Kapitel 21 - Teil 3

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Noch nie in meinem Leben habe ich so sehr geschwitzt und noch nie wurde ich von jemandem so fertig gemacht, wie von General Revinger. Hätte man jeden Tropfen meines Schweißes aufgefangen, hätte ich locker eine ganze Wanne damit gefüllt. Meine Muskeln brennen so abscheulich, dass ich nur hinter Caelan her stolpern kann, während er ganz leichtfüßig geht, als hätten wir gerade einen kurzen Spaziergang gemacht.

„Warum muss ich eigentlich dieses unbequeme Korsett tragen? Darunter ist es so heiß und ich kann kaum atmen", beschwere ich mich, während ich daran herum friemele. Caelans Gesicht ist leicht gerötet – mit Sicherheit kein Vergleich mit meinem – und Schweiß glänzt auf seiner Stirn. „Darin befindet sich eine dünne Schicht aus fast unzerstörbarem Metall. Dieses unbequeme Korsett könnte dir im Notfall dein Leben retten", erwidert er nur und wirft einen Blick zurück. Er sieht seltsam entspannt aus, so als hätte ihn dieses Training mehr Energie gegeben als genommen. Von mir kann ich das nicht sagen.

„Darf ich dich etwas fragen?", sage ich zögerlich. „Natürlich, ich kann dir nur nicht versprechen, dass ich darauf antworten werde", erwidert Caelan, immer noch lächelnd, aber nun etwas gezwungen. „General Revinger", beginne ich verhalten, „was ist seine Gabe?" Das ehrliche Interesse in meiner Stimme ist genauso deutlich zu hören wie die Angst. „Er ist ein Lenker", erklärt Caelan, seine Stimme vor Ehrfurcht dunkel, „er kann den Körper eines Menschen steuern, einfach nur, indem er dir deinen Willen aufzwingt." Ich erschaudere bei dem Gedanken, wie ich einfach so aufgestanden bin, obwohl ich es nicht gewollt habe. „Aber ist doch Ridges Vater, müsste er nicht auch die Traumwandler Gabe besitzen?", frage ich ehrlich verwirrt und irgendwie hoffnungsvoll, so als würde Caelan den Fehler jetzt erkennen und seine Lüge eingestehen. Aber das tut er nicht. „Ridge hat seine Gabe über seine Mutter erhalten. General Revinger hat nie akzeptiert, dass sein Sohn nicht über dieselben seltenen Fähigkeiten verfügt." Die letzten Worte scheinen ihm aus Versehen herausgerutscht zu sein, denn er klappt schnell seinen Mund zu und wendet sich wieder um.

Während ich Caelan mit letzter Kraft folge, kann ich nur an das weiche Bett denken, das in meinen Gemächern auf mich wartet und wohin wir hoffentlich gerade auf dem Weg sind. Meine Gemächer. Das klingt seltsam, doch in diesem Moment bin ich viel zu erschöpft, als dass ich darüber nachdenken könnte.

Meine Hoffnung, dass wir in mein Zimmer gehen, erfüllt sich zwar, doch meine Freude darüber hält sich in Grenzen, als ich die vielen Stufen vor mir sehe und ich mich wieder daran erinnere, dass sich meine Gemächer im letzten Stockwerk befinden. Mein genervtes Aufstöhnen kommentiert Caelan mit einem ehrlichen Lachen. „Die schönste Aussicht hat ihren Preis", sagt er grinsend und wir steigen langsam die runde Treppe immer weiter nach oben.

„Was machen wir jetzt?", frage ich Caelan als ich mich samt meiner durchnässten Kleidung auf mein Bett fallen lasse. Meine Großmutter hätte mich dafür wahrscheinlich lebendig gehäutet, doch hier hält mich niemand davon ab. „Wir?" Ein belustigter Ton liegt in seiner Stimme und erst jetzt denke ich über meine unverblümten Worte nach. Ich klinge als wären wir so etwas wie Freunde. Zwar habe ich genau das spielen wollen, doch ich habe nicht gewollt, dass ich es ehrlich meine. Hitze steigt mir in meine Wangen, doch wegen meines ohnehin schon glühenden Gesichtes dürfte das nicht weiter auffallen.

„Du kannst ein Bad nehmen, danach wird dir das Mittagessen gebracht und später komme ich dich für das Training deiner Gabe abholen", erklärt er, wobei ich nicht überhöre, dass er das ‚Du' etwas mehr betont als sonst.

Auch wenn es mir falsch vorkommt, halte ich mein Schauspiel – wenn ich es so nennen kann – aufrecht. „Und was machst du in der Zwischenzeit?", frage ich ihn, ohne meine Neugier zu zügeln. Ein schmales Lächeln, das er offensichtlich nicht beabsichtigt hat, schleicht sich auf Caelans Lippen. „Ich", übertrieben betont er das Wort, „muss selbst noch zum Training. Vielleicht hast du es schon vergessen, aber ich bin ein Initiant und muss meine eigene Gabe ebenfalls noch meistern." Ich spiele ein Grinsen, bei dem ich hoffe, dass es so arrogant aussieht wie das von Ridge immer. „Dann kann ich dich noch mit Leichtigkeit überholen", necke ich ihn und dem Funkeln seiner waldgrünen Augen nach, habe ich alles richtig gemacht. „Das will ich sehen", erwidert er locker, „wenn es so läuft wie beim Ausdauertraining, dann kann ich mich beruhigt zurücklehnen." Er grinst hochmütig – wobei ich zugeben muss, dass ihm dies um einiges besser gelingt als mir – und hebt seine Hand zu einem Gruß, bevor er aus dem Zimmer tritt und Rea wenig später in die Gemächer kommt.

Das letzte Juwel - die Chroniken von KryniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt