Kapitel 17 - Teil 2

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Es ist ein ruhiger Abend. Das Meer ist flach und bis auf die Bewegung, unseres Schiffes, steht es vollkommen still. Der Anblick des tiefblauen Ozeans erinnert mich an meinen eigenen Fall in das dunkle, kalte Wasser und an den Kampf, der darauf folgte, welchen ich nur um ein Haar überlebt habe. Doch heute zeigt das Meer ein anderes Gesicht von sich. Es ist nicht dieses furchteinflößende, übermächtige Ungetüm, sondern atemberaubend und gleichzeitig tief beruhigend. Im Westen nähert sich die Sonne immer weiter dem Ozean. Ihr kräftiges, orangefarbenes Licht glitzert auf dem endlosen Wasser.

Ich kann mich von diesem Anblick nicht fortreißen. Zu sehr zieht er mich in seinen Bann. Ich will sehen, wie die strahlende Kugel endlich das glitzernde Wasser küsst. Und Caelan lässt mir die Zeit. Er steht hinter mir, sodass ich fast vergesse, dass er hier ist.

Ich sehe reglos dabei zu, wie die Sonne langsam im Meer versinkt. Zuerst wird das orangerote Licht immer intensiver, dann verliert es an Kraft. Der endlose Ozean verschluckt immer mehr von dem strahlenden Licht, bis es endgültig verschwunden ist.

„Wir müssen jetzt reingehen", reißt mich Caelan aus meinen Gedanken. Er deutet mit dem Kopf zu einer Tür. Sie steht weit offen und befindet sich zwischen den beiden Treppen, die zum Aufgang zum vorderen Teil des Schiffes führen.

Das Schiff sieht genauso aus, wie das der Obritari, nur imposanter. Das Holz ist glänzend poliert und knarzt auch nicht so sehr. Die riesigen Segel erstrahlen in einem dunklen Violettton und sehen so aus, als hätte man sie erst gestern angebracht. Sonst ist das Schiff genauso aufgebaut wie das der Obritari. Das Vorder- und Hinterdeck ist erhöht. Zwei Treppen führen links und rechts auf jeder Seite nach oben. Zwischen ihnen befindet sich jeweils eine Tür. Und im mittleren Teil des Schiffes, der etwas tiefer gelegen ist, befindet sich eine große Luke, die in das Innere führt.

Während wir durch den langen Speisesaal laufen, werfen mir die anderen Initianten zwar verstohlene Blicke zu, wagen es jedoch nicht, uns anzusprechen. Da der Abend bereits spät ist, sind die meisten Tische leer und nur an wenigen sitzen noch kleine Gruppen, die sich lautstark unterhalten.

„Caelan!", ruft jemand und Caelan wendet seinen Kopf in die Richtung der Gruppe. Ash sitzt mit zwei anderen Initianten zusammen. Einer von ihnen, mit dunkelblonden, kurzen Haaren, will uns zu sich winken. „Ich komme gleich, wir gehen uns noch etwas zu essen holen", antwortet Caelan ohne wirklich einen Blick zur Gruppe zu werfen.

Die Küche ist ein kleiner, enger Raum, der vor Hitze nur so wabert. Die eisernen Töpfe klirren bei jeder noch so kleinen Bewegung des Schiffes. „Sind noch zwei Portionen übrig?", ruft Caelan hinein. Niemand antwortet, doch an den geschäftigen Geräuschen, erkenne ich, dass ihn jemand gehört haben muss.

Ein Mann, tiefe Falten zieren sein Gesicht und ein grauer Bart, länger als von manch anderem das Haar, wippt, während er auf uns zukommt. In seiner Hand zwei prall gefüllte Schalen mit einem leicht grünlichen Brei darin. Der Blick des Kochs ist ausdruckslos, als er Caelan die Schalen in die Hand drückt, doch sobald sein Blick an ihm vorbei zu mir gleitet, breitet sich ein Lächeln auf seinen schmalen Lippen aus. „Na, wen haben wir denn da?", fragt er, seine kleinen dunklen Augen auf mich gerichtet. „Haben wir auf der Insel gefunden. Der König muss darüber entscheiden, was mit ihr passiert", erklärt Caelan knapp; sein Ton ist dabei so belanglos, als wäre es das Normalste der Welt.

Die buschigen, von grauen Strähnen durchzogenen Augenbrauen des Kochs schießen in die Höhe. Kurz mustert er mich, sein Blick gleitet über meine wilden Locken und verharren schließlich an meinem verdreckten Kleid.

„Find' ich gut", grummelt er, „hier braucht es mehr Frauen. Die Männer sind nicht so schön anzusehen." Seine Antwort ist so unerwartet, dass ich ihn für einen Moment nur entgeistert anstarren kann. Schnell wende ich meinen Kopf ab, als mir auch noch Hitze in die Wangen steigt. Der Koch stößt ein brummendes Lachen aus. „Und schüchtern auch noch, gefällt mir." Ich wage es nicht mehr aufzusehen und starre peinlich berührt auf meine Stiefel. „Na gut, lasst es euch schmecken", verabschiedet er sich, „und bring sie öfters mit, die sind um einiges einfacher durchzufüttern als diese übermütigen Jungs."

Das letzte Juwel - die Chroniken von KryniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt