Vor einiger Zeit gingen Bilder und Berichte von einem Aufstand in Iran um die Welt. Doch lange weigerte ich mich, hinzuschauen und emotional mitzugehen. Ich bin so vielen Iranern begegnet, die ihre Heimat verlassen mussten, sich ein neues Zuhause in sich selbst und einem fremden Land aufgebaut haben. Manche sind zum Glauben ihrer Väter zurückgekehrt, Zoroastrier geworden. Sie sagten: "Der Islam ist keine persische Religion. Er wurde unseren Vorfahren aufgezwungen, zusammen mit der arabischen Kultur." Oder sie wurden Atheisten. Manche hassten jede Religion. Der Schah ließ foltern. Die Mullahs tun das Gleiche. Die Revolution war umsonst. Alles was sich geändert hat, ist die vorherrschende Ideologie und der Kanon der Dinge, für die man bestraft wird.
Ich weigerte mich zu fühlen, weigerte mich zu hoffen. Doch dann brach der Damm. Ich weinte. Die alten Tage und Erlebnisse kamen zurück. Eine neue Generation in Iran, so lebendig und lebenshungrig wie meine alten Freunde, kämpft gegen ein Regime, das ihr Bedürfnis zu leben, lebendig zu sein, missachtet und unterdrückt.
Die Haare im Wind flattern zu lassen, ist ein Verbrechen, wenn du eine Frau bist. Es ist überhaupt eine Strafe, eine Frau zu sein, wenn du in einer Gesellschaft lebst, die Frauen missachtet und unterdrückt. Ich habe mich auf die Gefühle eingelassen, die ich so gut kannte, habe gehofft. 'Baraye', das Lied der Aufständischen, wurde zu meiner Leib- und Magen-Speise.
Aber eine entscheidende Gruppe hat sich der möglichen Revolution verweigert. Nicht weil sie die Regierung liebt, sondern weil ihr die Hoffnung fehlt: 'Es gab bereits eine Revolution. Es ist nicht besser geworden. Wer sagt uns, dass sich mit einer neuen Revolution irgendetwas zum Besseren wendet?'
Ich trauere um die Menschen in Iran, aber ich verstehe nur zu gut: Es ist so schwer, wider alle Hoffnung zu hoffen, das Unmögliche zu wagen und dabei vielleicht alles zu verlieren.
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Die Fülle des Lebens
Kurgu OlmayanEigentlich wollte ich nur eine Mail schreiben. Doch die wurde zu lang und niemals abgeschickt. Ich wollte einem Bekannten, mit dem ich vor Monaten über Nachhaltigkeit und Entfremdung gesprochen hatte, berichten, welcher stetige Strom an Gedanken aus...