Sie.
Seit fast drei Woche schien die Welt in Ordnung zu sein. Einige Male hatte ich mit Efsun gesprochen, ob man sie auch wirklich in Ruhe ließ, sie hatte mir immer versichert, dass man das tat. Man merkte ihr an, dass sie in Ruhe gelassen wurde, sie wirkte ausgeglichener, was mich sehr erfreute. Und diesbezüglich war ich Milad unheimlich dankbar. Ich war immer noch kein Fan von ihm, würde das vermutlich auch nie sein, aber er hatte Efsun einen riesengroßen Gefallen getan. Für ein Mädchen war es das Schlimmste, aufgrund ihrer Ehre beschimpft zu werden.Während meine Blicke durch den Pausenhof wanderten, aber ich niemanden wahrnahm, inhalierte ich die sauerstoffreiche kühle Winterluft in mich. Es tat mir gut und ich hatte das Gefühl, dass meine wirren Gedanken zur Ruhe kamen. Es waren keine bestimmten Gedanken, sondern einfach nur wirre Gedankenfetzen. Ich dachte nach, ohne an etwas bestimmtes zu denken. Es herrschte ein Chaos in meinem Kopf, ohne dass ich es verstand. Ohne dass es Sinn machte. Es war anstrengend. Ermüdend.
Das Chaos in meinem Hirn ließ mich nicht ruhig schlafen. Zu all dem kam auch noch ein komisches Gefühl auf. Ein intuitives Gefühl, dass mir immer wieder zuwisperte, dass sich ein Desaster anbahnte. Doch was konnte schon großartiges passieren?, dachte ich ständig. Versuchte positiv zu denken, um positive Gefühle zu haben, dass dies Fehlschlug, brauchte ich wohl nicht erwähnen."Ist alles gut bei dir?", fragte mich Milad. Er und Eymen standen nun genau vor uns. War ich so sehr in Gedanken versunken, dass ich ihr Kommen gar nicht wahrgenommen hatte? Scheint so.
"Ja, alles gut. Danke der Nachfrage."
"Du siehst ziemlich blass aus. Bist du krank? Willst du vielleicht nach Hause?" Konnte mich Milad nicht einfach in Ruhe lassen? Was wollte er von mir?
Als ich ihn anherrschen wollte, sah ich die Sorge in seinen Augen. Aufrichtige Sorge. Dies ließ mich verstummen. Ich durfte meine innere Unruhe nicht an anderen auslassen. Er hatte seinen Frust an anderen ausgelassen und somit nur sich selber geschadet. Dasselbe wollte ich nicht. Ich wollte nicht mit meinem Fehlverhalten, meinen Fehlern, mir selber schaden.
"Habe nur etwas wenig geschlafen", gab ich ihm mit einem leichten Lächeln zur Antwort. In der Hoffnung er würde mich danach endlich in Ruhe lassen. Er lächelte auch leicht zurück, doch die Besorgnis war nicht aus seinen grünen Augen gewichen. Wieso sorgte er sich denn um mich?
Nur weil wir beide nun wegen Nazile und Eymen etwas öfters Kontakt hatten -als mir lieb war- brauchte er nicht so tun, als ob wir befreundet seien. Sein Verhalten war komisch. Doch damit konnte ich mich jetzt nicht beschäftigen, nicht wenn ich so einen vollen Kopf hatte."Du schläfst derzeit sehr oft wenig", ertönte da Naziles Stimme neben mir. Ich wandte mich kurz nach rechts, zu meiner -ebenfalls besorgten- Freundin. Als ich wieder vor mich sah, hatte Milad zusammengezogene Augenbrauen. Was wollte ich nun darauf antworten?
"Ja, muss wohl der anstehende Abistress sein." Ich gibs zu, die Ausrede war schlecht. Richtig schlecht. Doch mir fiel auf die Schnelle nichts besseres ein.
Ich wusste, dass sich meine beste Freundin Sorgen um mich machte. Sie hatte mich schon desöfteren darauf angesprochen. Aber wie sollte ich das Chaos in mir beschreiben, wenn ich es selber nicht benennen konnte? Wenn ich es selber nicht verstand?Er.
"Hast du Nazile gefragt?"
"Sie weiß es auch nicht", antwortete mir Eymen. Ich hatte ihn dazu gezwungen herauszufinden, was mit Michelle los war. Sie war derzeit ziemlich oft in Gedanken versunken, kam blass und mit dunklen Augenringen zur Schule -was keinesfalls irgendwas an ihrer Schönheit veränderte. Sie wirkte eingeknickt. Und ich wollte den Grund wissen. Wollte wissen, was sie so sehr beschäftigte. Ihr so sehr zu schaffen machte. Vielleicht war es ja etwas, wobei ich ihr helfen konnte. Sie würde meine Hilfe vermutlich nicht wollen, geschweige denn annehmen. Trotzdem."Vielleicht ist es wirklich der Abistress?" "Nein, sie ist gut in der Schule. Nur in Mathe hat sie ihre Probleme, aber auch da schafft sie es auf die 8 Punkte, also ist das nicht wirklich tragisch." Eymen sah mich aus großen Augen an.
"Was?", blaffte ich genervt.
"Du- Woher weißt du so viel über sie? Vor allem seit wann?" Ich zuckte nur mit den Schultern. Das wusste ich nämlich auch nicht so genau. Ich wusste viel über sie, sehr viel, doch diese Informationen hatte ich nicht erst seit meinem Geständnis mir gegenüber gesammelt, es waren Dinge, die ich einfach so über sie wusste. Noch ein Zeichen dafür, dass ich schon länger Gefühle für sie hatte, ohne es gemerkt zu haben.
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RandomSie. Diese Wut in mir würde mich umbringen, ich hatte das Bedürfnis alles um mich zu schmeißen, ohne darauf zu achten, ob es danach in Trümmern lag oder nicht. Denn genau das hatte man tagtäglich mit mir gemacht. Die Einsamkeit, Trauer und Verzweifl...