Mozart:
Idamante ist der Sohn von Idomeneo, allerdings meines Wissens nur in Mozarts gleichnamiger Oper.
Ich kannte das Werk lange nur vom Hörensagen. Es galt als musikalisch brillant, aber dramaturgisch veraltet. Umso größer mein Erstaunen, als ich zufällig auf die Mailänder Inszenierung zum 250. Geburtstag Mozarts aus dem Jahr 2006 stieß und von diesem faszinierenden Drama nicht mehr los kam.
In den Jahren, die das Stück mich beschäftigt hat, habe ich mich gefragt, wer der Fürst war, der dazu den Auftrag gegeben hatte. Denn gewöhnlich wurden solche Opern maßgeschneidert für die Interessen und spezifische Situation an den Höfen, für die sie bestimmt waren.
Barockoper:
Die italienische Barockoper wurde überwiegend für Fürsten geschrieben und an Fürsten-Höfen aufgeführt. Es gab ein paar große quasi bürgerliche Opernhäuser in Europa, in London, Venedig und zeitweise in Hamburg. Aber die meisten Stücke wurden im Auftrag von Fürsten geschrieben und galten daher nach der französischen Revolution dem Bürgertum als obsolet. Dies Schicksal ereilte auch die romantischste aller Mozart-Opern: Idomeneo.
Doch inzwischen wurde die alte Form der italienischen Barockoper von einer neuen Generation an Musikern wiederentdeckt und erweist sich als erstaunlich modern. Denn Thema all dieser Opern ist der Umgang des Menschen mit den Wechselfällen eines unvorhersehbaren Schicksals. Nur wer sich bewährt oder bekehrt, ist ein Held. Musik und Dramaturgie dazu sind spannend und vielschichtig und basieren auf einem Baukastensystem aus vielschichtigen Elementen und einem bezaubernden Überwurf aus Improvisation.
Idomeneo:
Mozarts 'Idomeneo' nimmt in der Welt der Barockoper eine Sonderstellung ein. Denn streng genommen handelt es sich gar nicht um eine klassische opera seria, sondern um ein durchkomponiertes Gesamtkunstwerk a la frühem Wagner mit einem Kern aus 4 Haupt- und zwei Nebenfiguren plus Chor, Ballett und großes Orchester, das sich dem seltenen Zusammentreffen eines Fürsten mit Vorliebe für den modernsten verfügbaren musikalischen Stil, einem Starorchester, einem außerordentlich guten Chor, einem der besten und modernsten Choreographen seiner Zeit, einer beeindruckenden Bühne mit erstklassigem Bühnenbild, einem feinsinnigen Librettisten und einem ehrgeizigen unterbeschäftigten jungen Komponisten mit Erfahrung mit italienischen und französischen Barockopern, Singspiel, Melodram, Ballett und Reformoper verdankt.
Ausgestattet mit diesem Übermaß an Inspiration und Präzision erzählt das Stück von der Heimkehr eines jener Fürsten, die nach zehnjähriger Belagerung Troja in Schutt und Asche gelegt haben; Idomeneo.
Trauma und Liebe:
Aber es beginnt nicht direkt mit der Heimkehr, sondern ganz modern mit der Not der trojanischen Prinzessin Ilia, die sich als Gefangene auf Kreta wiederfindet und sich ausgerechnet in den Sohn eines jener Krieger verliebt hat, die ihre Eltern und Geschwister umgebracht haben: Idamante.
Ihre Liebe erscheint ihr derart ungeheuerlich, dass sie es lange nicht fertig bringt, den Prinzen, der ebenfalls liebt, darüber zu informieren.
Kern ihres Konflikts ist die Aussage: Rache schulde ich demjenigen, der mich gezeugt hat, Dankbarkeit denjenigen, der mein Leben gerettet hat. Denn als die Gefangenen, von Idomeneo voraus geschickt, in einen Seesturm geraten sind, ist der Prinz persönlich ins Wasser gesprungen und hat sie raus geholt. Noch weiter zugespitzt sagt sie dann: Kreta, du bist der Grund für meine Leiden und einen Kreter liebe ich.
Nach der Tradition der opera seria ist ein Kind zur Rache am Mörder seiner Familie verpflichtet. Sich der Liebe zu einem Vertreter der anderen Familie hinzugeben, ist Sünde. Ein klassischer Konflikt zwischen Pflicht und Neigung. (Nein, Schiller hat sich das nicht ausgedacht, sondern von der italienischen Oper abgeschaut, die damals als die Königin aller Dramen galt und in Stuttgart mit Giomelli prominent vertreten war.)
DU LIEST GERADE
Die Fülle des Lebens
غير روائيEigentlich wollte ich nur eine Mail schreiben. Doch die wurde zu lang und niemals abgeschickt. Ich wollte einem Bekannten, mit dem ich vor Monaten über Nachhaltigkeit und Entfremdung gesprochen hatte, berichten, welcher stetige Strom an Gedanken aus...