11. Kapitel

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Er.
"Ich habe mich dazu entschieden eure Projektvorstellungen auf Montag zu verschieben, somit habt ihr noch drei Tage Zeit, doch dann ist Deadline. Wenn am Montag irgendjemand sein Projekt nicht dabei hat, gibt es eine 6, ich werde mit keinem von euch verhandeln. Nur damit wir uns verstehen", hallte die Stimme meines Vaters durch den Biologie-Saal.
"Haben uns gestern umsonst so gehetzt", flüsterte Eymen mir genervt zu.
"Das hat er nur gemacht um uns zu ärgern." "Dein Vater ist manchmal echt die Härte." "Das kannst du laut sagen."
"Lieber nicht." Grinsend widmeten wir uns dem Unterricht. Bei meinem Vater wollte ich nicht negativ auffallen, zumal wir immer noch unter Strafe standen, eine Verlängerung dieser wollte ich nicht.

"Wieso unterrichtet Herr Özcan eigentlich? Darf er das als Direktor überhaupt?", hörte ich, Nazile Michelle fragen.
"Ich weiß nicht, ob er das darf, aber er tut es." Ich lehnte mich leicht vor zu den beiden. "Er darf eigentlich nicht als Lehrer tätig sein, da er Rektor ist, aber mein Vater hält sich nicht dran", klärte ich sie auf.
"Milad!", hörte ich in dem Moment die strenge Stimme meines Vaters.
"Sie wollten nur wissen, wieso du als Rektor unterrichtest. Sorry, dass ich sie aufgeklärt habe." Mein Vater sah kurz auf die Uhr.
"Ist in Ordnung", sprach er danach. Natürlich war es das, wir hatten schließlich nur noch 5 Minuten. Abgesehen davon ging es um seine Lieblingsschülerin.
"Ich wollte eigentlich kein Rektor werden, doch unser alter Direktor wurde Frührentner, aufgrund Krankheit. Da ich damals schon Konrektor war, habe ich gezwungenermaßen die Stelle angenommen. Doch ich konnte das Lehrersein nicht sein lassen, dafür liebe ich meinen Beruf viel zu sehr."
"Wir sind aber die einzige Klasse, die sie unterrichten oder?", fragte Nazile nach.
"Ja, denn mehr ist nicht drin. Ich sorge dafür, dass ich immer eine Oberstufe kriege, in der ich Biologie unterrichte."
"Wieso haben sie sich für Bio entschieden und nicht für Chemie?", hakte nun Michelle nach.
"Weil es mir mehr Spaß macht Biologie zu unterrichten." Nachdem mein Vater ausgesprochen hatte, klingelte es auch zur Pause. Michelle und die Neue liefen nach vorne und bedankten sich bei meinem Vater, da er sich die Zeit für sie genommen hatte. Michelle war die Lieblingsschülerin meines Vaters und so wie es schien, wurde die Neue das auch. Dann war ich also der Einzige verhasste. Als ich am Pult vorbei ging, hörte ich meinen Vater nach mir rufen.
"Was ist?", fragte ich ihn, ohne mich umzudrehen.
"Es tut mir leid, dass ich dich so angeherrscht habe. Ich hätte nich wissen können, dass es nicht deine Schuld ist." "Genau das ist dein Problem! Du suchst die Schuld immer bei mir. Spar dir deine Entschuldigungen, die will ich nicht hören." Wutgeladen verließ ich den Saal. Zum Glück war außer Eymen niemand mehr da gewesen.
Als ich Michelle und ihre ach so tolle neue Freundin vor mir sah, konnte ich meine Wut nicht zurückhalten. "Schön, wie ihr euch bei meinem Vater einschleimt!" Sie drehten sich kurz zu mir und Michelle blickte mich genervt an.
"Was willst du schon wieder, Milad?"
"Zeig meinem Vater, Cağdaş, Selen und allen anderen doch einfach mal dein wahres Gesicht. Mal schauen, ob sie dich dann ebenfalls so toll finden werden."
"Das tue ich. Du bist der Einzige, der mein wahres Gesicht nicht erkennt. Geh deinen Frust, wo anders aus lassen."
"Du bist diejenige, die meinen Frust verdient."
"Kaum zu fassen, dass dein Vater so einen degenerierten Sohn hat. Ehrlich, da tut mir dieser Mann geradezu leid."
"Nur weil du Fremdwörter benutzt, macht dich das nicht intelligenter."
"Ich bin schon intelligent und schlau genug, du Intelligenzbestie." Ich atmete tief durch, sonst würde ich hier noch die Kontrolle verlieren.
"Wusste gar nicht, dass du eine Tagträumerin bist", rief ich, da sie die Glastüre geöffnet hatte, um in die Aula zu gelangen.

Sie.
Milad ließ mal wieder seinen Frust an anderen aus, wie so oft traf es mich. Dieser Junge würde nie dazu lernen! Wann wollte er endlich seinen Frust kontollieren? Er benahm sich wie ein kleines Kind.
"Wusste gar nicht, dass du eine Tagträumerin bist", hörte ich seine Stimme, am liebsten wäre ich zurückgelaufen und hätte ihm eine geklatscht, um ihn endlich wach zu rütteln. Er sollte endlich erwachsen werden!
Doch ich wusste, dass alles würde nichts bringen und da sich die Glastüre schon geschlossen hatte, war es sinnlos, ihm irgendwas zu entgegnen. Also hob ich meine rechte Hand in die Höhe und streckte meinen Mittelfinger aus. Das war genug, um ihn in den Wahnsinn zu treiben, das wusste ich. Während ich das tat, konnte ich mir mein Gelächter nicht verkneifen. Nazile konnte dies ebenfalls nicht, also lachten wir -wie zwei Verrückte- dabei waren die Blicke, der anderen Schüler natürlich auf uns gerichtet. Wir zogen eindeutig zu viel Aufmerksamkeit auf uns.

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