Kapitel 17 - Teil 1

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POV Lilian

Hämmernde Kopfschmerzen lassen mich langsam zu Bewusstsein zurückkehren. Meine Glieder fühlen sich bleischwer an. Der Geruch von Salz und Blut liegt in meiner Nase. Stöhnend kämpfe ich mich zwischen dem dicken Nebel, der meinen Geist einhüllt, hoch und öffne meine Augen. Für einen kurzen Moment ist mein Blickfeld verschwommen und ich muss blinzeln, um wieder klar sehen zu können.

Wo bin ich? Die hölzerne Decke ist ganz nah über meinem Gesicht, ich müsste nur meine Hand ausstrecken, um sie zu berühren. Mein Mund ist staubtrocken und der metallische Geschmack von Blut liegt mir auf der Zunge.

„Lilian?" Die Stimme jagt mir so einen Schrecken ein, dass ich mich wie von allein aufsetze und mit meinem Kopf mit voller Wucht gegen die Decke knalle. Schmerz schießt durch meinen Körper und lähmt mich für einen Augenblick. „Auu", winsle ich laut auf. Sofort steigern sich meine Kopfschmerzen ins Unermessliche und ich lasse mich zurück auf den weichen Untergrund fallen.

„Hast du dir weh getan?" Caelans Kopf erscheint über mir. Seine waldgrünen Augen mustern mich aufmerksam.

Waldgrün. Grün. Wie der Smaragd im Auge der Götter. Wie das Licht, in dem er erstrahlt ist, als mein Blut die Nadel berührt hat. Caelans Augen lassen meine letzten Erinnerungen über mich hereinbrechen. Ich spüre wieder seine starken Arme, die mich fest umklammern. Sein dunkler Duft nach Kiefern und Harz in meiner Nase. Der spitze Schmerz, der mich durchzuckt hat, als ich die Nadel berührt habe. Das grüne Licht, das so sehr geblendet hat, dass ich nichts anderes mehr sehen konnte.

„Lilian? Geht es dir gut?", Caelan winkt mit seiner Hand vor meinen Augen. Der Ausdruck in seinem Gesicht lässt darauf schließen, dass er sich tatsächlich Sorgen macht. Doch ich nicke nur, da ich nicht weiß, was ich sagen soll.

Wie soll es mir schon gehen? Mein ganzes Leben hat sich vor meinen Augen als Lüge herausgestellt. Aber noch schlimmer ist der Gedanke, dass diese Gabe meine Familie vor so viel Schrecklichem bewahrt hätte. Hätte ich es nur früher gewusst, dann wäre das alles nicht geschehen. Dann wäre ich nicht in diesen Wald gegangen, sondern hätte das Essen einfach wachsen lassen. So etwas können die Etere, jedenfalls hat mein Großvater das immer gesagt. Die Obritari hätten mich dann nie entführt und auch auf Baleros wäre ich nicht gelandet.

All das Leid, das ich die letzten Monde durchgemacht habe – all das Leid, das meine Familie immer schon geplagt hat, hätte uns erspart bleiben können, hätte ich es nur gewusst. Doch jetzt ist es zu spät. Zu spät, um darüber nachzudenken. Zu spät, um etwas an der Situation zu ändern. Einfach zu spät.

Plötzlich greifen Arme nach mir und reißen mich aus dem Strudel meiner Gedanken. Ich bin so gelähmt von dem, was in mir vorgeht, dass ich mich nicht einmal gegen den Griff wehre, sondern mich widerstandslos hochziehen lasse.

Caelan lehnt mich gegen die Wand hinter mich und das erste Mal sehe ich mir den Raum, in dem wir uns befinden, richtig an. Der Raum ist schmal, völlig ungeschmückt. Bis auf mein Bett befindet sich nichts darin. Die Wände sind aus morschen, dunklen Holzplanken. Das Zimmer besitzt keine Fenster und nur eine Öllampe, die an einem Nagel an der Wand hängt, erhellt das Innere mit ihrem schwachen, orangen Licht. Zwischen dem Bett, in welchem ich mich befinde, und der Wand ist gerade so viel Platz, dass man normal gehen kann. Wobei es für Caelan schon recht schmal aussieht.

Erst jetzt, als mein Blick auf ihn fällt, bemerke ich, dass er eine dunkle, saubere Hose trägt. Sein Hemd ist ebenfalls neu, denn es ist strahlend weiß, mit einem violetten Kreis unter seiner linken Schulter. Auch die Ringe unter seinen Augen sind verschwunden, so als hätte er das erste Mal seit langem wieder geschlafen.

Als der Boden unter uns plötzlich schwankt, ertönt ein ohrenbetäubendes Knarzen und für einen Moment glaube ich schon, dass wir von einem Skauk angegriffen werden. Doch sobald ich den salzigen Geschmack auf meiner Zunge bemerke, weiß ich, wo wir sind.

Das letzte Juwel - die Chroniken von KryniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt