Polnische Musik

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Als ich noch Studentin war, fand sich im musikwissenschaftlichen Institut, das ich regelmäßig besuchte, eine polnische Gastprofessorin ein, zusammen mit ihrem Assistenten. Wenn ich mich recht erinnere, hielt sie eine Vorlesung und ein Seminar. Und ich entschied mich, da teilzunehmen.

Es war die Zeit des Kalten Krieges. Die Mauer war noch nicht gefallen und außer Utopisten - so schien es - träumte auch niemand davon. Vielleicht Willy Brandt, der als Bürgermeister von Westberlin den Bau der Mauer miterlebt und verzweifelt bekämpft hatte. Doch er konnte damals weder Adenauer noch Kennedy bewegen, entschieden einzuschreiten und war später mit seiner Hoffnung, dass die beiden deutschen Staaten wieder zusammen finden, ziemlich allein. Wenig ahnte der alte Mann davon, dass ausgerechnet Michail Gorbatschow sein Fan war.

Seminar:

Ich war gespannt, was dieses Semester bringen würde. Denn außer Chopin waren mir keine Highlights polnischer Musik bekannt. Doch meine bescheidene Investition, so zeigte sich bald, zahlte sich vielfach aus. Ich lernte die wunderbaren Kompositionen von Carol Szymanowski (gesprochen Schimanowski) kennen, der aus lokalen Traditionen eine ganz eigene Tonalität entwickelt hat, mit einem geradezu jenseitig schönen Klang. Penderecki (gesprochen Penderezki) rückte mir etwas näher und ich erfuhr zum ersten Mal von polnischen Tänzen aus der Zeit von Barock und Renaissance. Die Professorin war die erste Musik-Ethnologin, die mir begegnet ist, und ich wählte als Hausarbeit die Transkription einiger traditioneller Stücke polnischer Volksmusik.

Es waren kurze Gesänge oder instrumentale Stücke, die die Professorin selbst auf Trips in abgelegene Regionen Polens aufgenommen hatte. Ihr Bestreben war es, soviel wie möglich von dieser Musik aufzuzeichnen, bevor diese Traditionen verloren gingen.

Diese Volksmusik hatte nichts mit dem zu tun, was wir in Deutschland unter Volksmusik verstehen. Unsere 'Volksmusik' ist im Grunde alte Kunstmusik oder aktuelle Schlagermusik, die sich volkstümlich gibt. Was ich nun zu hören bekam, spielte in einer völlig anderen Liga. Es handelte sich um schlichte, fremdartige Gesänge und Instrumentalstücke mit Vierteltönen, die den Rekonstruktionen mittelalterlicher weltlicher Musik oder traditioneller orientalischer Musik, die ich kannte, näher waren als dem modernen Musikanten-Stadl. Jemand der heute in Richtung Weltmusik unterwegs ist, wird sich nicht wundern. Doch damals war das eine Sensation, die Veranstaltung ein Volltreffer.

Ob die Professorin damals auch auf die mittelalterliche geistliche Musik Polens eingegangen ist, über die man heute schon bei der ersten Internet-Suche zu polnischer Musik bequem unterrichtet wird, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ziemlich zu Beginn der Veranstaltung polnische Tänze aus Renaissance und Barock durch unseren Hörsaal spazierten. 'Die Geschichte der polnischen Musik beginnt mit Tänzen. Aus ihnen entwickeln sich dann die anderen Formen. Das gilt im Grunde auch für andere europäische Kulturen.', sagte die Professorin an einer Stelle nüchtern. Renaissance- und Barock-Musik in Polen? Na klar, dachte ich. War halt ein gesamt-europäisches Phänomen.

Barockliteratur:

Doch als mir viele Jahre später ein polnischer Gastschüler von den endlosen Stunden an Polnisch-Unterricht erzählte, die dem stolzen Erbe an polnischer Barock-Literatur gewidmet waren, dachte ich: 'Moment mal! Wo gibt es die einzige größere Ansammlung an deutscher Barock-Literatur? - Richtig, in Schlesien!' Dort gab es mehrere Generationen technisch und inhaltlich versierter Autoren, die bewusst danach strebten, die deutsche Sprache als Kultursprache zu etablieren und eine deutsche Poetik zu erschaffen.

Die deutsche Barock-Literatur, die ich im Gymnasium kennengelernt habe, war überwiegend aus Schlesien. Und sie war exzellent. Außer den Schlesiern kannte ich nur Paul Fleming, Grimmelshausen und einige weitere Volksbücher - die Vorläufer heutiger Romane. Nun gut - im Studium kam schon noch einiges dazu und inzwischen scheint sich das Repertoire noch einmal erheblich erweitert zu haben.

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