Vernetzte, Selbstorganisierende Systeme

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Pädagogik:

Das Fach Erziehungswissenschaften, von mir der Einfachheit halber oft als Pädagogik bezeichnet, umfasste an meiner Universität die Geschichte der Pädagogik, die pädagogische Theorie, die Didaktik und ein erhebliches Maß an erziehungswissenschaftlicher Forschung auf der Basis moderner Sozialwissenschaft. Das heißt, die Grundlagen reichten von der Philosophie über die Geschichte bis zur Sozialwissenschaft. Zu den Pflichtveranstaltungen gehörte daher neben Pädagogik-Geschichte und Theorie auch qualitative und quantitative Sozialforschung.

Bei letzterer Veranstaltung traf ich auf einen Vollblut-Pädagogen. Seine erste Amtshandlung war, uns in Kleingruppen aufzuteilen und für die Gruppenbildumg und das Vertrautmachen mit den von uns gewählten Teilthemen ausgiebig Zeit zu geben. Das setzte unmerklich einen Prozess des selbst organisierten Lernens in Gang und als das Schicksal den Lehrer plötzlich für etliche Wochen aus unserem Kurs entfernte, machten wir einfach weiter.

Das Schicksal kam in Form eines Blinddarm-Durchbruchs vorbei und war durchaus bedrohlich. Normal wäre uns nur übrig geblieben, nach Hause zu gehen, unserem Dozenten gute Besserung zu wünschen und im kommenden Semester erneut anzutreten. Doch wir stellten fest, dass wir alle Fragen, Werkzeuge und Aufgaben hatten, um allein weiter zu machen. Es war nicht schwer, geeignete Räume zu finden und Zeiten zu arrangieren.

Die Arbeit machte uns Spaß und stärkte unser Selbstbewusstsein. Und auch die Beziehungen erfuhren einen kräftigen Schub. Mit einer Kommilitonin war ich noch viele Jahre später befreundet.

Gegen Ende des Semesters tauchte unser Dozent wieder auf, erzählte uns seine Geschichte. Wir erzählten von unserer Arbeit und legten unsere Ergebnisse vor und so beendeten wir gemeinsam ordnungsgemäß das Semester, als wäre nichts geschehen.

Der Einzige, der über diesen Ausgang nur bedingt erstaunt war, war unser Dozent. Doch leider blieb das die einzige Veranstaltung von diesem Kaliber. Ich glaube, wir hatten alle das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein, das weit über den Einzelnen hinaus reicht. Meine Erinnerungen an dies Erlebnis waren lange begleitet von starken Körpergefühlen, die irgendwo zwischen Staunen, Ehrfurcht und Stolz angesiedelt waren und auch heute noch in Spuren aufzufinden sind.

Werkzeuge:

Hätte man mir damals einen Kurs angeboten, um die Zauberkunst zu erlernen, aus einer zufälligen Horde mittelprächtig uninteressierter Menschen, die gezwungen sind, ein mittelprächtig uninteressantes Thema zu erlernen, ein hoch motiviertes Team aus Gralssuchern zu machen, die sich gegenseitig inspirieren und gemeinsam jede Hürde spielend überwinden, hätte ich sofort zugeschlagen. Hätte ich irgend eine Veranstaltung entdeckt, die auch nur entfernt nach dem Begehrten ausgesehen hätte, wäre ich sofort hin gegangen. Hätte ich erfahren, dass irgendwo an einem für mich erreichbaren Ort dergleichen angeboten würde, ich hätte alles stehen lassen, um mich in dieser Zauberkunst ausbilden zu lassen. Aber nichts von alledem war der Fall.

Zwar habe ich im Laufe der Zeit ein paar andere pädagogische Zauberkünste erworben, aber diese kostbare Werkzeug-Kiste blieb mir verschlossen. Das heißt, für Gruppen stand mir nur der ungeliebte Frontal-Unterricht zur Verfügung, die für alle Beteiligten anstrengendste und am wenigsten effiziente Form des Lernens.

Ich hätte mir das Leben mit den geeigneten Werkzeugen wesentlich leichter machen können. Doch so konnte ich den ungeliebten Frontalunterricht zwar fantasievoll ausgestalten, aber nur bei Unterstützung durch das Lehrbuch mit Gruppenarbeit ergänzen.

Als ich einmal mit einem solchen Lehrbuch unterwegs war, konnte ich nur staunen, wie glücklich meine Schüler und Schülerinnen aussahen, als ich sie für einen gut vorbereiteten Dialog in die Gruppen entließ. Ich konnte ihnen regelrecht zusehen, wie sie das gerade Gelernte anwendeten, um sich miteinander vertraut zu machen. Später habe ich bei mündlichen Prüfungen gelegentlich die Gesprächspartnerin geben müssen, wenn wir eine ungerade Anzahl an Schülern hatten. Selbst unter Prüfungsbedingungen konnte ich spüren, wie kraftvoll diese Dialogübungen sind, die heute in Unterricht und Prüfung eine wichtige Rolle spielen.

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