Wir halten zusammen, wir halten miteinander aus - Schneider

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Hatte Richard das jetzt wirklich gesagt?
War das sein ernst?
Mir blieb der Mund offen stehen.
Anhand von Pauls Reaktion wusste ich: Richard hatte hier die Wahrheit gesagt.
Vermutlich war Paul noch nicht so weit.
Ich linste die anderen unauffällig an, jedoch hielten sie es für einen Scherz und schmunzelten.
Wieder einmal wurde mir vor Augen geführt, wie dumm meine Kollegen manchmal eigentlich waren.
Es war mehr als offensichtlich, dass zwischen den Gitarristen etwas lief.
Und das nicht erst seit gestern.
Paul nahm eine unmenschliche Röte an.  Er war stocksauer.
Nicht mehr lange, und es würde eskalieren.
Man konnte quasi nur noch herunter zählen, bis Paul endgültig platzen würde.
Und da dies nie geschah, ahnte ich Böses.
Richard hatte hier gerade richtig scheiße gebaut.
Ob er es wusste?
Vermutlich. Aber es schien ihn nicht im geringsten zu interessieren.
„Richard, kommst du eine rauchen?" was besseres fiel mir nicht ein.
Nun lagen alle Blicke auf mir.
Auch Paul schien seine Wut vorerst zu pausieren.
Verwunderung legte sich durch die Band.
Ich rauchte seit 25 Jahren nicht mehr.
Ich konnte sie nicht einmal mehr riechen, und war infolgedessen Richards größter Kritiker in punkto rauchen.
Na, da hätte ich wirklich kreativer sein können.
Da Richard mich zweifelnd ansah, ergriff ich die Initiative und zog ihn sanft am Arm nach draußen.
Ich schloss die Eingangstür hinter uns.
Nun ging ich nicht mehr sanft mit ihm um. Ich zog ihn grob Richtung Feuerstelle, und dabei war es mir egal, dass er nur mit Boxershorts und T-Shirt bekleidet war. Richard protestierte lautstark, als er merkte, dass ich nicht die Absicht hatte, mit ihm gemütlich eine Zigarette zu rauchen.
Die Feuerstelle, an der wir am Abend zuvor gesessen hatten, war weit genug vom Haus entfernt.
„Sag mal, tickst du eigentlich noch ganz sauber?" Ich schrie Richard an.
Seine Augen weiteten sich. Damit hatte er nicht gerechnet.
„Ich habe keine Ahnung was da oben zwischen euch passiert- oder eben nicht passiert ist, aber dass du Paul damit wie einen scheiß Vollidioten hast auflaufen lassen, ist dir hoffentlich bewusst?" Ich beruhigte mich nicht. Speicheltropfen kamen aus meinem Mund geschossen, während ich Richard lautstark zurechtwies.
„Das geht dich einen Scheißdreck an!" schrie Richard mich nun an und packte mich am Kragen.
Ich stieß ihn grob weg und berührte mit meinem Zeigefinger drohend seine Brust.
„Du müsstest eigentlich am besten wissen, wie sehr Paul so etwas aus der Bahn werfen kann!" Ich bewegte mich auf ihn zu, während er einen Schritt zurückging.
„Halte dich da verdammt nochmal heraus!" brüllte Richard mich an. Nun war ihm der Zorn deutlich anzusehen. Seine Schlagader am Hals trat deutlich hervor.
„Ich halte mich nirgends heraus, wenn das Leben eines Freundes in Gefahr ist!" ich fuchtelte drohend mit meiner Faust herum. Meine Wut stieg ins unermessliche in Anbetracht dessen, was in der Vergangenheit gleich zweimal mit Paul passiert war.
„Du hast ja keine Ahnung!" Richard war kurz davor mir eine reinzuhauen. Aber das interessierte mich nicht.
„Vielleicht sollte man dir erstmal ein paar Weiber auf dem Silbertablett servieren, die du ficken kannst, bevor du Paul verletzt, nur weil du Druck hast!" Redete ich mich in Rage.
Richard hingegen schaute völlig perplex über meine Schulter hinter mich.
Er erwiderte nichts. Ich wusste nicht einmal, ob er das gerade gesagte überhaupt aufgenommen hatte.
Erst nach einigen Sekunden drehte ich mich langsam um und realisierte, dass die Terrasse unserer vorübergehenden Unterkunft besetzt war. Dort standen Flake, Olli und Till, die vermutlich alles mit angehört hatten.
„Na schönen Dank auch." kam von Paul aus einer anderen Richtung. Es dauerte einen Moment, ehe ich seinen Aufenthaltsort ausmachen konnte.
Er befand sich eine Etage höher und schaute durch das gekippte Dachfenster.
In seinem Gesicht lag grenzenlose Enttäuschung.
Er zog sich zurück und schloss das Fenster mit einem darauf folgenden lauten Knall.
Olli war der erste, der sich aus dem Dreiergespann rührte.
Er schüttelte abfällig den Kopf und blickte missachtend in Richards Gesicht, ehe er sich umdrehte und im Haus verschwand.
Es war ihm deutlich anzusehen, was er von der Liebe Richards und Pauls hielt.
„Das ist jetzt nicht wahr, oder?" raunte Till uns an, wobei er eher Richard meinte.
In seiner Stimme lag Wut und Enttäuschung gleichermaßen.
„Schneider, du hast es gewusst?" brüllte unser Sänger uns an.
„Ich frag mich eher, wie man das übersehen kann?" giftete ich zurück.
Ich drehte mich wieder zu Richard.
Er war ganz klein geworden und wusste nichts zu sagen. Wir hielten zusammen, wir hielten miteinander aus. Da fragte ich mich zurecht, wie man das nicht längst hätte bemerken können. Es war zu offensichtlich.
Ich hörte die Terrassentür zufallen und drehte mich um.
Jetzt stand da nur noch Flake, der wie so oft, nicht wusste, wie er sich verhalten sollte.
Till kam ums Haus, geradewegs auf uns zu.
Er blieb vor uns stehen und sagte nichts.
Rein garnichts.
Dann legte er seine Hand auf Richards Schulter und fragte ihn eindringlich: „Ist das wahr?"
Richard nickte bloß, während er ins leere starrte.
„Und warum habt ihr nichts gesagt?"
Eine Antwort bekam er nicht.
„Wie lange geht das schon?" fragte Till.
„Es hat noch garnicht richtig angefangen." sagte Richard überlegt.
Till bließ die Luft aus seinen Wangen.
Man merkte ihm an, dass er gewillt war, nichts falsches zu sagen.
Aber ich wusste, dass er genau das dachte, was jeder einzelne von uns fürchtete.
Richard war zu impulsiv und schnelllebig für Beziehungen. Kaum eine hielt länger als 5 Jahre.
Paul hingegen war bindungsfreudig und ließ sich kaum noch auf Frauen ein, da er fürchtete, nur wegen seines Status als berühmter Rammstein-Gitarrist zum Schein geliebt zu werden.
Da prallten Welten aufeinander, die emotional unterschiedlicher nicht hätten sein können.
Kurz gesagt: das Arschloch trifft auf das Sensibelchen.
Wir bezweifelten, dass das funktionieren mochte.
Wenn es nicht mehr funktionierte, wäre das das Ende der Band.
Vermutlich auch eine Sorge, die Olli gerade quälte.
„Kommst du mit rein?" sagte er so sanft wie möglich zu Richard.
„Wir sollten darüber reden. Aber ziehe dir bitte eine Hose an." fügte er hinzu.

#Paulchard - Mein Herz brennt! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt