Meine Füße trommeln auf dem harten Boden, und das Labyrinth verschlingt mich mit jedem Schritt etwas mehr. Die Hecken um mich herum wachsen hoch und dicht, ihre Blätter formen einen grünen Tunnel, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. Mein Atem geht stoßweise, und mein Herz hämmert in meiner Brust. Der Zorn treibt mich weiter, aber die Verzweiflung nagt an mir. Ich habe keine Ahnung, wo ich hinlaufe; ich weiß nur, dass ich Ridge entkommen muss. Immer tiefer dringe ich in das Labyrinth ein, und mit jedem Schritt verliere ich mehr die Orientierung.
Schließlich, als meine Lungen brennen und meine Beine nachgeben wollen, bleibe ich stehen. Die Stille um mich ist drückend, kein Laut außer meinem rasenden Atem. Ich höre keine Schritte, kein höhnisches Lachen, nur das leise Rascheln der Blätter im Wind. Für einen Moment scheint es, als wäre ich allein, als hätte ich Ridge wirklich abgeschüttelt. Aber ich weiß, dass er irgendwo hier ist, und ich halte die Luft an, lausche.
Meine Hände zittern, als ich langsam weitergehe, mich duckend und um jede Ecke spähend. Ich versuche, einen klaren Gedanken zu fassen, aber in meinem Kopf ist nur ein wildes Durcheinander aus Angst und Wut. Wie soll ich diesen Kampf nur gewinnen? Ridge ist schneller und stärker als ich, und ich habe keine Gabe, die mir helfen könnte. Silva hat mir diese Gabe angeblich geschenkt, aber sie bleibt stumm, unberührt von meinem Flehen. Wozu hat er mir diese Bürde auferlegt, wenn sie mir nichts nützt?
Ich blicke auf die Hecken, streiche mit den Fingern über die Blätter, versuche etwas zu spüren, ein Zittern, ein Leben – irgendetwas, das mir ein Zeichen gibt. Doch da ist nichts. Es fühlt sich an wie immer: leblos und kalt. Auch als ich meine Hand über das Gras gleiten lasse, bleibt alles unverändert und ich zwinge mich dazu, dieses Gefühl des Versagens beiseite zu schieben.
Meine Finger umklammern schließlich einen langen, abgebrochenen Ast, den ich auf dem Boden finde. Ich hebe ihn auf, halte ihn fest. Wenn meine Gabe mich im Stich lässt, muss ich eben so kämpfen.
Als ich weiter durch die verworrenen Pfade des Labyrinths schleiche, höre ich plötzlich Ridges Stimme, laut und höhnisch. „Ash meinte, du bist schrecklich im Verstecken!" Seine Worte hallen durch die Hecken, und ich kann den Spott in seiner Stimme hören. Dann höre ich, wie er lacht, ein tiefes, abfälliges Lachen, das mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Doch ich kann nicht ausmachen, woher seine Stimme kommt. Es ist, als wäre sie überall um mich herum. „Eigentlich sollte es mir egal sein, ob deine Gabe sich zeigt oder nicht." Wie sehr ich seine Stimme hasse. Wie sehr ich ihn hasse. „Dann holt der König deine Geschwister an den Hof und du weißt ja, wie gern ich Gaya kennenlernen würde."
Bei seinen Worten verkrampft sich mein Magen und Übelkeit steigt mir die Kehle hoch. Für einen Moment hatte ich vergessen, was er alles über mich weiß. Er war in meinen Träumen, hat all meine Ängste und Unsicherheiten gesehen. Wenn der König nach meiner Familie sucht, dann kann er jeden von ihnen identifizieren. Mein Herzschlag überschlägt sich, als mir die Bedeutung dieses Gedankens bewusst wird. Wut und Panik rasen gleichermaßen durch meine Adern.
Meine Hände zittern, und ich presse die Lippen zusammen, damit ich nicht schreie. „Vielleicht hat der König ja schon nach deiner Familie schicken lassen, weil er weiß, dass du ein hoffnungsloser Fall bist!" Ridge ruft immer weiter, jede seiner Bemerkungen schneidet tiefer.
Ich spüre, wie mein ganzer Körper vor Wut bebt. Warum tut er das? Warum kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Meine Finger umklammern den Ast so fest, dass meine Knöchel weiß werden. Die Hitze steigt in mir auf, brennt in meinem Bauch. Ich presse die Zähne zusammen und versuche dadurch, die Tränen des Zorns, die hinter meinen Augen brennen, zurückzuhalten. Ich lasse mich nicht von ihm brechen. Ridge wird nicht gewinnen. Meine Wut ist das Einzige, das mir bleibt, und ich halte daran fest, klammere mich daran, als wäre es meine Rettung. Während ich weiter durch die Pfade des Labyrinths schleiche, wird seine Stimme immer lauter. Ich folge ihr, meine Schritte sind leise, mein Herz hämmert so schnell wie noch nie zuvor.
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Das letzte Juwel - die Chroniken von Krynia
Fantasy„Ich werde der erste König, der ganz Krynia vereint", erklärt er mit vor Stolz angeschwollener Brust. Dann senkt er seinen Blick und sieht mich direkt an, so als wäre ich ein Schatz, den er keinesfalls verlieren will. ‚Wir werden noch eine Menge Spa...