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Kapitel 4
Als ich morgens mit rot geweinten Augen aufwachte, war Elias verschwunden. Die Balkontür stand weit offen, seine Bettdecke lag schlampig zusammengefaltet auf der Couch. Seufzend stand ich auf, machte mich für die Schule fertig, nahm mir meinen Apfel und fuhr müde und mehr als unmo-tiviert zur Schule.
„Das hässliche Entlein ist da!"
„Schaut, da ist unser Aschenputtel!"
„Aschenputtel, deine Haare sehen wie ein Vogelnest aus. Schlimmer!"
„Man sollte in Absatzschuhen laufen können, Schlampe!"
„Weißt du überhaupt wie fett du in dem Top aussiehst, kleines Küken?"
Mit Tränen in den Augen quetschte ich mich durch die Schülerinnen, stolperte über gestellte Beine und brachte mich in meinem Mathesaal in Sicherheit. Ich hasste es! Wann würde sich endlich etwas in meinem Leben ändern? Wann würde ich endlich nicht mehr ausgelacht und gehänselt werden?
Solange ich Unterricht hatte und Sina nicht in meiner Klasse war, war der Schultag völlig in Ordnung. Aber dann kam die Pause und während ich alleine auf einer Bank abseits saß wurde mir wieder schmerzlich bewusst, dass ich hier schon immer alleine gesessen hatte. Vielleicht war es wirklich so, dass ich zu hässlich war um mit jemandem befreundet zu sein. Ich meine, meine Augen waren ge-wöhnlich blau, meine Haare von Natur aus blond. Wenn man mich sah, hatte man ein gewöhnlich, langweiliges Mädchen vor sich. Wahrscheinlich war es das, was die anderen nicht an mir mochten. Ich war langweilig. Ich machte jeden Tag meine Hausaufgaben, lernte und meldete mich im Unter-richt. So war ich erzogen worden, warum war es dann so falsch?
„Ach schaut mal, Aschenputtel sitzt wieder ganz alleine da." Sina stellte sich mit ihren Freundinnen vor mich und grinste gemein. „Wo sind denn deine Freunde geblieben?" Sie tat so, als würde sie überlegen, bis sich wieder dieses fiese Grinsen auf ihrem Gesicht ausbreitete. „Tut mir leid, das habe ich ja ganz vergessen. Du hast ja gar keine!" Hinter ihr lachten die anderen und ich senkte schamhaft den Kopf.
„Hey, kleines Küken, wie wäre es mit etwas Sport? Dein Bauch wird immer offensichtlicher!" rief eine von ihnen und selbstkritisch lugte ich auf meinen Bauch. War ich wirklich so dick?
„Etwas Make-Up würde dir auch stehen, Schlampe. Sommersprossen sind so was von out!" rief eine andere. Sie hatte Recht, ich hasste meine Sommersprossen.
„Es tut mir leid dir das zu sagen, Aschenputtel" begann Sina und versuchte ein mitleidiges Gesicht zu machen, „aber Jana und Kirsten haben Recht." Sie kam noch näher auf mich zu, bis wir nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. Sie nahm ihren Zeigefinger und platzierte ihn auf meiner Wange. Dann drückte sie zu und ihr Fingernagel, der wahrscheinlich penibel spitz manikürt wurde, bohrte sich tief in meine Haut. „Du bist wertlos und hässlicher als das kleinste Staubkorn." Damit zog sie ihren Finger über meine Wange und ich schnappte vor Schmerz nach Luft. „Man sieht sich, hässliches Entlein." Elegant drehte sie sich auf dem Absatz um und ließ mich wieder alleine mit meiner Bank. Vorsichtig berührte ich meine schmerzende, rechte Wange und spürte heißes Blut auf meiner Haut. Es waren allerdings nicht diese Schmerzen, die mich zum Weinen brachten, son-dern der Druck auf meinem Herzen. Wo sollte ich mit dem ganzen Schmerz hin?
***
Es war eine Erleichterung, dass ich heute nur vier Stunden Schule hatte. Danach lief ich in den Stadtpark und spazierte eine Runde nach der anderen über die Kieswege, bis ich mich auf eine Bank in der Nähe des Sees setzte und die Sonne betrachtete, die auf dem Wasser glitzerte. Einige Enten paddelten herum, suchten nach alten Brotkrümeln, die von der letzten Fütterung übrig ge-blieben sein könnten. Ich seufzte und schloss meine Augen. Damit kamen aber all die Situationen von heute noch einmal hoch und spielten sich pausenlos in meinem Kopf ab. Hässlich, keine Freun-de, unwichtig. Und ich wusste, dass es stimmte. Alles was sie sagten entsprach der Wahrheit. Neune Tränen rannen über meine Wange, brannten in Sinas Schnitt in meiner Wange. Wie sollte ich so eine Situation ändern? Am liebsten würde ich hier alles stehen und liegen lassen und wo an-ders hingehen. Wohin, wo ich noch einmal von vorne anfangen könne um das besser machen zu können, was ich anscheinend falsch gemacht hatte.
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Nina
Teen FictionSie ist eine Träumerin, Ein Mädchen, das nicht wahrhaben will, dass die Welt kein Märchen ist, Das hofft, dass es irgendwo eine Gerechtigkeit gibt, Das glaubt, Dass nicht die ganze Welt so grausam ist. Sie ist der Außenseiter, Das Mädchen, das ihre...