Der Arzt

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Dea wurde kreideweiß und eilte zu Loki. Er lag leichenblass auf der Schlafcouch, die Augen waren geschlossen. Er reagierte nicht auf Deas Versuche ihn zu wecken. Sie sah Laufey verzweifelt und mit Tränen in den Augen an:
„Laufey, was für einen Arzt? Notarzt? RTW? Was? Sag es mir!“
Laufey schaute zu Loki und sagte:
„Den Arzt, dem du vertraust. Den du mit ins Vertrauen ziehen kannst und herrufen kannst!“
Dea verstand sofort, wem sie meinte. Da gab es nur einen einzigen! Sie rannte in den Flur, suchte die Nummer und tippte mit zitternden Fingern diese in ihr Haustelefon. Ungeduldig wartete sie, das er ranging. Sie betete, das er den Hörer abnahm, das er da war, das er Zeit hatte. Endlich, nach dem vierten Klingeln knackte es in der Leitung:
„Herr Dr. Kabinski?“
Dea atmete auf, er war da! Hastig sprach sie los:
„Michael, ich bin’s , Dea. Du musst sofort kommen! Es ist ein Notfall! Bitte!“
Am anderen Ende hörte man, wie Dr. Kabinski scharf die Luft einzog. Wenn Dea so aufgeregt war, dann war irgendetwas absolut nicht in Ordnung. Er kannte sie lang genug um zu wissen, wenn sie anrief, dann nie ohne triftigen Grund:
„Dea, langsam . Immer mit der Ruhe. Erzähl mir, was passiert ist, ich muss es wissen, damit ich weiß, was ich eventuell brauche.“
Man hörte Dea am anderen Ende aufschluchzen:
„Du musst kommen, ich weiß nicht, was er hat. Er meinte, er verträgt keine Austauschstoffe…..die vom Zucker…..weisst du? Aber…..da war was im Energy..    Aspartam……ich hab nicht drauf geschaut…….ich hab……..es ist meine Schuld!“
Michael hörte sich an, was Dea sagte, musste sie aber wieder beruhigen. Er musste wissen, was dann passierte. War es eine allergische Reaktion? Aspartam…er grübelte:
„Dea, das konntest du doch nicht ahnen. Wie hat er darauf reagiert?“
Man hörte, das Dea weinte und das Sprechen ihr sehr schwer fiel:
„Es ging ihm nicht so gut,  er hat sich hingelegt und hat Fieber bekommen. Ich habe ihm Paracetamol gegeben  weil es so furchtbar hoch war, er schlief auch ein…..ich dachte, er schläft sich gesund, aber er wacht nicht mehr auf……. Michael, bitte, du musst kommen!“
Der Arzt verkniff sich die Frage, warum sie ihn und keinen Notarzt alarmierte.  Wahrscheinlich gab es dafür einen triftigen Grund. Noch mit dem Handy am Ohr packte er ein, was er glaubte zu benötigen. Aber was hatte sein Patient? War das wirklich eine allergische Reaktion auf Aspartam? Ihm war kein Fall bekannt. Man reagierte eigentlich auch nicht allergisch auf Zuckeraustauschstoffe. Einige standen in Verdacht gesundheitsschädlich zu sein, aber eine Allergie? Dieser Fall könnte interessant sein! Ein Patient, dessen Zustand sich rapide verschlechtert hatte nach dem Genuß von Aspartam……. Seltsam. War er in eine Art Koma gefallen? Oder nur ohnmächtig? Während Michaels Gedanken nach einem erklärbaren Grund suchten, sprach er ins Handy:
„Dea, ich mache mich sofort auf den Weg. Die Praxis hat heute sowieso zu. Ich bin in 5 Minuten bei euch!“
Man konnte förmlich hören, wie Dea ein Stein vom Herzen fiel und sie schluchzte:
„Danke! Michael, danke!“
Er wollte sie noch Fragen, wie hoch das Fieber gewesen war, aber da hatte sie schon aufgelegt. Selten hatte er sie so aufgelöst erlebt. Diese Person musste ihr viel bedeuten. Hatte sie einen neuen Freund? Zumindest müsste diese Person etwas ganz besonderes sein, wenn Dea sie in ihr Leben gelassen hatte, denn das passierte nicht so oft. Sie war sehr vorsichtig, wem sie vertraute. Als er alles zusammen hatte, fuhr er los und beeilte sich, schnell bei ihr zu sein.
Dea eilte derweil wieder zu Loki ins Wohnzimmer. Sie setzte sich zu ihm und nahm seine Hand. Laufey betrachtete die Szene. Ihr war längst klar, das Deas Herz schon längst entflammt war für ihren Sohn. Sie hoffte, das würde bald auf Gegenseitigkeit beruhen.
Dea wurde immer unruhiger. Es dauerte ihr zu lange, bis Dr. Michael Kabinski endlich zu ihr fand. Laufey musste sie beruhigen. Immerhin waren erst wenige Minuten vergangen, für Dea jedoch fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Endlich schellte es an der Tür. Sofort sprang Dea auf und ließ den Arzt herein. Sie führte ihn ins Wohnzimmer zu Loki, wo er als erstes Laufey begrüßte. Danach wandte er sich zu Loki und blieb einen Moment wie angewurzelt stehen. Er musste ersteinmal seine Fassung wiedergewinnen. Das war also der Grund, warum Dea keinen Notarzt sondern ihn gerufen hatte. Er kannte seinen Patienten. Zumindest von den Bildern her, die Dea ihm gezeigt hatte. Sie war ganz vernarrt in die nordische Mythologie, aber am meisten in einem Gott. Wie hieß er doch gleich? Loki, richtig! Nun ja, anscheinend gab es jemanden, der diesem Gott  zum verwechseln ähnlich sah und sie hatte denjenigen anscheinend irgendwie aufgegabelt. Wahrscheinlich hätte er sie mit seinem Aussehen geblendet und sie hatte ihm dem Mist natürlich alles abgekauft, den er ihr erzählt hatte. So zumindest reimte es sich der Arzt zusammen. Er dachte daran, das dieser Kerl, der dem Gott bis aufs Haar glich, Dea wahrscheinlich was vormachte und ihr früher oder später das Herz brach, nachdem er sie um einiges erleichtert hatte. Er ließ sich aber nichts anmerken und setzte sich auf die Kante der Couch. Wenn er das hier nur vortäuschte, würde er gleich ziemlich zügig wach werden. Der Arzt griff unter die Decke und legte seine Hand auf den Innenschenkel seines Patienten. Es war heiß unter der Bettdecke und sein Patient zeigte trotz der Berührung keine Reaktion. Er zog sie Bettdecke etwas beiseite, wenn dieser Mann Fieber hatte, war die Bettdecke nicht gerade optimal. Sie würde verhindern, das das Fieber vernünftig sank. Der Arzt wies Dea an noch einmal Fieber zu messen und sie maß mit dem Fieberthermometer noch einmal die Temperatur von Loki. 39.8 war auf dem Display zu sehen. Der Arzt nickte. Also war er wirklich krank. Kein Simulant. Er hatte falsch gelegen. Vorsichtig legte er die Decke beiseite. Loki atmete flach, der Arzt nahm den Puls. Er schien unregelmäßig zu sein. Vorsichtshalber schloss er einen Überwachungsmonitor im Miniformat an Loki an und schaute bestürzt auf die Werte. Er hatte diesem Mann, wer immer er auch war, anscheinend Unrecht mit seinen Gedanken über ihn getan. Anscheinend hatte dieser Mann eine Herzschwäche, das war eindeutig auf dem Monitor zu erkennen. Er schaute Dea an:
„Ist etwas bekannt darüber, das er Medikamente nehmen muss? Das er Vorerkrankungen hat?“
Dea zuckte mit den Schultern und schaute zu Laufey. Diese  nickte:
„Er hat ein Boroken Heart Syndrom überlebt, aber seitdem ist sein Herz sehr schwach und er muss dafür Medikamente nehmen.“
Dea hörte zum ersten Mal davon und stand da wie vom Donnerschlag gerührt. Loki war eigentlich schwer krank und sie hatte es nicht einmal geahnt!
Der Arzt aber nickte:
„Das sehe ich hier, seine Herzrhythmusstörungen gefallen mir absolut nicht. Und was ist diese Sache mit der Allergie gegen Zuckeraustauschstoffe? Ich habe noch nie von so etwas gehört.“
Laufey seufzte:
„Er reagiert sehr heftig auf diese Sachen. Es ist, als würde es ihn vergiften. Es sind die selben Symptome. Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme, Erbrechen, Durchfall…...“
Der Arzt hörte sich alles an. Er kramte in seinem Koffer und schaute Dea kurz an:
„Du kochst Tee. Kräutertee. Ganz viel. Er muss viel trinken, wenn wir ihn wach bekommen. Und ich brauche ein Glas Wasser. Darin lösen wir Aktivkohle auf, das wird die Stoffe, die ihm nicht gut tun binden. Ich gebe ihm derweil etwas, das sein Herz stabiler wird. Verdammt, Dea, der Typ muss eigentlich in ein Krankenhaus!“
Dea schluchzte auf:
„ Ich weiß……aber sieh ihn dir doch an! Das geht auf Dauer nicht gut! Er würde irgendwann entdeckt werden. Weißt du, was sie mit Wesen machen, die keine Menschen sind?“
Der Arzt nickte. Er verstand Dea ja. Wenn man ihn entdecken würde und er tatsächlich ein Gott war, man würde ihn wahrscheinlich in ein Labor stecken, untersuchen und sezieren. Das konnten sie tatsächlich nicht riskieren. Also müsste er hier sein Bestes geben.
Dea lief derweil im die Küche und kochte Kräutertee. Als sie in der Küche war, spritzte der Arzt Loki etwas, das seinem Herz half, wieder richtig zu schlagen. Es war ihm ganz Recht, das Dea kurz zu tun hatte. Er wandte sich an Laufey während er den Monitor im Auge behielt und verfolgte, ob das Mittel n seine Wirkung entfaltete:
„Ich Frage sehr ungern, aber glauben Sie auch, das wir hier einen Gott vor uns haben?“
Laufey lächelte:
„Natürlich. Das hoffe ich doch, sonst wäre es ja nicht mein Sohn.“
Dr. Kabinski schaute erstaunt auf:
„Er ist……oh. Entschuldigung. Ich wusste ja nicht……Ich kenne mich in der nordischen Mythologie nicht so aus.Das, was ich weiß, weiß ich nur von Dea und diese hat größtenteils nur über ihn hier gesprochen.“
Er zeigte auf Loki und Laufey lachte leise:
„Das ist kein Problem. Alles gut. Viele kennen uns nicht mehr. Leider.“
Das Monitoring wurde besser und Loki regte sich langsam. Er schlug die Augen auf und blinzelte müde. Dr. Kabinski berührte vorsichtig Lokis Wangen, um ihn richtig wach zu bekommen. In Loki regte sich sofort Abwehr und er versuchte  die Hand weg zuschlagen, war aber noch zu schwach dazu. Sein Schlag ging ins Leere. Mit sehr leiser Stimme kamen die Worte nur schwer  über seine Lippen:
„Nicht…..anfassen……Pfoten……weg!!!!!“

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