Kapitel 50: Spottdrossel

3 0 0
                                    

Nachdem Jon auf Drachenstein erreicht hatte, dass Daenerys ihm erlaubte, Drachenglas abzubauen, war eine Verhandlung zur Waffenruhe mit Cersei sein nächstes Ziel. Um sie aber von der Bedrohung durch die Armee der Untoten zu überzeugen, beschlossen sie, einen Wiedergänger zu fangen und zu ihr nach Königsmund zu bringen. Während sich Jon mit einigen Gefährten auf den Weg zu Mauer machte, um diese Expedition zu starten, hielten Lyanna und Sansa weiterhin für ihn den Norden. Hierbei musste Sansa recht schnell zugeben, wie selbstbewusst Lyanna mit ihrer Rolle umging. Sie schien immer genau zu wissen, was zu tun war und wer es wie und wann erledigen sollte. Ungeachtet dessen, dass Jon sie beide ausgewählt hatte, um den Norden zu regieren, trat Sansa immer mehr in den Hintergrund und überließ Lyanna freiwillig die Hauptverantwortung. Sie befolgte lieber Befehle, als sie zu erteilen und dementsprechend dafür zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Dass Lyanna innerlich genauso unsicher und teilweise verzweifelt war, wie Sansa, war wusste diese nicht. Lyanna konnte ihre Ängste und Sorgen einfach schon immer am besten kaschieren.

Lyanna kam gerade von einer Besprechung mit Maester Wolkan, als sie von Petyr Baelish, den man auch Kleinfinger nannte, aufgehalten wurde. Er bat darum, sie im Vertrauen sprechen zu können, weshalb sie mit ihm ins nächste leere Zimmer ging. Er schien äußerst besorgt zu sein, denn er spielte die ganze Zeit mit dem Ring, der an seinem rechten Zeigefinger steckte. Irgendwie kam er ihr unheimlich vor, doch immerhin war er derjenige, der Sansa aus Königsmund befreite und sie bei ihrer Tante Lysa in Sicherheit brachte. Also schenkte sie ihm Gehör, auch wenn er anfangs herumstammelte und keinen geraden Satz herausbrachte.

Kleinfinger begann, von seiner Kindheit zu erzählen, die er mit Catelyn und Lysa auf Schnellwasser verbrachte. Er gab vor Lyanna zu, schon immer in ihre Mutter verliebt gewesen zu sein, weshalb er Brandon Stark auch damals zu einem Duell herausgefordert hatte, um ihre Hand zu gewinnen. Eine Narbe von der Brust bis zum Nabel sollte ihn für immer daran erinnern. Er behauptete außerdem auch, dass er ihrer Mutter geholfen hatte, unentdeckt zu bleiben, als diese nach dem versuchten Attentat auf Bran in die Hauptstadt gereist war. Er wollte noch weitererzählen, doch dann bat ihn Lyanna, endlich zum Punkt zu kommen.

Dass das für jemanden wie ihn nicht immer einfach sein würde, erfuhr Lyanna ein wenig später. Zuerst gab Kleinfinger nämlich an, dass er bereits in der Vergangenheit immer ihre Familie unterstützt habe und dass er immer das Beste für Cats Töchter wollte, dann wurde er ernster.

„Lyanna, verzeiht meine Direktheit, aber so wie Lord Varys sein Netzwerk aus kleinen Vögelchen hatte, beobachte auch ich gerne, was um mich geschieht und ich habe einige besorgniserregende Dinge aufgeschnappt."

Lyanna wurde hellhörig. Sie wusste schon, dass einige Lords nicht damit einverstanden waren, dass Jon zu Daenerys reiste. Nie hätte sie sich aber vorstellen können, dass deshalb eine Art Rebellion im Norden entstehen könnte, selbst als die Umbers ihre Befehle missachteten, hätte sie sich das nie gedacht. Kleinfinger meinte aber etwas komplett anderes.

„Ich habe zufällig belauscht, wie sich Eure Schwestern darüber unterhielten, dass Ihr Eurer Position nicht würdig seid. Lady Arya bezeichnete Euch als Verräterin an Eurem eigenen Blut und bezichtigte Euch, mit Cersei unter einer Decke zu stecken. Lady Sansa stimmte dem zu, fürchte ich. Außerdem hat sie behauptet, dass Ihr Euch nach der Abreise Eures Bruders den Norden unter den Nagel gerissen habt, um sie alle zu hintergehen."

Petyr Baelish riet Lyanna außerdem, sofort mit ihrem Sohn und den Lannisters, die sie mit sich brachte, aus dem Norden zu verschwinden. Er fürchtete nämlich um ihr Leben, das er Catelyn versprochen hatte, zu beschützen. Er bot ihr sogar an, ihr einige Ritter aus dem Tal von Arryn, dessen Lord Protektor er war, für ihre Flucht bereitzustellen, doch Lyanna lehnte ab. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie seinen Worten Glauben schenken sollte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie ihre Schwestern so hintergehen würden.

Dass Arya manchmal impulsiv sein konnte, wusste sie aus Kindertagen, doch Arya wusste genauso, dass Lyanna damals keine Wahl hatte, außer Jaime zu heiraten. Und bei Sansa hatte sie zuletzt den Eindruck, als wäre sie froh darüber, dass sich Lyanna um die komplexeren Aufgaben kümmerte, doch könnte sie sich bei all dem geirrt haben?

Wenn sie eines wusste, dann das man in einer Familie keine Geheimnisse haben sollte, deshalb stellte sie ihre Schwestern zur Rede. Wenig später wurde ganz Winterfell in den großen Saal zusammengerufen. Sansa, Lyanna und Bran saßen am großen Tisch vor dem Kamin und Arya stand ihnen im Saal gegenüber. Man merkte es vor allem Sansa an, dass sie von dem, was kommen sollte, angewidert war. Trotzdem eröffnete sie diese Zusammentreffen.

„Die Anklage lautet auf Hochverrat und Mord. Wie bekennt ihr Euch...", konfrontierte sie die Anwesenden im Saal, „Lord Baelish?".

Kleinfinger schien nicht damit gerechnet zu haben. Er glaubte, wie auch die anderen, dass diese Zusammenkunft Arya verschuldet hätte, weshalb er in dem Moment keine Worte fand und stattdessen nur vor sich her stammelte.

„Beginnen wir mit dem einfachsten. Ihr habt unsere Tante Lysa Arryn aus dem Mondtor in ihren Tod gestoßen, um die Macht im Grünen Tal zu übernehmen. Leugnet ihr das?", fragte Sansa mit scharfer Zunge.

Natürlich versuchte er sich herauszureden. Er versuchte damit zu argumentieren, dass Lysa geistige Probleme hatte und er sie nicht in den Tod stieß, sondern sie sogar versuchte, davon abzuhalten. Nur glauben wollte ihm das niemand. Als er das erkannte, wollte er Lord Rois befehlen, ihn als Lord Protektor wieder wohlbehalten ins Grüne Tal zu bringen, doch der weigerte sich, seine Befehle zu befolgen.

„Zum Verrat an unserem König und Bruder Jon und den Männern, die mit ihm in der Schlacht der Bastarde kämpften. Ihr habt vor unserem Cousin, Robin Arryn, verheimlicht, dass wir ihn um Hilfe gebeten haben, genauso wie ihr vor Jon und Sansa geheim gehalten habt, dass Verstärkung auf dem Weg zu ihnen war, weshalb sie die Schlacht beinahe verloren hätten. Leugnet ihr das?", konfrontierte ihn Lyanna.

„Zum Verrat an unserer Mutter, an unserem Vater und an unserer Tante. Ihr überredetet unsere Tante, ihren Mann mit Tränen von Lys zu vergiften und unserer Mutter zu schreiben, die Lannisters hätten ihn getötet. Ihr habt einen Attentäter geschickt, der Bran töten sollte."

„Mit einem Dolch aus valyrischem Stahl, von dem ihr später behauptet habt, er würde Tyrion Lannister gehören, was Euch zum wahren Grund für den Krieg zwischen unseren Familien macht", fügte Arya zu Sansas Anschuldigung hinzu.

„Ihr habt unserem Vater nach König Roberts Tod Hilfe versprochen, doch ihr hab ihn betrogen, weshalb er wie ein Hochverräter eingesperrt wurde und seinen Kopf verlor. Leugnet ihr das?", beschuldigte ihn Lyanna.

-"Keiner von euch war da, keiner von euch kennt die Wahrheit, niemand hat etwas davon gesehen", versuchte er sich zu retten.

„Ihr habt ihm ein Messer an die Kehle gehalten und ihm gesagt, Ihr hättet ihn gewarnt, Euch nicht zu vertrauen", konterte Bran, der als Dreiäugiger Rabe die Fähigkeit besaß, Dinge aus der Vergangenheit und Gegenwart zu sehen.

„Ihr wendet Familien und Geschwister gegeneinander auf, wie Ihr es auch mit uns tun wolltet. Ihr sagtet mir einst, ich wäre eine langsame Lernerin. Das ist vielleicht wahr, aber im Gegensatz zu Euch lerne ich aus meinen Fehlern. Ich bedanke mich für die vielen Lektionen, die ihr mir beigebracht habt, ich werde sie nie vergessen", meinte Sansa.

Als Kleinfinger das hörte, sah er, wie die Schlinge sich immer weiter zuzog. Er versuchte sich zu retten, indem er Sansa seine Liebe gestand und sie anflehte, ihn gehen zu lassen. Sansa blickte stattdessen zu ihrer Schwester Lyanna, die ihr zustimmend zunickte. Während Kleinfinger vor ihnen kniete, schlitzte Arya ihm von hinten die Kehle durch. Mit seiner Hand versuchte er sich die Wunde zuzuhalten, während er versuchte, zu sprechen, doch dann schlug er mit dem Gesicht auf dem Boden auf und Blut sammelte sich um ihn. Soldaten brachten seinen Körper weg, um ihn zu verbrennen, als Maester Wolkan mit einer Nachricht für Lyanna zu ihr kam.

Ein Rabe brachte Kunde von Jon aus Drachenstein. Er hatte vor Daenerys das Knie gebeugt uns befände sich mit ihrer Armee auf dem Weg nach Winterfell.

The Red Wolf of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt