Kapitel 20: Ein Todesurteil

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Lord Tywin, der nun anstelle seines Sohnes Tyrion das Abzeichen der Hand selbst trug, zog eine recht ernste Miene auf, während er sich Wein in einen Becher goss und Lyanna mit Julen betrachtete.

„Ich nehme an, Ihr wisst bereits, dass Theon Graufreud Winterfell erobert hat und Eure Brüder dort als Geiseln hält".

Natürlich wusste sie es. Theon, der für sie wie ein Bruder war. Niemals hätte sich Lyanna vorstellen können, dass er zu solchen Taten fähig wäre, dass er jemals die hintergehen konnte, die ihn unter sich aufnahmen und als Teil ihrer selbst aufzogen. Früher empfand Lyanna Mitgefühl mit Theon. Er war noch so jung, als seine Brüder starben und er seine Heimat verlassen musste, doch mittlerweile wünschte sie sich seinen Tod. Als Verräter hätte man ihn köpfen sollen. Wer weiß, vielleicht würde Robb diese Ehre noch zu Teil werden.

„Dann habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht für Euch. Seine eigenen Männer haben gegen ihn gemeutert, zuvor aber hat er es geschafft, Eure Brüder, die geflohen waren, zu finden. Er hat sie getötet und soll ihre verbrannten Körper an den Mauern aufgehängt haben", erklärte Tywin.

Eigentlich hätte Lyanna von dieser Nachricht schockiert sein sollen, doch tief in ihrem Herzen wusste sie vielleicht schon, dass dieser Krieg nicht anders enden würde. Das Einzige, was für sie zählte, war, Julen und Sansa in Sicherheit zu wissen. Lyanna musste sich eingestehen, dass sie dem Rest ihrer Familie nie helfen könnte, so sehr sie es auch versuchen würde. Robb war auf sich allein gestellt und Arya, wo immer sie auch war, ebenso. Nur Sansa, die nicht mehr den Schutz der Verlobung mit Joffrey genoss, konnte sie in Sicherheit bringen. Sansa und ihren Julen. Und je länger sie ihn ansah, seine kleine Nase, die geschlossenen Augen und die zarten rosa Lippen, desto klarer wurde ihr, dass mit seiner Geburt das Urteil über Robb und seine Sache gefällt wurde.

„Ich möchte Euch um etwas bitten, Mylord", sagte Lyanna mit bedrückter Stimme, woraufhin Tywin hellhörig wurde, „Wenn es so weit ist, und ich weiß, dass es nicht mehr lange dauern wird, soll Sansa es von mir erfahren und nicht von Joffrey. Schon gar nicht von Joffrey."

Tywin Lannister sah Lyanna verwundert an, er wusste nicht, wovon sie sprach, doch es machte ihn neugierig.

„Meine Brüder Bran und Rickon sind tot, Jon ist ein Bastard und Bruder der Nachtwache. Ich bin die älteste Tochter meines Vaters und ich habe einen Sohn - einen Lannister. Sobald also Robb stirbt, bin ich die rechtmäßige Lady von Winterfell und dann könnt Ihr Julens Anspruch durchsetzen. Auf den Norden und für den Fall auch auf Casterlystein. Ihr brauchtet einen Stark, denn nur ein Stark kann den Norden halten, deswegen lebt Robb noch, aber ich habe Euch den Schlüssel zum Sieg geschenkt", gab Lyanna zu, während eine einzige Träne über ihre Wange lief.

Und damit hatte sie Recht, was sogar Tywin Lannister zugeben musste. Die Nordmänner waren ein stures Volk, das nie einen Südländer als Herrscher akzeptieren würde. Durch Julen hätten die Lannisters den Norden regieren können, doch dafür stand ihnen noch Robb im Weg. Robb, den seine Männer wohl nicht einfach hintergehen würde. Nein, dafür hätte es einen wertvollen Anreiz und einen passenden Anlass gebraucht. und nachdem mit Stannis Baratheon ein weiterer König im Krieg der Fünf Könige geschlagen wurde, schien es passend, bald noch einen zu vernichten.

Lord Tywin überlegte kurz, dann stimmte er Lyannas Bitte, zumindest für ihre Schwester der Unglücksbote zu sein, zu. Er betrachtete Lyanna und seinen Enkelsohn noch eine Weile, bevor er den Becher austrank und zur Tür ging.

„Übrigens, meine Glückwünsche zu Eurem Sohn, Lyanna Lannister", sagte er, bevor er die Tür hinter sich zuzog.

Auch wenn sie es nicht gerne hörte, stimmte was er gesagt hatte. Lyanna war nun offiziell eine Lannister. Sie war nicht mehr nur die Frau eines Lannister, sondern die Mutter eines Lannister. Jeder, der Casterlystein schaden wollen würde, war nun auch für sie und ihren Sohn eine Bedrohung und bei einem war sie sich sicher: Niemals würde sie zulassen, dass Julen etwas passieren würde. Mit ihrem Leben würde sie ihn beschützen, auch wenn sie allein gegen eine ganze Armee kämpfen müsste. Für Julen würde sie alles tun. Doch Julen war nicht der einzige, der ihre Hilfe brauchen würde. Sansa brauchte die Hilfe ihrer großen Schwester jetzt vielleicht mehr denn je zuvor.

Auch wenn dieser es vielleicht nie zugeben würde, sah Lord Tywin Lyanna zuvor mit Bewunderung an. Nicht nur wegen Julen, wie Lyanna hoffte. Möglicherweise könnte sie ihn davon überzeugen, für Sansa einen Ehemann zu finden. Den Sohn irgendeines Lords aus dem Süden vielleicht. Einen guten Mann, der sie auf seinen Familiensitz weit weg von der Hauptstadt bringen würde und ihr dieselbe Freude ermöglichen könnte, die Lyanna spürte, während sie Julen im Arm hielt und ihn beim Schlafen beobachtete.

The Red Wolf of the NorthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt