Kapitel 21-Von Sonetten und Fehlern

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Als ich die Tür aufschließe, ist Dad noch wach. Letzte Mutprobe für heute. Ich gehe ins Wohnzimmer, wo er im Sessel sitzt mit einer Bierflasche in der Hand. Er nickt mir nur zu. Ich muss ihn wirklich verletzt haben. Er fragt nicht, warum ich so spät wieder komme, oder wo ich war und das ist fast noch schlimmer als die ständige Fragerei.

"Hey, Dad. Ich wollte dich was fragen... Em will dieses Jahr wieder nach Kourton fahren und will mich mitnehmen. Wäre das okay?" Er nimmt einen Schluck aus der Flasche.

"Fahr. Was fragst du mich eigentlich?"

"Dad, so war das gestern nicht gemeint. Ich war nur müde."

"Lass es Cathrina. Sag nichts, was mich noch mehr an sie erinnert." Es fühlt sich an wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Ich kriege keine Luft mehr.

"Ich bin nicht wie sie", zische ich. Er sieht tatsächlich schuldbewusst aus.

"Ich weiß. Es tut mir leid, ich bin auch müde. Geh jetzt schlafen." Ohne etwas zu erwidern gehe ich nach oben. Am liebsten hätte ich geweint, dabei sollte ich doch glücklich sein. Ich habe einen Freund. Einen, der nicht nur in meiner Fantasie existiert, aber dieses Hochgefühl will sich bei mir nicht einstellen. Stattdessen wälze ich mich noch Stunden hin und her, bis ich endlich einschlafe.

*****

Mein Wecker klingelt, aber ich bin schon ewig wach. Im Bad benutze ich fast meinen gesamten Schminkvorrat, denn ich sehe furchtbar aus. Als ich aus dem Bad komme, fällt mein Blick auf den Esstisch. Dort liegt ein Päcken.

"Ist das für mich?" Frage ich Dad, der nach mir ins Bad geht. Er wirft nur einen kurzen Blick drauf.

"Scheint so. Lag heute früh im Briefkasten. Ohne Absender."

"Aha", murmele ich. Merkwürdig. Auf dem Paket steht mein Name, ohne Zweifel ist es für mich. Ich reiße das Papier auf und schnappe nach Luft. Shakespeares Sonette. In Englisch. Es sieht aus wie eines der Originale.

"Oh Gott", flüstere ich und nehme das Buch vorsichtig heraus. Behutsam streiche ich über den Buchdeckel. Ich habe noch nie etwas so wertvolles besessen. Natürlich habe ich Shakespeares Werke, aber beinah alle aus alten Schulbüchern und niemals die Originale. Wer ist so übergeschnappt und schenkt mir sowas? Jeremy. Es kann nur er sein. Aber woher weiß er das? Ich habe ihm nie erzählt, dass ich Shakespeare mag. Nur George. Aber der wird mir wohl kaum am nächsten Tag eine Originalausgabe schicken, weil er mich so hinreißend fand. Da entdecke ich einen Zettel. Vorsichtig Falte ich ihn auseinander.

"Wir müssen als Paar in Trennung leben, mag unsre Liebe auch unteilbar sein."

Ich ziehe scharf Luft ein. Nein, dieses Buch hat mir mit Sicherheit nicht Jeremy geschickt. Auch wenn ich es mir gewünscht hätte. Das Zitat stammt aus Sonett 36. Hat er sie alle gelesen? Für mich? Aber woher weiß er davon? Ich lehne meine Stirn gegen die kühle Wand, während die Worte in meinem Kopf nachhallen.

*****

Ich bin noch nie so schnell an der Schule gewesen. Em hat mir erzählt, dass Ryder sie jeden Donnerstag zur Schule bringt und jeden Freitag wieder abholt. Und siehe da, die beiden verabschieden sich gerade. Ich sehe weg, als sie sich küssen und warte, bis Em im Schulhaus verschwunden ist. Schnell renne ich zu seinem Motorrad. Er entdeckt mich, bevor er seinen Helm aufsetzt. Er lächelt mir entgegen und ignoriere mein heftig schlagendes Herz.

"Cat, was verschafft mir die Ehre?" Heftig atmend ziehe ich das Buch aus der Tasche. Ich habe es in eine normale Plastiktüte eingewickelt, aber zusätzlich noch einen Bindfaden drumgebunden, damit es keine Schäden nimmt.

"Warst du das?" Er mustert das Buch und ich wünschte mir fast, er würde nein sagen.

"Vielleicht." Oh nein, bitte nicht.

"Spinnst du? Weißt du wie teuer eine Originalausgabe ist?"

"Ja, ich habe sie schließlich gekauft."

"Und das beweist, dass du völlig übergeschnappt bist! Was soll das? Woher weißt du überhaupt, dass ich Shakespeare mag?"

"Du hast George erzählt."

"Du hast uns belauscht! Was bildest du dir ein?!" fauche ich wütend.

"Ihr habt laut gesprochen. Kannst du dich nicht einfach freuen?"

"Nein, denn ich werde dir das Geld niemals zurück geben können. Vielleicht muss ich einen Kredit aufnehmen oder wir machen Zinsen, aber selbst dann..." Ich überschlage die Zahlen im Kopf. "Doch, mit beidem müsste es gehen", sage ich schließlich. Ryder betrachtet mich amüsiert.

"Cat, es ist ein Geschenk. Das zahlt man nicht zurück, es wäre unhöflich."

"Unhöflich? Ich sag dir Mal was unhöflich ist! Andere Leute zu belauschen und dann daraus seinen Nutzen zu ziehen. Außerdem verstehe ich den Sinn dahinter nicht. Gestern hast du dich praktisch von mir verabschiedet und jetzt machst du mir Geschenke. Was willst du?"

"Was ich will?" Er beugt sich nah an mich heran. Ich kann seinen Atem auf meinen Lippen spüren. "Ich will, dass du dir deine Gefühle einstehst. Du liebst Jeremy nicht."

"Noch nicht", presse ich hervor. Er lacht leise.

"Was heißt noch nicht? Man kann seine Gefühle nicht steuern."

"Ach und woher willst du das wissen? Du großer Gefühlsexperte?"

"Das habe ich nie behauptet. Aber selbst ein Blinder würde sehen, dass du ihn nicht liebst. Ich handele im gegenseitigen Interesse."

"Hä?"

"Ich bewahre dich davor einen riesigen Fehler zu begehen und ihn, eines furchtbaren Todes zu sterben, nachdem du ihm sein Herz rausgerissen hast. Je früher desto besser."

"Hör auf sowas zu sagen! Ich bleibe bei ihm!"

" 'Entsinnst du dich der kleinsten Torheit nicht, in welche dich die Liebe je gestürzt...' "

"Wage es dir, weiter zu sprechen! Seit wann kannst du bitte Shakespeare auswendig?"

"Die Nacht ist auf der einen Seite lang und auf der anderen kurz. Ich wollte noch so viel mehr lernen."

"Das ist lächerlich. Damit kannst du mich nicht beeindrucken." Konnte er doch. "Werde jetzt bloß nicht zum Softie, Mr. Badboy."

"Das mit dem Badboy hast du behauptet. Wenn ich ein Softie werden will, ist es meine Sache, aber keine Angst. Dass habe ich nicht vor. Ich will dich wie gesagt, nur vor deinen Fehlern bewahren. Ich bin ein guter Junge."

"Du bist..."

"Cathrina!" Ich drehe mich um. Oh nein, dass ist nicht wahr...

*****

Meine Widmung macht heute nicht mit, aber ich widme dieses Kapitel natürlich LoveBooksReader15!

A kind of LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt