Als sich der feste Griff des Schlafs langsam lockert, bin ich für einen Moment völlig orientierungslos. Entweder ich bin tot oder ich habe mich auf einer Wolke schlafen gelegt; anders kann ich mir den weichen Untergrund nicht erklären. Einen Herzschlag lang verweile ich in meiner Position, bis ich unweigerlich meine Augen aufschlagen muss. Sofort durchflutet eine Welle aus Erinnerungen meine Gedanken und ich realisiere, dass ich nicht tot bin, es mir aber vielleicht wünschen sollte.
Über meinem Kopf laufen durchsichtige, violette Vorhänge zusammen, die das Bett wie ein seidener, violettfarbener Fluss aus Stoff umgeben. Ich befinde mich in einem dichten Gewirr aus warmen, weichen Laken, die sich sanft an meine Haut schmiegen, wie eine zutrauliche Katze. Mein Kopf ist in einem Kissen versunken, das weicher ist als alles, was ich jemals berührt habe.
Während ich mich langsam zwischen den Decken hervor kämpfe, höre ich ein leises Klopfen an der Tür und wenig später schwingt sie knarrend auf. „Wenn man schon anklopft, dann wartet man normalerweise darauf, bis man hereingebeten wird", zische ich in der Erwartung, dass Caelan sich zu meinen Gemächern Zutritt verschafft hat. Durch den Stoff erkenne ich allerdings eine zierliche Silhouette, die hastig hereintritt. Ich höre, wie etwas abgestellt wird und dann schnelle Schritte, die auf mich zukommen.
„Entschuldigt", ertönt eine piepsige Stimme und erst jetzt erinnere ich mich wieder an Rea, das junge Dienstmädchen, welches mich gestern Abend hier empfangen hat. Ich ziehe einen der Vorhänge beiseite. „Ich bitte um Entschuldigung, ich wollte Euch nicht wecken oder verärgern", erklärte sie mit etwas Angst in der Stimme. „Schon gut, du hast mich nicht geweckt. Ich dachte, du wärst jemand anderes", versuche ich sie zu beruhigen. „Und nenn mich Lilian, ich bin deine Höflichkeiten nicht wert", füge ich schnell hinzu, weil mir diese seltsame Anrede langsam zu viel wird. Ihre dunklen, rehartigen Augen weiten sich für einen Moment, bevor sie erschrocken, aber bestimmt ihren Kopf schüttelt. „Das geht nicht, diesen Wunsch kann ich Euch nicht erfüllen", sagt sie nur, ohne sich weiter erklären zu wollen. So als wäre dies eine unbestreitbare Regel, genauso unumgänglich wie man Luft zum Atmen braucht. Um Rea nicht weiter zu verängstigen, nicke ich und widersetze ich mir ihrer unterwürfigen Art nicht mehr. Sie wurde wahrscheinlich dazu erzogen, so zu sein; unsichtbar, ergeben und gehorsam und ich werde das nicht ändern können.
„Habt ihr Hu-", mein lauter Magen unterbricht sie, „Hunger?" Sie beendet ihren Satz und gibt respekthalber vor, das laute Grummeln meines Magens nicht mitbekommen zu haben. „Ich habe Euch Frühstück gebracht. Falls dies nicht Euren Wünschen entspricht, kann ich Euch auch etwas anderes bringen", sagt sie energisch und zeigt auf ein vollbeladenes Tablett, das auf einem verschnörkelten Tisch platziert wurde. Sofort zieht sich mein Magen mehr zusammen. Etwas hastiger befreie ich mich nun von den Laken und stehe auf.
Während ich nur mit großen Augen auf das Tablett starren kann, beginnt Rea damit, das Bett zu machen, welches ich vollkommen durcheinander zurückgelassen habe. Am liebsten würde ich ihr sagen, dass ich das später selbst machen kann, doch ich bezweifle, dass sie auf meinen Widerspruch eingehen würde.
Ich bin ganz erstarrt von dem Überfluss, der mir angeboten wird. Brötchen, von denen noch Dampf aufsteigt, weil sie gerade erst aus dem Ofen kommen, Marmeladen aus allen möglichen Früchten, Käse, Wurst und frisches Obst – alles, was ich mir vorstellen kann, befindet sich auf dem Tablett vor mir. Davon würde meine ganze Familie satt werden.
Ich weiß nicht, wie lange ich das ganze Essen einfach nur anstarre, bis ich mich auf den Stuhl setze. Sofort taucht Rea neben mir auf, so als hätte sie nur auf diesen Moment gewartet, und greift nach zwei Kannen, aus denen Dampf aufsteigt. „Hättet Ihr lieber Tee oder Kaffee?" Ihr fragender Blick trifft meinen. „Kaffee?", wiederhole ich staunend, was sie als Grund dafür nimmt, eine der Kannen wegzustellen und aus der anderen eine dunkelbraune, intensiv riechende Flüssigkeit in die verzierte Porzellantasse vor mir zu schenken. „Möchtet Ihr etwas Sahne oder warme Milch dazu?", will sie wissen und hat bereits zwei andere, kleinere Kannen in ihrer Hand. „Warme Milch?" Ich kann nichts tun, als einfach irgendetwas zu sagen.
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Das letzte Juwel - die Chroniken von Krynia
Fantasi„Ich werde der erste König, der ganz Krynia vereint", erklärt er mit vor Stolz angeschwollener Brust. Dann senkt er seinen Blick und sieht mich direkt an, so als wäre ich ein Schatz, den er keinesfalls verlieren will. ‚Wir werden noch eine Menge Spa...