6. Kapitel

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Sie.
Während ich in der Aula auf Nazile wartete, kam sie die Treppen runter gerannt, weswegen sie einige komische Blicke erntete. Vielleicht zogen wir doch mehr Aufmerksamkeit auf uns, als wir sollten.
"Was ist passiert?"
"Lass uns einfach gehen!" Sie zog an meinem Arm.
"Erzähl mir doch erstmal, was los ist!" Sie schaute zu den Treppen, als sie Eymen erblickte, erzitterte sie fast. Was zur Hölle war geschehen?
"Komm einfach, bitte Michelle." Nickend ließ ich es zu, dass sie mich rauszog, erst als der Bus losfuhr, kam sie langsam zur Ruhe. Das der Bus in die Stadt fuhr und ich somit genau in die entgegengesetzte Richtung von meinem Stadtviertel, beachtete ich nicht. "Ich werde es dir erzählen, okay? Aber lass uns erst in ein Café setzen und irgendwas essen. Ich brauche Nervennahrung. Dringend!" Während wir in die Stadt fuhren, überlegte ich, was vorgefallen sein könnte.

Er.
Eymen kam wutgeladen die Treppen runter. Sein Blick lag auf Nazile, die nervös an Michelles Arm zog und darauf sie aus der Eingangstür nach draußen befördert.
"So eine verdammte Schlampe!", zischte er. "Was war?"
"Lass uns hier raus, sonst zerstöre ich noch etwas. Habe keine Lust auf Stress mit deinem Vater." Die Stirn runzelnd folgte ich ihm.
Im Park, gegenüber unserer Schule, saß ich mich auf die Bank, während er von der einen Seite zur anderen lief.
"Eymen, hock dich auf deinen Arsch und erzähl mir, was war!" Abrupt blieb er vor mir stehen.

"Was hat sie gesagt?", fragte ich ungläubig nach. Er boxte gegen einen Baum, weswegen ich ihn zurückzog. Das Thema mit Eymens Schwester war ziemlich heikel. Er war ein Einzelkind, das hätte sich vor 7 Jahren ändern sollen, doch es kam zu einer Todgeburt. Nicht nur das, Eymens Mutter starb auch.
"Sie wird büßen für ihre Worte!", zischte er. "Ja, das wird sie."

Nachdem ich noch etwas Zeit mit Eymen verbrachte, ging ich nach Hause.
"Wieso hast du so gute Laune Abi?"
"Nicht jetzt Selen." Sie zog ihre Brauen zusammen. "Was ist passiert?"
"Ich meinte doch, nicht jetzt."
"Du weißt, dass ich dich so lange nerven werde, bis du es mir sagst "
"Setz dich", befahl ich ihr. Dieses Mädchen bekam echt immer alles, was sie wollte.
"Es geht um Eymen."
"Was ist mit Eymen Abi?"
"Es ist wegen der Neuen."
"Hat er sich etwa verliebt?", hakte sie mit großen Augen nach.
"Halt einfach deine Klappe und hör zu. Oder du wirst nie erfahren, was war."
"Okay, okay. Ist ja gut."
"Sie ist verlobt. Mit einem Häftling. Eymen wollte sie heute etwas provozieren." Dabei musste ich kurz über meine Worte nachdenken. Ich hatte ihm nicht gesagt, dass er das tun sollte, also wieso hatte er es dann getan? Bevor ich weiter in Gedanken versinken konnte, fuhr ich mit meiner Erzählung fort.
"Er meinte, dass sie für ihren Verlobten die Beine gespreizt hätte und deswegen nicht die Verlobung auflösen könnte, weil ihre Eltern sie sonst entehren würden." Mit riesigen Augen musterte sie mich.
"Ach du meine Scheiße!"
"Darauf hat sie ihn gefragt, ob sie seine Schwester entehren mussten und daher seine Kenntnis kam." Ihre Augen wurden noch riesiger, falls das überhaupt möglich war.
"Ach du meine Scheiße, hoch zwei!"
"Kannst du bitte aufhören diesen Ausdruck zu verwenden? Was soll das überhaupt heißen?"
"Abi, das ist gerade sowas von irrelevant! Eymen Abi war bestimmt stinksauer."
"Mehr als nur das."
"Aber er hat sich das auch selbst zu zuschreiben. Wieso müsst ihr das Mädchen auch so demütigen? Sie scheint echt korrekt zu sein."
"Woher weißt du das? Hast du etwa Kontakt zu ihr?"
"Nein, aber wenn Michelle ihr zur Seite steht, kann sie nur nett sein." Ich runzelte meine Stirn. "Schau nicht so! Du weißt genau, dass Michelle total in Ordnung ist und ich sie mag."
"Leider tust du das." Ich betrachtete meine jüngere Schwester kurz. "Also sind wir in deinen Augen die Schuldigen?"
"Jap. Denn ihr seid der Aggressor, müsst deswegen mit sowas rechnen." Ich schwieg, sie legte ihren Kopf schief und musterte mich, gerade als ich sie fragen wollte, wieso sie das tat, begann sie zu reden: "Wieso hörst du nicht einfach auf damit? Du weißt genau, dass das nicht richtig ist."
"Selen, misch dich da nicht ein!"
"Du kannst deinen Frust nicht an anderen rauslassen Abi!" Ohne ihr eine Antwort zu geben, verschwand ich auf mein Zimmer.

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