Kapitel 19 - Teil 2

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„Ja, ich soll Euch helfen, das Juwel des Eteren Clans zu finden, Euer Gnaden", sage ich etwas völlig anderes als geplant. Schlagartig verschwindet der unsichtbare Druck auf meinen Hals. Röchelnd ziehe ich die Luft in meine Lungen, während ich mich panisch umblicke. Was passiert hier?

„Oh entschuldige, ich habe wegen der Aufregung ganz vergessen, meine treuen Gefolgsleute hier vorzustellen", er zeigt auf die drei anderen Mynua, welche uns stumm zusehen, „meinen Sohn Zeran hast du ja bereits kennengelernt. General Revinger dürfte dir ebenfalls geläufig sein. Aber General Lafar kennst du mit Sicherheit noch nicht. Er ist der mächtigste Wahrheitsseher in Krynia und ist hier, um sicherzustellen, dass du deinen König nicht belügst. Aber das hattest du ohnehin nicht vor." Nun liegt ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen des Königs und er zwinkert mir neckisch zu, so als hätte er gerade einen Scherz gemacht, den nur wir beide verstehen.

„Aber zurück zum eigentlichen Thema. Du liegst vollkommen richtig, ich brauche dich, um das Juwel des Eteren Clans zu finden. Sicherlich fragst du dich, warum ich das nicht selbst machen kann, wenn ich doch der mächtigste Mann in diesem Königreich bin. Naja, die Etere haben sich selbst ausgelöscht und ihre Gaben, die sie von Silva erhalten haben, in die Natur ihres Reichs fließen lassen. Mit dem einzigen Befehl, jeden zu vernichten, der nicht in der Gunst des Eteren Clans steht und das Reich betritt", erklärt er und Bitterkeit wegen jahrzehntelanger Misserfolge schwingt in seiner Stimme mit.

Die Legende über die Etere ist mir bekannt; mein Großvater hat sie mir erzählt, wenn er auch nicht so ins Detail gegangen ist. Es waren jedoch immer nur Geschichten aus vergangenen Zeiten, die nichts mit mir zu tun hatten. Wie es dann sein kann, dass ich eine von ihnen bin, verstehe ich immer noch nicht.

Das verstehe ich auch nicht', hallt die Stimme des Königs durch meinen Kopf. Unwillkürlich zucke ich zurück. Das hat bisher Zeran nur einmal bei mir gemacht, doch damals hat er nicht auf meine Gedanken reagiert, sondern über sie mit mir kommuniziert. Aber der König hört die ganze Zeit über meinen Gedanken zu. ‚Natürlich tue ich das', erwidert er und das schmale Lächeln auf seinen Lippen kann ich deutlich in seiner Stimme hören, ‚aber mach dir darüber keine Sorgen, ich mag das, was ich höre.'

Bevor ich seine Worte hinterfragen kann, spricht er schon weiter, diesmal aber, dass es alle hören können. „Mein Sohn hat mir erzählt, du kommst aus Grakok, ist das wahr?", fragt er mich und diesmal antworte ich wahrheitsgemäß, noch bevor sich der unsichtbare Griff von General Lafars Gabe um meinen Hals schließen kann. „Ja, Euer Gnaden." Der König scheint meine Angst zu begreifen und nickt zufrieden, als er weiterspricht. „Von wo genau?", will er wissen und seine kalten blauen Augen funkeln neugierig auf. Allein beim Gedanken daran, Lügen zu wollen, spüre ich, wie sich leichter Druck gegen meinen Hals ausübt und je länger ich mit meiner Antwort warte, desto stärker wird er. „Ich lebe mit meiner Familie auf einem Hof, er liegt nördlich von Meranthis. Das Dorf Gavra liegt östlich von uns, durch ein schmales Tal kann man die Gebirgskette dazwischen schnell überwinden", höre ich mich erklären und würde mir am liebsten im selben Moment noch die Zunge dafür abbeißen. Wenn sie meiner Familie etwas antun, dann – „Deiner Familie wird nichts geschehen", antwortet der König auf meine Gedanken, „ich brauche nur dich. Wenn du mir das letzte Juwel bringst, dann dürfen sie in Frieden weiterleben und ich werde dich mit Reichtum belohnen. Falls dir das jedoch nicht gelingt, muss ich mir jemand anderen mit einer Gabe von Silva suchen und jetzt weiß ich auch, wo ich damit beginnen werde." Er straft mich mit einem bedeutungsschwangeren Blick und mir ist klar, dass er jedes seiner Worte ernst meint.

Ich beiße meine Zähne zusammen und versuche gleichzeitig alle meine Gedanken fortzuwischen. Was mir natürlich nicht gelingt – wie soll man denn auch an nichts denken, das ist doch unmöglich.

Das letzte Juwel - die Chroniken von KryniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt