Nazile. Eymen.
"Endlich haben wir unsere Ruhe!", rief Nazile, während sie die salzige Meeresluft Muğlas inhalierte. Eymen legte seinen Arm um die Hüfte seiner Ehefrau und zog sie an sich.
"Endlich Zweisamkeit", murmelte er in ihr Haar. Da sie ziemlich schnell ohne große Vorbereitungen und nur im kleinsten Kreis geheiratet hatten, waren sie ihren Familien in ihrer Heimat eine Rechenschaft schuldig gewesen, nicht nur das, sie wurden von ihnen auch ganze vier wochenlang regelrecht gequält, das war dann wohl ihre Rache. Aber sie hatten es nicht anders verdient, zumindest in den Augen ihrer Familien.
Nachdem erst Naziles Familie sie in Aserbaidschan gequält hatte, hatte dies zwei Wochen später Eymens Familie in der Türkei auch getan. Ebenfalls zwei wochenlang und nun hatte das frisch verheiratete Ehepaar endlich seine Ruhe. Nazile wandte sich in Eymens Armen, damit sie ihn anschauen konnte.
"Sie haben sich echt ausgezeichnet an uns gerächt."
"Das kannst du laut sagen, ich dachte schon, dass die vier Wochen bei unseren Familien kein Ende nehmen werden." Nazile lachte leise auf und Eymen zog seine Ehefrau nur noch enger an sich."Was ist los mit dir? Seit gestern bist du so komisch drauf, hast Stimmungsschwankungen. Kriegst du deine Tage oder so?", fragte Eymen seine Frau genervt, worauf er einen Schlag gegen den Oberarm kassierte. "Was habe ich denn jetzt gesagt? Ich bin dein Ehemann, da ist es normal, dass ich dich sowas frage-" Bevor er weitersprechen konnte, hielt sie ihm den Mund zu.
In dieser einen Woche, die sie zu zweit verbracht hatten, hatte Eymen kein Blatt vor den Mund genommen und Nazile ständig in Verlegenheit gebracht. Abgesehen von gerade eben war das auch sein Ziel gewesen, denn es gefiel ihm, wenn seine Frau sich schämte, da wurde er sich nur noch bewusster, wie rein sie war. Doch seit gestern Nacht bedrückte sie etwas und er wollte wissen, was es war. Er befahl ihr sich auf das Bett zu setzen und kniete sich danach vor ihr nieder. Seine Arme hatte er neben ihren Schenkeln abgesetzt.
"Jetzt erzähl mir, was du hast, Aybalam (Meine Schöne/Süße)." Nazile musste bei dem Wort lächeln, dass er sie auf ihrer Muttersprache liebkoste, ließ sie sich noch wohler fühlen. Es war ein Gefühl von Heimat. Sie fühlte sich angekommen."Wir werden heute zurückgehen."
"Willst du noch etwas Urlaub? Wir können ihn gerne verlängern." Sie schüttelte mit einem Lächeln ihren Kopf. Sie liebte es, wie Eymen sie liebte. Auf eine ehrliche, behutsame und wertvolle Art und Weise. Er las ihr jeden Wunsch von den Lippen ab, sorgte sich rührend um seine Ehefrau. Doch war sich Nazile nicht bewusst, dass er das alles tat, weil sie ihm so viel gab. Sie gab ihm Geborgenheit. Die Geborgenheit, die er seit dem Tod seiner Mutter brauchte und gesucht hatte. Das vernarbte Mädchen gab dem einsamen kleinen Jungen Geborgenheit. Während der kleine einsame Junge die Narben des vernarbten Mädchens verschwinden ließ und ihr Schutz bot.
"Darum geht es doch gar nicht."
"Worum geht es dann, Nazile?", fragte er mit zusammengezogenen Augenbrauen. Sie atmete tief durch.
Ob sie ihre Gedanken mit ihm teilen sollte? Wenn nicht, dann würde er sie dazu zwingen, das wusste sie, also rückte sie mit der Sprache raus.
"Wenn wir zurück sind, wird uns der Alltag einholen... Und da ich nun deine Ehefrau bin, habe ich ganz andere Pflichten, ich weiß nicht, ob ich dem gerecht werde." Eymen zog seine Brauen zusammen, doch musste in der nächste Sekunde anfangen zu grinsen. Es gefiel ihm, dass sie sich über sowas banales sorgen machte. "Was gibt es da zum Grinsen, Eymen?!" Sein Grinsen verwandelte sich in schallendes Gelächter, worauf Nazile zornig aufstand und ihn zur Seite schubste, doch er griff nach ihrem Arm und ließ sie nicht gehen.
"Eymen lass los!", befahl sie wütend. Dieser schüttelte nur den Kopf, immer noch lachend. "Du bist so ein Idiot! Wieso lachst du jetzt? Was ist so witzig dran? Ich weiß einfach nicht, ob ich es schaffen werde zur Uni zu gehen und nebenbei Wäsche zu waschen, kochen, das Haus aufräumen, einfach den ganzen Haushalt schmeißen. Du als Mann musst dir natürlich keine Sorgen um sowas machen. Schön, dass du so viel Verständnis zeigst!" Sofort wurde Eymen wieder ernst. Es war nie sein Ziel gewesen seine Frau zu kränken, doch er fand es einfach nur niedlich, wie sie sich Sorgen um all diese Dinge machte.
"Ich lache dich nicht aus, Aybalam. Ich finde es nur süß, dass du dir um sowas Sorgen machst, dabei brauchst du das gar nicht. Unsere Familien werden uns, so gut es geht, unterstützen, auf der anderen Seite macht es mir nichts, wenn unsere Wohnung nicht wie in den Zeitschriften perfekt aufgeräumt und dekoriert ist. Das wichtigste ist, dass wir jetzt unser Studium zu Ende bringen, alles andere ist in meinen Augen zweitrangig, so sollte es auch für dich sein!", sprach er ruhig und einfühlsam, während er ihr behutsam über das Gesicht strich. Nazile lächelte den Mann, den sie liebte, dankbar an. Sie hatte zwar immer noch Bedenken, ob sie ihren Aufgaben und Pflichten als Ehefrau gerecht wurde, aber diese verdrängte sie, denn sie wollte sich selber und ihren Ehemann damit nicht belasten.
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Gebrandmarkt
RandomSie. Diese Wut in mir würde mich umbringen, ich hatte das Bedürfnis alles um mich zu schmeißen, ohne darauf zu achten, ob es danach in Trümmern lag oder nicht. Denn genau das hatte man tagtäglich mit mir gemacht. Die Einsamkeit, Trauer und Verzweifl...