sie verfolgt haben, hat sie plötzlich Äste auf uns gejagt und wie sie die ganze Zeit über geleugnet hat, dass sie eine Gabe besitzt. Der König hört mir die ganze Zeit aufmerksam zu. Er hat seinen Kopf schief gelegt und ich weiß, dass er, während ich spreche, auch noch meine Gedanken wahrnimmt. „Sie kontrolliert ihre Emotionen nicht. Noch nie habe ich so einen intensiven Gefühlsnebel bei jemandem gesehen", sage ich zum Schluss und beende meinen langen Monolog. Für einen Moment bleibt der König stumm, er scheint über meine Worte nachzudenken, dann nickt er.
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Das letzte Juwel - die Chroniken von Krynia
Fantasy„Ich werde der erste König, der ganz Krynia vereint", erklärt er mit vor Stolz angeschwollener Brust. Dann senkt er seinen Blick und sieht mich direkt an, so als wäre ich ein Schatz, den er keinesfalls verlieren will. ‚Wir werden noch eine Menge Spa...