Kapitel 13 | Azad

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Die Wut durchströmte meine Adern, als ich den Schmerz in meinem Gesicht spürte. Ich wollte ihn anschreien, ihn zwingen, endlich die Antworten auf die Fragen zu geben, die er mir seit Jahren verweigerte. Doch jedes Gespräch mit meinem Vater endete immer im Streit. Langsam gewöhne ich mich an seine gewalttätige Seite. Wäre Can nicht im Auto gewesen, wäre die Situation völlig eskaliert. „Pass auf deine Wortwahl auf!", zischte er. Da ich schwieg, drehte er sich um und ging mit seinen Leuten davon. Ohne sie sieht man ihn kaum draußen. „Azad, alles gut?", fragte Ayla plötzlich, die ich im ganzen Durcheinander gar nicht bemerkt hatte. Sie berührte die Stelle, an der er mich getroffen hatte. Woher kannte mein Vater Ayla? Woher nahm er sich das Recht, die Menschen um mich herum auszuspionieren? „Ja, geh rein", sagte ich zu ihr.

Bevor mein Vater wegfuhr, stellte ich mich vor das Auto. „Lass Can bei mir", forderte ich. Er stieg aus. „Hör auf mit diesem blöden Spiel." „LASS CAN BEI MIR!" schrie ich diesmal. Can klopfte am Fenster, aber ich hörte nicht, was er sagte. Ich will nicht, dass Can weiter in seiner Nähe bleibt, ich will nicht, dass er weiter bei ihm lebt. „Azad, geh weg", sagte einer seiner Männer, der mich schon seit meiner Kindheit kennt. „Jalil, hol Can raus", sagte ich ruhig und ging auf das Auto zu. „Nur noch ein Schritt, Azad, und ich garantiere dir, dass du es bereuen wirst", entgegnete mein Vater. Ich sah, wie Can weinte und dabei weiter ans Fenster klopfte. „Was willst du machen? Was habe ich denn noch zu verlieren?" Er lächelte schief, was mich nur noch mehr provozierte.

„Das Mädchen wie hießt sie nochmal..?" „ Ayla, Sir." Antwortet einer seiner Leuten. „ Genau. Sie wird dann statt dir leiden." Endete er seinen Satz. „Woher verdammt nochmal kennst du sie und was weißt du über sie?!" schrie ich ihm ins Gesicht. „Ich weiß alles. Und mit einem Fingerschnippen wird sie alles verlieren, was sie aufgebaut hat." „Du wirst das nicht tun." „Oh, doch. Ich halte mein Wort. Kennst du etwa deinen eigenen Vater nicht?" „Ich schwöre dir, wenn—" „Hier wird nicht mehr unnötig gesprochen. Außer du möchtest mit mir zusammenarbeiten. Die Leute reden schon über uns! Werd erwachsen, Azad!"

Wie kann er mein Vater sein?! Woher zum Teufel hat meine Mutter ihn damals gefunden? „Ich wünschte, du wärst an Mamas Stelle gestorben," sagte ich, ohne ein Wort davon zu bereuen. Er sah mich nur leer an. Als er einsteigen wollte, bat Can schreiend, bei mir bleiben zu dürfen. Aber mein Vater ignorierte ihn. Die Tür schloss sich, seine Männer stiegen ein, und sie fuhren davon.

Can...

„Was zum Teufel ist passiert, Azad?" rief mir plötzlich Erion hinterher. Ich sah nur Blut vor meinen Augen. Wie kann jemand, der mir so nahesteht, schlimmer sein als meine Feinde? Meine Wut könnte jederzeit überhand nehmen und hier würde nur kaputtes Mobiliar übrigbleiben. „Bro!" „Es ist nichts, geh rein, Erion." Er weigerte sich zu gehen. „Was für ein verdammter Tag!" rief er. „Bro, deine Lippe blutet." Mich interessierte gerade nichts außer alles zu tun, um meinen eigenen Vater aus meinem Leben zu werfen. „Wo ist Ayla?" Das Einzige, was ich wollte, war Ayla von meinem Vater fernzuhalten. Er liebt es, mich über die Menschen in meiner Nähe zu quälen. „Sie ist drinnen. Sie hat mich hierher geschickt." „Sag ihr, sie soll nach Hause gehen und sich nicht in der Bäckerei mit mir unterhalten." „Bro, wie soll ich das sagen?" „Das kannst du mir auch selbst sagen," sagte Ayla und kam mit Merve auf mich zu. „Mein Beileid, Bro," flüsterte Erion. Ja, mir auch.

„Bin ich dein Spielzeug? Ich hatte sowieso nie das Interesse, mich mit dir zu unterhalten." Oh, nein Ayla, bitte, jederzeit, nur nicht jetzt. „Gut. Dann haben wir das doch geklärt." Sie sah mich vernichtend an. Meine nassen Klamotten klebten an meinem Körper. „Du bist ein Arschloch! Und außerdem blutet deine Lippe." Egal wie sauer sie ist, ihre reine Seite zeigt sich immer. Ich sah, wie Erion und Merve sich von uns entfernten. „Echt? Wo?" fragte ich mit einem Schmunzeln. „Vergiss es, Azad Sivan. Wir sind hier nicht in einem Film, verarzten kannst du dich selbst!" Ich lachte auf. Ich merkte, wie schnell sie meine Laune änderte. „Warum war dein Vater so drauf?" Und BAM. „Halt dich fern von ihm. Er ist zu allem fähig," warnte ich sie. „Wieso arbeitest du in der Bäckerei, wenn du schon reich genug bist?" Diese Frage habe ich damals versucht auszuweichen, aber Ayla lässt nicht nach. „Er ist reich, nicht ich. Ich werde niemals sein Geld annehmen." Sie sah mich perplex an. „Wieso nicht?"

„Es ist zu spät. Du musst jetzt langsam nach Hause gehen." Ich wusste, dass sie merkt, wie ich ihre Frage ausweiche. Aber sie fragte nicht weiter nach und meckerte auch nicht. „Ja, meine Mama wird mich killen, das ist klar." Ich bot ihr an, sie nach Hause zu fahren, aber sie lehnte direkt ab.

Nachdem ich in meiner Wohnung ankam, zog ich mich um und duschte erst einmal. Nach dem Tod meiner Mutter suchte ich mit 18 direkt eine Einzimmerwohnung. Die ersten drei Monate musste ich mit Can in einem Hotel verbringen. Aber nach einiger Zeit fand ich eine Wohnung und wohne seitdem dort. Can kennt unseren Vater jedoch nicht so, wie ich ihn kenne. Er vermisste ihn und wollte eine Zeit lang bei ihm wohnen. Natürlich. Er ist reich und kann Can alles mit seinem verdammten Geld ermöglichen. Ich kann ihm nicht einmal die Hälfte bieten. Seitdem wechselte es sich ab. Mal war er bei mir, mal bei ihm. Seitdem Can jedoch sein eigenes Spielzimmer mit allem, was er sich je gewünscht hat, bekommen hat, sehe ich ihn vielleicht einmal die Woche.

Er kann vieles tun und ist zu allem fähig, aber mich kann er mit seinem dreckigen Geld nicht manipulieren.

Mein Handy klingelte, während ich auf meinem Bett lag. Jalil.

„Hallo," sagte ich nur trocken, weil er nichts tat, als Can im Auto weinte.

„Azad. Dein Vater versucht alles Mögliche über das Mädchen herauszufinden. Pass auf sie auf, mein Sohn." Ich stand direkt auf.

„Warum? Ich habe Can doch mitgehen lassen. Was versucht er verdammt nochmal damit zu erreichen?" schrie ich ins Telefon.

„Er will, dass du mit ihm arbeitest. Er hat deine Schwäche erkannt."

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