Caelans POV
Lilian, deren zitternder Gefühlsnebel ohnehin schon von panischen gelben Sprenkeln durchzogen ist, leuchtet unter dem neugierigen Blick des Generals doppelt so intensiv.
„Aber General, sie ist eine Frau", erwidert Sophos Alvon so entsetzt, als hätte der General gerade infrage gestellt, ob es die Götter wirklich gibt. „Noch nie-... Seit die Götter unsere Welt erschaffen haben und uns Menschen mit Gaben gesegnet haben-...", stammelt der Sophos, „nie hat eine Frau es gewagt, am Blutritual auf Baleros teilzunehmen. Die Clanjuwelen des Königs können-..."
„Schweig!", unterbricht ihn der General so wirsch, dass Sophos Alvon erschrocken zurückzuckt. „Wir werden es jetzt herausfinden. Wir nehmen sie nur mit, wenn wir uns sicher sind. Oder möchtet Ihr Euch vor dem König blamieren, Sophos?" Sophos Alvon schüttelt panisch seinen Kopf. „Außerdem ist sie gerade mal ein Mädchen und mit Sicherheit keine Frau", ergänzt der General mit einem Seitenblick zu Lilian, welche starr auf den Boden blickt und sich kein Stückchen rührt.
„Bring sie ins Auge der Götter", befiehlt plötzlich Zeran und ich bemerke erst, dass er mit mir spricht, als ich seinen stechenden Blick auf mir spüre. Ich schlucke meinen Widerwillen hinunter und stelle mich vor Lilian, die immer noch unverändert auf der Steintreppe sitzt. „Steh auf", herrsche ich sie an und sofort bereue ich meinen wütenden Ton. Meine Aggressivität wird sie sicher nicht beruhigen.
Als ich sehe, dass sie sich trotz meines Befehls nicht bewegt, keimt aber tatsächlich Zorn in mir auf. Wie kann sie es wagen, vor dem General und allen anderen meine Autorität zu untergraben? Ja, ich war immer nachsichtig mit ihr, aber nur weil wir da allein waren. Doch in einem Moment wie diesem muss sie meinem Befehl einfach Folge leisten.
Ohne zu zögern, packe ich sie an ihren Armen. Trotz meiner aufkeimenden Wut, fasse ich sie nicht grob an – nein, tatsächlich versuche ich sogar immer noch nett zu ihr zu sein. Widerstandslos lässt sie sich von mir hochziehen.
Lilian sieht nur für den Bruchteil eines Augenblicks auf, doch in dem Moment, als sich unsere Blicke verhaken, wird mein Herz schwach. Tränen glänzen in ihren nebelgrauen Augen. Angst verzerrt ihre sonst so sanften Gesichtszüge und auf ihren Lippen liegt ein stummes Wimmern.
Bei allen Göttern. Wie kann ein Mensch nur so verletzlich aussehen= Nicht einmal ein wild piepsender Vogel, der aus dem Nest seiner Mutter gefallen ist, sieht so gebrechlich aus, wie Lilian in diesem Moment. Und warum verdammt will ich sie jetzt in den Arm nehmen und ihr die Tränen aus den Augen wischen?
Ohne meine eigenen lächerlichen Gefühle zu beachten, schiebe ich sie in Richtung des Auges der Götter. Lilian wirkt dabei so apathisch, dass ich nicht weiß, ob sie überhaupt noch versteht, was hier geschieht.
‚Ich werde morgen sterben', hallen ihre Worte von gestern Nacht in meinem Kopf wieder. Ich habe geglaubt, sie wäre einfach eine gute Schauspielerin und würde mich mit ihren Tränen manipulieren, damit ich sie gehen lasse. Aber jetzt erkenne ich, dass all ihre Gefühle aufrichtig sind und waren. Diese Angst kann man nicht vortäuschen, besonders nicht jemand wie sie, die noch nie mit einem Mynua zu tun hatte.
„Es wird alles gut", die geflüsterten Worte rutschen mir heraus, bevor ich noch einmal darüber nachdenken konnte. Verdammt. Ich hoffe, niemand hat mich gehört.
Warum löst dieses Mädchen auch das Gefühl in mir aus, ihr helfen zu wollen? Warum kann sie mir nicht, wie jeder andere egal sein? Bisher hat das immer bestens funktioniert.
Als wir zwischen die Säulen treten, werden ihre schlurfenden Schritte so zittrig, dass ich sie nur noch durch meinen festen Griff auf den Beinen halte. Ich muss sie fest an mich pressen, damit wir nicht beide von ihrem Taumeln umfallen. Dabei spüre ich ihr Herz so deutlich schlagen, als wäre es mein eigenes.
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Das letzte Juwel - die Chroniken von Krynia
Fantasy„Ich werde der erste König, der ganz Krynia vereint", erklärt er mit vor Stolz angeschwollener Brust. Dann senkt er seinen Blick und sieht mich direkt an, so als wäre ich ein Schatz, den er keinesfalls verlieren will. ‚Wir werden noch eine Menge Spa...