Kapitel 39: Ein Flüstern im Wind

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Eines Tages verlangte Ser Garret nach Lyannas Anwesenheit im Kartenraum. Dort plante er gerade die von Lyanna angeordneten Verteidigungsmaßnahmen gegen die Eisenmänner. Auch die Gefahr vom Süden ließ ihm keine Ruhe. Als Lyanna den Raum betrat, war sie sprachlos. Sie erwartete eigentlich von einem Kartenraum nicht viel, eigentlich nur einen Holztisch mit einer vergilbten Karte darauf, wie sie es von Winterfell kannte, doch Haus Lannister war anders.

Der Kartenraum war ein eindrucksvolles und prachtvolles Beispiel für den Reichtum und die Macht der Lannisters. Er war ein Raum von enormer Größe, vergleichbar mit den königlichen Gemächern im Roten Bergfried. Die hohen Decken gaben dem Raum eine erhabene Atmosphäre, und die Wände waren vollständig mit hohen, massiven Regalen verkleidet, die eine beeindruckende Sammlung von Schriftrollen und Büchern beherbergten. Diese Regale, gefertigt aus dunklem, schwerem Holz, wirkten majestätisch und waren kunstvoll verziert mit feinen Schnitzereien, die Geschichten aus der Vergangenheit der Lannisters erzählten.

Im Zentrum des Raumes befand sich ein imposanter Tisch aus poliertem weißen Granit. Der Tisch war makellos glatt und spiegelte das Licht, der Kerzenleuchter. Doch die Karten, die der Raum beherbergte, lagen nicht auf diesem Tisch. Stattdessen waren sie kunstvoll und dauerhaft auf den Boden links und rechts vom Tisch gemalt. Die Karte der Westlande auf der einen Seite zeigte jedes Tal, jede Flussbiegung und jede Burg in akribischer Detailtreue, während die andere Karte ganz Westeros abbildete. Diese Karte war so groß, dass das Götterauge länger war als Lyannas Füße.

Die Karten selbst waren ein Meisterwerk, das Handwerkskunst und strategisches Genie vereinte. Kleine Fahnenstangen, die Lyanna bis zu den Knien reichten, markierten die Stammsitze der großen Häuser. Diese Fahnenstangen waren aus fein poliertem Holz gefertigt, mit Flaggen, die die Wappen der jeweiligen Häuser trugen. Neben diesen Fahnen waren geschnitzte Holzfiguren platziert, die etwa die Größe von zwei Fäusten hatten. Diese Figuren stellten Truppen oder Schiffe dar und wurden genutzt, um Truppenbewegungen oder Schlachtpläne darzustellen. Jede Figur war individuell gestaltet und trug die Merkmale der Armeen, die sie repräsentierte.

Die Westland-Karte enthielt eine detaillierte Legende, in der die Wappen aller westlichen Häuser aufgeführt waren, von den prunkvollen goldenen Kränzen des Hauses Algood bis zu den zwei bronzenen Hellebarden und den vier roten Diamanten des Hauses Yarwyck. Selbst die Wappen ausgestorbener Häuser waren noch in der Legende verewigt, eine stumme Erinnerung an die Vergänglichkeit selbst großer Namen.

Während Ser Garret, der mittlerweile Lyannas engster Vertrauter war, ihr seine Pläne erklärte, erhielt Lyanna Nachrichten aus Essos. Tyrion, dem Jaime zur Flucht verholfen hatte, war gemeinsam mit Varys über die Meerenge gesegelt und schließlich am Hof von Daenerys Targaryen in Meereen angekommen. Sogar zur Hand der Königin hatte man ihn ernannt.

„Außerdem", meinte der Dienstbursche, „gibt es Gerüchte im Norden, die Mylady interessieren könnten".

Sofort wurde Lyanna hellhörig. Was könnte dort nur vor sich gehen? Stannis war besiegt, seither schien dort alles friedlich zu sein.

„Roose Bolton soll von Feinden vergiftet worden sein, gemeinsam mit seiner Frau und dem Neugeborenen. Ramsay Bolton ist jetzt der neue Lord von Winterfell, Mylady. Einige Stimmen behaupten aber, er hätte seine Familie selbst umgebracht. Man sagt sich außerdem, dass er einen Eurer Brüder in seiner Gewalt hätte."

Einen ihrer Brüder? Unmöglich, Robb starb bei der Roten Hochzeit und Theon tötete Bran und Rickon, als er Winterfell eroberte. Selbst Jon war tot. Und selbst wenn Ramsay jemanden gefunden hätte, den er für einen ihrer Brüder ausgeben konnte, jeder Stark bedeutete für ihn und seinen Anspruch auf den Norden eine Gefahr.

„Noch etwas?", fragte Lyanna neugierig, woraufhin der Mann kurz nachdachte und dann unsicher nickte.

-"Es ist nicht mehr als ein Gerücht, Mylady. Ser Alliser Thorne, der neue Lord Kommandant der Nachtwache hat immerhin den Tod seines Vorgängers bestätigt, aber... Verzeiht, man sagt sich, dass der Bastard Eures Vaters überlebt hat."

Jon hatte also eine Meuterei auf der Schwarzen Festung überlebt? Hatte Ramsay also ihn in seiner Gewalt? Irgendwie ergab das alles keinen Sinn. Es hieß immerhin, Jon sei mehrmals erstochen worden und man hätte seine Leiche verbrannt. Trotz all dieser Verwirrung musste Lyanna erst einmal der Verteidigung der Westlande ihre volle Aufmerksamkeit schenken, denn bald hätten die Eisenmänner ihren Königsthing abgeschlossen und einen neuen König gewählt, der mit seiner Eisernen Flotte Küstenstädte des gesamten Kontinents terrorisieren konnte.

The Red Wolf of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt