Kapitel 22

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Nachdem ich nach Hause gebracht worden war, mit rot glühenden Wangen, wusste ich nicht, was ich zuerst machen sollte. Als ich die Tür leise mit dem Schlüssel öffnete, sah ich direkt meine Mama. „Mama, bitte nicht jetzt." In ihren Augen glühte nur Wut. „Es ist dunkel! Und es ist schon 22:00 Uhr! Wo zum Teufel warst du?! Hast du mir nicht gesagt, dass du zurückkommen wirst, bevor es dunkel wird?" Sie hatte allen Grund, auf mich sauer zu sein.

„Es tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen." Sie folgte mir bis in die Küche. „Diese Lügen werde ich dir nicht mehr glauben!" flüsterte sie. „Ich habe deinen Bruder und Baba angelogen! Und das nur, weil du dein Wort nicht hältst." Ich nahm ein Glas Wasser und bemerkte, wie meine Hände zitterten.

Die Tränen, die immer wieder kamen, versuchte ich zurückzuhalten. „Ich werde nicht mehr so spät rausgehen. Bitte, Mama, mir geht es gerade nicht gut. Wir sprechen morgen, okay?" „Schau mich an." Ich schüttelte den Kopf und blickte auf meine Socken. „Ayla, schau mich an!"

Ich sah sie an und kämpfte innerlich, all meine Emotionen zu verbergen. Bevor sie etwas in meinen Augen sah, was sie nicht sehen durfte, fing ich plötzlich an zu lachen und nahm sie in die Arme. „Es tut mir leid. Ich weiß, wie sehr du dir Sorgen gemacht hast. Geh bitte jetzt in Ruhe schlafen, ich bin wieder da." Sie erwiderte meine Umarmung. „Du auch. Los, Zähne putzen und danach direkt schlafen gehen." Ich löste mich von ihr. Ich wusste, dass sie morgen noch mit mir darüber sprechen würde. Ich lächelte sie an und schickte ihr, während ich ging, einen Luftkuss.

**

Den ganzen Abend konnte ich kein Auge zutun. Die Umarmung von Azad, die Gefühle, die ich vor Jahren für ihn empfunden hatte und die plötzlich wieder aufflammten, ließen mich einfach nicht los. Ich habe Angst. Angst davor, wieder verletzt zu werden – und diesmal von derselben Person.

Trotzdem bin ich ihm unendlich dankbar dafür, dass er da war und mir in dieser Situation geholfen hat. Nachdem er mich umarmt hatte, herrschte auf der Fahrt zu mir nach Hause eine bedrückende Stille im Auto. Keiner von uns sprach ein Wort, aber ich spürte immer wieder seinen Blick auf mir brennen. Er war die ganze Fahrt über wütend – nicht der fröhliche Azad, den ich in den letzten Monaten kennengelernt hatte, sondern ernst und verschlossen. Mir gegenüber war er zwar sanft, doch ich merkte, dass er sich in diesem Moment vollkommen anders verhielt, was auch irgendwo verständlich war.

Ich muss Merve unbedingt Bescheid geben, bevor sie mich wieder zurechtweist. Also treffe ich mich heute mit ihr und bleibe der Arbeit fern. An die Schule will ich gar nicht denken – der Stoff wird von Tag zu Tag schwieriger.

Als ich Merve schon in der Cafeteria sah, winkte ich ihr zu. Sie kam auf mich zu, schaute mir in die Augen, bevor sie mich in die Arme nahm. „Warum hast du geweint?" fragte sie mich besorgt. Ich umarmte sie zurück, und wir setzten uns. „Gestern Abend sind so viele verrückte Dinge passiert", seufzte ich und begann zu erzählen.

„Als Mansur und ich Fußball geschaut haben, habe ich Azad mit einem Mädchen gesehen." Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, änderte Merve ihre Sitzposition abrupt, ihre Haltung war nun angespannt. Doch sie sagte nichts, also redete ich weiter. „Ich habe so eine Art Eifersucht gespürt, als ich die beiden so eng miteinander sah–"

Ayla–" unterbrach sie mich, doch ich hob sofort die Hand, weil ich genau wusste, was sie sagen wollte.

„Ja, ich weiß, was du denkst. Aber ich habe Angst, Merve." Ihr Gesicht war voller Sorge, während sie mich beobachtete. „Glaubst du... denkst du, Azad mag dieses Mädchen wirklich?" fragte ich, meine Stimme zitterte leicht. „Ich weiß es nicht. Nicht nach dieser festen Umarmung und seinen Versprechungen..."

„Ich glaube, mögen tut er sie vielleicht, aber lieben... nein." Ihre Schultern sanken ein wenig. Doch warum verhält sie sich so seltsam? „Wie meinst du das?" fragte sie, ihre Augen bohrten sich in meine, mit einem Blick, der eine Mischung aus Besorgnis und Neugier war.

i hate youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt