Kapitel 31: Urteil durch Kampf

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Das Urteil durch Kampf, im Volksmund auch Götterurteil genannt, war ein uraltes Rechtssystem in Westeros. Es erlaubte einem Angeklagten, seine Unschuld durch einen Zweikampf zu beweisen. Anstatt eines traditionellen Gerichtsverfahrens wurde der Ausgang des Kampfes als göttliches Urteil betrachtet. Hierbei konnte der Angeklagte oder Ankläger entweder selbst kämpfen oder einen Vertreter benennen, der für ihn kämpfte. Der Sieger des Kampfes wurde als von den Göttern begünstigt angesehen und somit als im Recht betrachtet. Bereits als Tyrion auf Hohenehr gefangen war, bestand er auf ein Götterurteil. Als seinen Kämpfer benannte er damals zuerst Jaime. Weil dieser aber zu dem Zeitpunkt von den Starks beschäftigt wurde, trat Bronn für ihn ein und erkämpfte Tyrion sein Leben. Bei diesem Mal weigerte er sich aber. Dank Cersei war er nämlich mittlerweile nicht nur ein Ritter, sondern auch mit Lollys Schurwerth, einer Adeligen aus den Kronlanden, verlobt. Auch Jaime konnte aufgrund seiner Verstümmelung nicht für seinen Bruder kämpfen. Wegen dieser Absagen bereitete sich Tyrion bereits darauf vor, selbst zu kämpfen. Als Cersei jedoch Ser Gregor Clegane für ihre Seite auswählte, fand Tyrion einen unerwarteten Kämpfer, der es für ihn mit dem Berg aufnehmen wollte.

Es war Oberyn Martell, die Viper, selbst, der sich Tyrions Sache verschrieb. allerdings tat er es nicht für ihn, sondern für seine Schwester Elia und deren Kinder. Gregor Clegane war es nämlich der Elia bei der Plünderung von Königsmund vergewaltigte und tötete. Er ermordete ihre Tochter Rhaenys und ihren Sohn Aegon und wickelte die Leichen der Kinder in einen roten Lannister-Umhang, damit man das Blut nicht so sehr sehen konnte. Dafür wollte Oberyn Rache und Tyrions Götterurteil war dafür der beste Ausgangspunkt.

Binnen zweier Tage war der Duellplatz des Roten Bergfriedes für den kommenden Kampf vorbereitet worden. Ein Podium aus roten und goldenen Stoffbahnen wurde aufgebaut. Überall prangerte der brüllende Löwe der Lannisters. Der Hirsch der Baratheons, die durch Tommen Königsmund regierten, war nur auf einigen Bannern zu sehen, doch mit Roberts Tod und den darauffolgenden Rebellionen geriet der Hirsch von Sturmkapp immer mehr in Vergessenheit und wurde durch Das Rot und Gold von Casterlystein immer mehr verdrängt. Würde man sich ohnehin nicht schon erzählen, dass Cerseis Kinder nicht von Robert, sondern von Jaime gezeugt wurden, hätten Joffrey und Tommen wohl nicht als Baratheons, sondern als Lannisters regiert.

Die Tribünen um den Duellplatz waren allesamt voll. Jeder wollte den Kampf zwischen der Viper und dem Berg miterleben und sich mit ein wenig Glück durch Wetten die ein oder andere Münze verdienen. Auch Lyanna sah zu, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Schaulustigen hoffte sie auf Oberyns und damit auch Tyrions Sieg.

Zuerst führte man Tyrion in Handschellen vor, dann betraten die beiden Kämpfer den kreisrunden Platz. Der Dornische hatte einen Speer als Waffe gewählt. Außerdem trug er nur eine leichte Lederrüstung, eine Kombination, die ihm im ersten Blick einen Vorteil verschaffen konnte. Clegane trug nämlich eine schwere Plattenrüstung und führte ein Großschwert. Oberyn war somit nicht nur wendiger, sondern konnte durch das leichtere Gewicht auch länger in der doch noch warmen Herbstsonne aushalten. Obwohl, für einen Prinzen von Dorne wäre die Hitze wohl das geringste Problem.

Der Kampf begann. Während der Berg Schlag für Schlag nach Oberyn mit dem Schwert ausholte, schaffte dieser es, immer wieder auszuweichen. Stattdessen machte er sich die Reichweite seines Speeres zunutze. Es war, als würde Oberyn einen Tanz aufführen. Jeden seiner Schritte machte er mit solcher Eleganz, dass sich Cersei schon bald vor dem Ausgang des Duells fürchten musste. Auch Oberyns Geliebte Ellaria Sand schien von seiner Leistung entzückt und angeregt. Alles schien danach, als würde Tyrion als freier Mann in den Bergfried zurückkehren, doch dann wendete sich das Blatt.

Gerade weil Oberyn die Oberhand gewonnen hatte, ließ er sich immer mehr von seinem Rachegedanken leiten. Als der Berg zu Boden stürzt, konfrontiert er ihn mit seinen Taten. Er beschreibt ihm mit jedem Detail, was er seiner Familie angetan hatte. Oberyn wollte sein Geständnis hören, bevor er ihn tötete, doch in seiner Besessenheit von diesem Schuldeingeständnis nutzte Gregor Clegane seine Chance. Er zerrte den Prinzen von Dorne zu Boden und kniete sich über ihn. Er vergrub seine Daumen in Oberyns Augenhöhlen und gestand seine Taten. Ellaria schrie fürchterlich, als der Berg Oberyns Kopf mit bloßen Händen zerdrückte und Blut und Hirnmasse auf dem Boden verteilt wurden. Doch dann sank auch Gregor Clegane neben ihm zu Boden. Die Viper hatte seinen Speer mit einem Gift benetzt, weshalb nun auch der Berg im Sterben lag. Es war ein grausames Bild, für Tyrion bedeutete es aber trotzdem den Tod, denn Oberyn war ohne Zweifel bereits verschieden. Wachen brachten ihn deshalb wieder ins Verließ, wo er auf seinen Tod warten sollte, der für den nächsten Tag geplant war.

Dazu sollte es jedoch nie kommen. Lyanna brachte gerade Julen ins Bett, als Jaime aufgewühlt zu ihr kam.

„Ich habe Tyrion befreit, er ist jetzt mit Varys auf dem Weg nach Essos", beichtete er ihr.

Lyanna rechnete bereits mit einer solchen Tat, denn auch wenn Jaime als Königsmörder bekannt war und in der Vergangenheit nicht immer die besten Entscheidungen getroffen hatte, war er ein guter Mensch, der seine Familie und damit auch Tyrion beschützen würde. Das war es auch, was Lyanna an ihm schätzte und weshalb sie ihn als guten Freund bezeichnen konnte. Noch bevor sie auf Jaimes Geständnis reagieren konnte, schlug jemand die Tür auf. Ein Mann in der roten Rüstung der Lannisters trat herein und verbeugte sich vor den beiden.

„Verzeiht Mylord, Mylady. Der Gefangene ist ausgebrochen und hat Mylord Tywin, die Hand des Königs, getötet."

The Red Wolf of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt