Vielleicht war es, weil Lyanna erst kurz zuvor wieder ihr Bewusstsein zurückerlangte, oder die kryptischen Worte des Großmaesters, dass sie nicht sofort begreifen konnte, was passiert war. Septa Mordane hingegen handelte schnell und scheuchte alle der Anwesenden bis auf Eddard Stark aus dem Raum, sogar König Robert. Mittlerweile verblasste das Surren in Lyannas Kopf, weshalb sie versuchte, sich aufzurichten. Vater legte ihr die vielen Kissen, die im Bett lagen, zurecht, sodass Lyanna sich an ihnen anlehnen konnte. Mittlerweile verblasste auch das Surren in Lyannas Kopf und sie fing langsam an, das Geschehene zu verarbeiten. Sie legte ihre Hand auf ihren Bauch und es war, als... Dieser Moment fühlte sich für Lyanna nicht an, als würde ihr ein Stein vom Herzen fallen. Nein, im Gegenteil. Es war, als würde jemand ihr einen Felsbrocken aufs Herz laden.
Insgeheim machte sie sich selbst Vorwürfe. Wusste sie in ihrem Unterbewusstsein die ganze Zeit über ihren Zustand Bescheid? Wieso schob sie ihr Unwohlsein und vor allem das Ausbleiben ihrer Monatsblutungen auf die Reise? Hätte sie früher handeln sollen, oder hätte sie anders handeln sollen?
Vater hatte ihr immer versprochen, dass sie ihr Leben selbst gestalten könnte, aber jetzt? Lyanna war unter anderen Umständen, sie trug ein Kind in sich, unter ihrem Herzen, sie war schwanger. Mit Jaime Lannisters Kind, ein Mann, der sich seinen Namen als Königsmörder bereits verdient hat, bevor Lyanna geboren wurde.
Immerhin ersparte sich Lyanna, ihm von ihrer Schwangerschaft mitteilen zu müssen, Ihrer Mutter und ihren Brüdern musste sie aber davon berichten. Auch Jon an der Mauer sollte davon erfahren, aber dafür war auch noch am nächsten Tag Zeit. Jetzt sollte sie sich erst einmal erholen und zumindest so weit zu Kräften kommen, um nicht länger die Gemächer des Königs zu beanspruchen.
Septa Mordane reichte Lyanna einen Becher Milch mit Honig, um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen, damit die Septa und Lord Eddard sie auf ihre eigenen Gemächer bringen konnten. Ned hingegen stand recht hilflos neben dem Bett, mit seiner Hand auf Lyannas Schulter gelegt. Er sah nicht viel anders aus als sonst immer, einzig die goldene Brosche der Hand des Königs, die an seine Brust geheftet war, war anders er als sonst zu Hause in Winterfell aussah. Die Hand und die Sorgen um Lyanna, die in sein Gesicht geschrieben waren, die er mit einem leichten Lächeln verstecken versuchte.
Alles Mögliche ging ihm durch den Kopf, vor allem der Gedanke, Lyanna noch einmal verlieren zu können. Während Männer meist ehrenvoll und pflichtbewusst am Schlachtfeld für ihre Lords und Könige kämpften und starben, mussten Frauen ihre Pflichten gegenüber ihren Ehemännern im Kindbett erfüllen. Im Kindbett, wo sie beten mussten, einen gesunden und kräftigen Sohn zu gebären und selbst nicht zu sterben, wie es Millionen vor ihnen bereits taten und noch sicher genauso viele tun werden. Beide versuchen ihre Pflicht zu tun, mit einem Unterschied. Niemand singt Lieder für eine Mutter, die im Kindbett verstorben ist, niemand preist eine solche Frau für ihr Durchhaltevermögen, für ihre Kraft, schon gar nicht, wenn eine Tochter geboren wird. Das, woran sich die Geschichte erinnert, ist der Mann, der sich eine neue Braut suchen muss, weil er vielleicht noch einen Erben braucht oder einfach nur, weil er es kann.
Jaimes Ansprüche an Lyanna würden möglicherweise nicht so hoch sein, zumal er selbst weder heiraten noch ein Kind zeugen wollte. Und wenn Tywin Lannister seinen Titel und seinen Reichtum nicht an eine Enkelin weitergeben wollen würde, hätte er immer noch mehrere Verwandte, einen Bruder, eine Schwester, einen Sohn, einen Enkel, und unzählige Vetter. Andererseits, würde Lyanna einen Jungen in sich tragen, würde der Löwe von Casterlystein vermutlich mit Freuden den ehelichen Nachkommen seines ältesten Sohnes und langzeitigen Erben als Nachfolger ansehen und in Anbetracht von Robert Baratheons Worten bei Lyanna und Jaimes Verlobung in Winterfell, könnte Letzterer selbst als Erbe für den Stein in Frage kommen.
Das alles waren Gedanken der Zukunft, in der Gegenwart war es vorrangig, Lyanna vorerst wieder auf die Beine zu bringen, damit sie sich dann in ihrem eigenen neuen Bett erholen konnte. Gestützt von der Septa und ihrem Vater wagte Lyanna mit vorsichtigen Schritten den Weg in ihre Gemächer, die sich im Turm der Hand befanden. Bereits die wenigen Stufen vor und nach den Gemächern des Königs stellten sich als eine kleine Herausforderung dar. Vor allem weil Robert selbst, die Königin und auch Jaime noch immer draußen vor der Tür standen, riss sich Lyanna zusammen. Kein Wort wurde gesprochen als Lyanna mit Hilfe von Septa Mordane und ihrem Vater sich an ihnen regelrecht vorbeiquälte. Als sie dann endlich an ihrem Ziel angekommen waren, reichte Lyannas Kraft gerade noch aus, dass sie sich bis auf ihr Unterhemd auszog, in ihr Bett legte und sofort einschlief. In der Zwischenzeit schrieb Ned eine Nachricht für einen Raben nach Winterfell, der nicht nur von der sicheren Ankunft in der Hauptstadt, sondern auch von Lyannas Umständen berichten sollte. Sansa und Arya nach dem Anblick ihrer älteren Schwester zu beruhigen und ihnen ihren Zustand zu erklären, war die Aufgabe der Septa.
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The Red Wolf of the North
FanfictionMein Name ist Lyanna, älteste Tochter des Lord Eddard Stark und Lady Catelyn Tully. Das ist meine Geschichte, die Geschichte des Roten Wolfes des Nordens."