Ich stand am Fenster und schaute hinaus auf die Straßen von Los Angeles. Der Blick auf die Stadt war beeindruckend, doch meine Gedanken waren woanders – bei der Frau, die ich gerade betreute. Mrs. Bradford lag in ihrem Bett, dünn und schwach, aber mit einem Funkeln in ihren Augen, das nicht verblasst war, trotz der vielen Jahre und der schmerzlichen Erinnerungen, die sie mit sich trug. "Laura?" fragte sie "Hast du schon einmal darüber nachgedacht, meine Kinder nochmal zu kontaktieren?" Ich seufzte leise. Das war der Grund, warum ich hier war, nicht nur, um zu helfen, sondern auch um die Lücken zu schließen, die ihre Abwesenheit in der Familie hinterlassen hatte. "Ich kann das gerne nochmal versuchen, Mrs. Bradford, aber die Sache ist kompliziert""Ich weiß" flüsterte sie und schaute mich an, als würde sie mein Mitgefühl erbitten. "Aber ich will nicht, dass sie mich so in Erinnerung behalten. Ich habe so viele Fehler gemacht." Ich nickte, und in meinem Herzen wusste ich, dass es an der Zeit war, den ersten Schritt zu tun. Ein paar Tage später nahm ich all meinen Mut zusammen und kontaktierte Tims Schwester, Gennifer. Als ich ihr von meinem Vorhaben erzählte, war sie offen und verständnisvoll. Doch als ich Tim ansprach, war seine Reaktion ganz anders.
Als ich an die Tür klopfte, wusste ich nicht, wie dieser Moment enden würde. Tim Breadfort war nicht gerade bekannt für seine Geduld oder seine Vergebung. Als ich seine Mutter, Carol, kennenlernte, hatte ich keine Ahnung, wer sie früher war – wer sie für ihre Kinder gewesen ist. Für mich war sie einfach nur eine kranke Frau, die in ihren letzten Tagen nach Frieden suchte. Die Tür öffnete sich. Tim sah mich an, die Stirn in Falten gelegt. Er erkannte mich sofort, wahrscheinlich weil ich ihn bereits einmal aufgesucht hatte. Damals hatte er mich, ohne auch nur zu zögern, abgewiesen. Seine Schwester, war offener gewesen. Sie hatte Verständnis für die Situation ihrer Mutter gezeigt, aber Tim – Tim hatte die Wunden tief vergraben, den Schmerz in seiner Brust eingesperrt. "Was willst du?" fragte er kühl. "Ich weiß, du willst nichts davon hören" begann ich und versuchte, die Ruhe zu bewahren. "Aber deine Mutter liegt im Sterben. Und sie... sie bereut alles, was passiert ist. Sie spricht so oft von dir und deiner Schwester. Ich glaube, sie wünscht sich nichts mehr, als euch noch einmal zu sehen, bevor es zu spät ist." Seine Augen verengten sich. "Sie hat uns verlassen. Sie hat uns verlassen, und jetzt erwartet sie, dass wir einfach zurückkommen und so tun, als wäre nichts passiert?" Ich atmete tief durch und spürte die Schwere seiner Worte. "Ich verstehe, dass es schwer ist. Aber manchmal – manchmal tragen wir Wut so lange mit uns herum, dass sie uns zerfrisst. Ich habe Carol erst kennengelernt, als sie krank wurde. Und sie war immer gut zu mir. Ich beurteile meine Patienten nicht nach ihrer Vergangenheit. Ich kann nur das sehen, was vor mir liegt. Und was ich sehe, ist eine Frau voller Reue." Tim schnaubte. "Reue ändert nichts.""Nein" stimmte ich zu, "aber es kann heilen. Und die Frage ist – möchtest du wirklich für immer diese Wut in dir tragen? Oder gibt es nicht vielleicht doch einen kleinen Teil in dir, der ihr verzeihen kann?" Es herrschte eine lange Stille zwischen uns, und ich war mir nicht sicher, ob ich ihn erreicht hatte. Doch als er die Tür wieder schloss, wusste ich, dass ich nicht mehr tun konnte. Die Entscheidung lag bei ihm.
Ein paar Tage später stand ich an Mrs. Bradfords Bett. Tim war nicht mehr wütend; er war nur noch traurig, als er den Raum betrat. Er sah seine Mutter an, die ihm mit schwacher Stimme ins Ohr flüsterte, dass sie ihn liebte. In diesem Moment schien die Zeit stillzustehen. Als sie dann ihre Augen schloss, war es so, als würde die Last von Tims Schultern fallen. Nach ihrem Tod besuchte ich ihn erneut. Ich hatte ein altes Foto mitgebracht, das sie mir gegeben hatte – eine Aufnahme von den Kindern, die sie so sehr liebte. "Sie wollte, dass du es bekommst" sagte ich leise. Er nahm das Bild mit zittrigen Händen. "Danke, Laura" murmelte er, seine Stimme brüchig. "Ich hätte nie gedacht, dass ich mit dir darüber sprechen würde. Lass uns einen Kaffee trinken gehen." Als wir uns in einem kleinen Café in der Nähe seines Hauses trafen, spürte ich eine Verbindung zwischen uns. Es war, als hätten wir beide in den letzten Wochen etwas verloren und gleichzeitig etwas gefunden. Unsere Gespräche waren entspannt, und das Lächeln auf seinem Gesicht war eine willkommene Veränderung.
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One Shots nach Lust und Laune 5.0
FanfictionHallo zusammen, das ist schon mein fünftes One Shot Buch und sozusagen die Fortsetzung vom ersten, zweiten, dritten und vierten Buch. Da ich gerne schreibe und das meistens nie in eine richtige Story endet dachte ich mir das ich ein One Shot Buch ma...