Kapitel 22 - Teil 1

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Pov Caelan

Gong. Gong. Gong. Das Geräusch von Hauptmann Morris, wie er den Stoff überzogenen Schläger gegen die Bronzeplatte schlägt, die vor den Schlafquartieren steht, ist mir mittlerweile genauso bekannt wie das meines Herzschlages. Jeden Morgen reißt es mich und alle anderen Initianten aus dem Schlaf und wen es nicht rechtzeitig aus dem Schlaf reißt, der darf anstatt zu frühstücken direkt mit dem Training beginnen.

Wie auf Kommando raschelt es um mich herum; ich höre, wie die dünnen Decken beiseite gezogen werden und die hölzernen Pritschen wegen der Bewegungen laut knarzen. Ich hebe mich ebenfalls aus meinem hochgelegenen Bett, das nicht ansatzweise so bequem ist, wie das im Palast, und ziehe mir meine Uniform an. Obwohl mein Zimmer nur einen Spaziergang von hier entfernt ist, darf ich nicht dort übernachten – nicht einmal Zeran darf das. Während der Ausbildungszeit müssen alle Initianten in der Kaserne bleiben; das soll die Beziehung unter den Initianten und den Clans stärken. Wobei das nur so halb funktioniert; während der Zusammenhalt innerhalb der Clans tatsächlich gestärkt wird und ich Mynua kennengelernt habe, die aus allen Ecken Myrandolas kommen, spürt man die Feindseligkeit der Clans untereinander. Wenn es einmal nicht zu Auseinandersetzungen kommt, dann versuchen die Initianten sich gegenseitig beim gemeinsamen Training zu übertrumpfen, um ihren Clan als den besseren darzustellen.

Die Kantine ist ein unscheinbares Gebäude aus weißem Stein, das hinter den großen langgezogenen Schlafquartieren, in die je zwanzig Initianten passen, steht. Darin befinden sich lange Tische, die von ebenso langen Bänken flankiert werden. Über ein Fenster gibt die Küche das Essen aus. Im Gegensatz zum Palast wird hier nichts von Dienstboten zubereitet, sondern von uns Initianten selbst. Die ersten zwei Wochen übernimmt der Skauk Clan die Schicht, dann kommt nach einander jeder Clan dran.

Vor dem Küchenfenster hat sich bereits eine Schlange gebildet. Manchen steht der Schlaf noch in den Augen, während andere hungrig und unruhig darauf warten, dass der Tag endlich beginnt. Jeder trägt die gleiche Uniform; eine eng anliegende, dunkle Stoffhose und ein cremefarbenes Hemd mit einem Kreis unter der linken Schulter, dessen Farbe für den jeweiligen Clan steht.

Ich stelle mich hinter eine Gruppe Acarus, die abschätzig einen Tisch voller Skauk mustern, die sich lautstark unterhalten. Wie beim Mynua Clan sind Gefasstheit und Ruhe wichtige Werte des Acarus Clans, was uns deutlich von den Skauk und den Obritari unterscheidet, die ständig am Schreien sind und jegliches Problem mit einem Kampf lösen.

„Wie lang müssen wir denn noch diesen widerlichen Fraß der Skauk essen?" Ash, der plötzlich hinter mir aufgetaucht ist, reißt mich aus meinen Gedanken. „Eine Woche noch", erwidere ich und selbst mein Magen zieht sich bei dieser Vorstellung zusammen. Der Skauk Clan produziert zwar geniale Waffen, aber kochen können sie nicht. Jeden Morgen gibt es Haferbrei, der eine so unappetitliche Konsistenz hat, dass ich jeden Bissen nur mit Mühe runterbekomme. Über das geschmackslose Gemüse und die versalzenen Eintöpfe kann ich nicht einmal nachdenken, ohne dass mir Galle die Kehle hochsteigt. Als hätte er meine Gedanken gehört, verzieht Ash angeekelt seine Lippen. „Dieses Zeug zu schlucken, ist herausfordernder als das Training", kommentiert er und ich muss grinsen. „Na dann kannst du doch morgen einfach den Apell verpassen. Ein paar extra Runden anstatt Haferbrei." Ash stöhnt genervt auf und schüttelt eifrig seinen Kopf. „Eigentlich wollte ich damit sagen, dass du doch aus dem Palast etwas mitbringen könntest. Du musst doch ohnehin zweimal am Tag dahin. Niemandem würde es auffallen." Seine Augen funkeln. „Ich halte das echt nicht mehr aus", fügt er hinzu, als er mein Zögern bemerkt und verzieht dabei selbst mitleidig seine Stimme. Ich kann mein Lachen nicht zurückhalten. „Du bist echt verwöhnt, habe ich dir das schon einmal gesagt?", ziehe ich ihn auf. Ash verdreht nur seine Augen und zuckt mit den Schultern. Nach dem Tod seines Vaters – da war er gerade einmal drei Jahre alt – wurde seine Mutter die Mätresse des Königs, seitdem leben er und seine Schwester mit ihrer Mutter im Palast und werden so behandelt als wären sie Nachkommen des Königs. „Tausende Male. Aber da kann ich nichts dafür, ich bin nun mal einen gewissen Standard gewöhnt."

Das letzte Juwel - die Chroniken von KryniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt