Der Himmel war von dunklen, bedrohlichen Wolken übersät, die sich wütend drehten, als ob die Götter selbst zornig wären. Ich lehnte mich an die Motorhaube von Kates Pickup, meine Augen verengten sich beim Blick auf den Horizont, wo sich die dunkle Linie des Tornados gerade verzogen hatte. Das war es, wofür Kate lebte – die Spannung der Verfolgung, die rohe Kraft der Natur. Aber ich war immer die Vorsichtige gewesen, hatte nie ganz verstanden, was meine Schwester an diesen Stürmen so faszinierte – bis heute. "Ruka!" Kates Stimme riss mich aus meinen Gedanken, während sie zum Truck zurückhetzte. "Wir müssen los, sofort! Die Zelle verschiebt sich." Ich nickte und kletterte auf den Beifahrersitz. Mein Herz pochte im Rhythmus des Donners, der in der Ferne grollte. In dem Moment, als Kate den Schlüssel umdrehte, brüllte der Motor auf, und sie raste die schmale Landstraße entlang, auf der Jagd nach einem Sturm, der in seiner Wildheit fast mythisch erschien. Doch meine Gedanken waren nicht nur bei dem Tornado. Sie waren bei dem Mann, den ich heute in der improvisierten Basis getroffen hatten, wo sich die Sturmbekämpfer für den Tag vorbereiteten. Tyler Owens, mit seinen scharfen grünen Augen und einem Lächeln, das mir den Atem raubte, hatte kaum ein Wort mit mir gewechselt, aber ich hatte es gespürt – eine elektrische Spannung in der Luft, so mächtig wie der Sturm selbst. "Augen auf die Straße," neckte Kate, als sie, meinen verträumten Blick bemerkte. "Denkst du an den Sturm oder an etwas anderes?""Nichts," murmelte ich, doch die Hitze, die mir in die Wangen schoss, verriet mich. Kate lachte, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Straße gerichtet. "Sei einfach vorsichtig. Das hier ist kein Spiel." Meine Gedanken drifteten zurück zu Tyler. Er war nur ein weiterer Sturmjäger, aber irgendetwas an ihm zog mich an, als wären wir dazu bestimmt, inmitten des Chaos aufeinanderzutreffen. Wir hatten Nummern ausgetauscht, bevor Kate mich weggezogen hatte.
Später am Abend, nachdem die Stürme sich gelegt hatten, fand ich mich alleine am Rand eines Feldes wieder. Die Anspannung des Tages summte noch in meinen Nerven. Der Duft von nasser Erde und Ozon lag schwer in der Luft. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich hier alleine antreffen würde." Die Stimme war tief, und als ich mich umdrehte, sah ich Tyler ein paar Schritte entfernt stehen, die Hände in die Taschen seiner Jacke gesteckt. "Ich brauchte etwas frische Luft," antwortete ich, meine Stimme leiser als sonst. Tyler trat näher, der Wind spielte mit seinen zerzausten Haaren. "Verrückter Tag, oder?""Ja," sagte ich, unfähig, ihm in die Augen zu sehen. "Es war... intensiv." Tyler lachte leise. "Das ist es, was uns immer wieder zurückbringt. Der Nervenkitzel, die Unberechenbarkeit.""Ist das der Grund, warum du es machst?" fragte ich und schaute endlich zu ihm auf. "Für den Nervenkitzel?" Tylers Gesichtsausdruck wurde ernst. "Zum Teil. Aber es geht auch darum, etwas Größeres als sich selbst zu verstehen, weißt du? Der Sturm... er ist unkontrollierbar, aber wenn man ihn vorhersagen kann, auch nur ein bisschen, fühlt es sich an, als wäre man Teil von etwas Großem." Ich nickte, mehr verstehend, als ich erwartet hatte. Es war wie das Gefühl, das ich hatte, wenn ich bei ihm war, obwohl sie sich gerade erst kennengelernt hatten – ein Ziehen, eine Kraft, die ich nicht kontrollieren konnte. Wir standen eine Weile schweigend da, die Nacht hüllte uns wie eine Decke ein. Dann streckte Tyler die Hand aus und strich sanft eine Haarsträhne hinter mein Ohr. "Da ist etwas an dir, Ruka. Ich habe es gespürt, in dem Moment, als ich dich gesehen habe." Mein Atem stockte. Ich wollte etwas sagen, irgendetwas, aber die Worte blieben in meinem Hals stecken. Stattdessen schloss ich die Distanz zwischen uns, stellte mich auf die Zehenspitzen und presste meine Lippen auf seine. Der Kuss war anfangs sanft, zögerlich, wie die Ruhe vor dem Sturm. Aber bald vertiefte er sich, die Intensität zwischen uns wuchs, bis es mir alles abverlangte, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Es fühlte sich an, als würden wir von einem Wirbelwind erfasst werden, unfähig und unwillig, ihn zu stoppen. Als wir uns schließlich voneinander lösten, waren wir beide atemlos. Tyler lehnte seine Stirn an meine, seine Stimme rau vor Emotion. "Es ist mir egal, was andere sagen, Ruka. Ich will sehen, wohin das führt." Leicht nickte ich, mein Herz schlug mit derselben ungestümen Energie, die die Stürme antrieb. "Ich auch" hauchte ich leise.
Wochen vergingen, und unsere geheimen Treffen wurden zum Höhepunkt von meinen Tagen. Der Nervenkitzel des Sturms war nichts im Vergleich zum Nervenkitzel, bei Tyler zu sein. Aber wir beide wussten, dass es nicht ewig so weitergehen konnte. Kate, die immer auf mich achtete, hatte begonnen, meine Abwesenheiten zu bemerken, das seltsame Verschwinden zu ungünstigen Zeiten. "Wo warst du?" forderte Kate eines Abends nach einem langen Tag des Sturmjagens. "Du benimmst dich seltsam." Ich zögerte, entschied mich dann jedoch, die Wahrheit zu sagen. "Ich habe jemanden getroffen. Tyler um genau zu sein" Kates Augen weiteten sich vor Schock, der schnell in Wut überging. "Tyler Owens? Ruka, das kann nicht dein Ernst sein. Er ist gefährlich – dieses Leben ist gefährlich!""Du bist die Letzte, die das sagen sollte!" schoss ich zurück. "Du jagst Tornados für deinen Lebensunterhalt, Kate!""Das ist etwas anderes," beharrte Kate. "Es geht um dein Herz. Und... wenn etwas passiert—""Etwas ist bereits passiert," unterbrach ich sie, Tränen stiegen in meine Augen. "Ich bin schwanger." Das Schweigen, das folgte, war ohrenbetäubend. Kates Gesicht wurde blass, und für einen Moment dachte ich, sie könnte ohnmächtig werden. "Du... du bist schwanger?" flüsterte Kate schließlich, ihre Stimme bebend. Leicht nickte ich, unfähig, die Tränen länger zurückzuhalten. "Ja. Und ich liebe ihn, Kate. Ich liebe Tyler." Kates Gesicht verhärtete sich. "Das hier ist kein Spiel, Ruka. Du kannst nicht einfach mit jemandem davonlaufen, weil du verliebt bist. Du hast Verantwortung—""Das weiß ich!" rief ich, die Tränen liefen über mein Gesicht. "Aber ich kann nicht hier bleiben und in Angst leben, was vielleicht passieren könnte. Ich muss bei ihm sein, Kate. Wir müssen eine Familie sein." Kates Augen weichten ein wenig auf, aber die Angst und der Ärger waren noch da. "Und wenn er dich verlässt? Wenn etwas passiert? Dann bist du ganz allein, Ruka.""Dann ist das ein Risiko, das ich bereit bin einzugehen," sagte ich leise. "Aber ich kann nicht hierbleiben und zulassen, dass du oder irgendjemand sonst über mein Leben entscheidet."
Ich und Tyler planten, noch in derselben Nacht zu gehen, um irgendwo weit weg von den Stürmen ein neues Leben zu beginnen, wo wir unser Kind in Frieden großziehen konnten. Aber als ich Tyler am Stadtrand traf, war Kate auch dort. "Ich bin nicht hier, um dich aufzuhalten," sagte Kate, ihre Stimme angespannt. "Ich musste nur... Ich musste dich gehen sehen. Sichergehen, dass es dir gut geht." Ich spürte einen Kloß im Hals, mein Herz war zerrissen zwischen meiner Schwester und dem Mann, den ich liebte. "Kate...""Versprich mir nur, dass du vorsichtig bist," unterbrach Kate mich. "Versprich mir, dass du glücklich wirst." Ich nickte, die Tränen liefen mir über die Wangen. "Das verspreche ich." Wir umarmten uns fest, in dem Wissen, dass dies vorerst ein Abschied war. Aber ich wusste auch, dass egal, wohin ich ging, Kate immer ein Teil meines Lebens sein würde, genauso wie Tyler und unser ungeborenes Kind. Und als wir davonfuhren, der Himmel noch immer schwer von der Erinnerung an den Sturm, fühlte ich zum ersten Mal Frieden. Ich ging ins Unbekannte, aber zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich keine Angst.
Denn ich war nicht mehr allein.
~1257 Wörter~
Der OS ist für JeonBelle_295
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One Shots nach Lust und Laune 5.0
FanfictionHallo zusammen, das ist schon mein fünftes One Shot Buch und sozusagen die Fortsetzung vom ersten, zweiten, dritten und vierten Buch. Da ich gerne schreibe und das meistens nie in eine richtige Story endet dachte ich mir das ich ein One Shot Buch ma...