Er.
"Was ist los?", fragte ich Eymen, der total durch den Wind war. Anstelle mir zu antworten, setzte er sich auf seine Couch und blickte an die Wand gegenüber. Er blickte zu dem Bild, welches an der Wand hing. Zu dem Bild seiner Mutter."Du warst bei ihr?" Er nickte. Bevor ich irgendwas sagen konnte, tat es Eymen, was besser war, denn ich wusste echt nicht, was ich sagen sollte.
"Es ist komisch... Immer wenn ich bei ihr bin, spüre ich sie bei mir. Sie hört mir zu. Sie kann mir zwar nicht antworten, was ich manchmal brauchen würde... Aber allein zu wissen und zu spüren, dass sie mir zuhört und immer noch da ist, tut gut, Milad. Sie ist zwar nicht mehr bei uns, aber immer noch unter uns." Ich musste schlucken, erst danach schaffte ich das Bild anzuschauen. Das Bild, welches eine bildhübsche Frau darstellte. Eine Frau, die für ihr Baby gestorben war. Die mit ihrem Baby gestorben war. Eine Frau, die Liebe für die ganze Weltbevölkerung bereithielt. Eine Frau, die alles für ihre Familie getan hatte. Eine Frau, die mir näher stand, als meine eigenen Tanten es je getan hatten. Eine Frau, die wie eine zweite Mutter für mich war. Eymens Schmerz war aus diesem Grund auch mein Schmerz. Er hatte seine Mutter verloren. Ich meine Tante, meine zweite Mutter.
Ich griff Eymen an die Schulter, um ihm zu zeigen, dass ich für ihn da war."Worüber hast du mit ihr gesprochen?", versuchte ich nach einer schweigsamen Ewigkeit vom Thema abzulenken.
"Über Nazile. Sie hat mir erzählt, wie es zu ihrer Narbe kam."
"Und wie kam es dazu?" Eine Frage, die mich wirklich sehr interessierte.
"Ihr Ex-Verlobter ist Schuld daran. Er hat irgendeinen Eifersuchtsanfall bekommen und hat sie daraufhin mit einem Butterfly gebrandmarkt. Darauf hat er sie einfach liegen lassen. Hätte seine Cousine ihn nicht angerufen und nach Nazile gefragt, dann wäre sie an Ort und Stelle verblutet. Er hat sie einfach dem Tod überlassen!" Eymen drehte nun Runden in seinem Zimmer, er war so außer sich, dass er nicht mehr sitzen konnte.
"Eymen, beruhig dich! Sie lebt und ist nun in Sicherheit oder nicht?"
"Ja, der Bastard ist im Knast. Trotzdem!"
"Da gehört der auch hin. Sie steht jetzt unter deinem Schutz. Und gezwungenermaßen auch unter meinem", scherzte ich, um die Stimmung zu lockern. Er lächelte kurz und setzte sich erneut hin.
"Ich bin mir unsicher, was die Beziehung zu Nazile betrifft."
"Wieso das?"
"Es ist lange her, dass ich von einer Frau bedingungslos geliebt wurde, nach meiner Mutter hat das niemand mehr getan-" "-seit wann ist meine Mutter ein Niemand?"
"Du Spast! Du weißt genau, was ich meine! Wenn deine Familie nicht wäre, wüsste ich nicht, wo mein Vater und ich heute stehen würden. Vor allem du und deine Mutter, ich weiß nicht, wie ich euch das zurückzahlen soll."
"In der Familie zahlt man nichts zurück, das solltest du mittlerweile wissen. Kommen wir zum eigentlichen Thema zurück."
Eymen grinste kurz und fuhr fort: "Ich spüre neben Nazile erneut diese Geborgenheit. Es ist besonders, das erneut spüren zu dürfen, aber auf der anderen Seite weiß ich nicht, ob ich das verdiene."
"Wieso solltest du es nicht verdienen, Eymen?"
"Schau dir mal meine Fehler an, Milad." "Fehler sind menschlich, solange man sie bereut, ist alles gut." Er starrte auf den Boden und schüttelte seinen Kopf.
"Ist es wegen Efsun?"
"Ja, ich habe ihr gegenüber immer noch ein schlechtes Gewissen und das werde ich niemals überwinden können."
"Zu einem Fehler gehören immer zwei Personen, Eymen."
"Aber sie war meine beste Freundin, Milad. Sie hat mir damals genauso geholfen wie du."
"Sie ist nun glücklich, hat jemanden an ihrer Seite, der sie auch so akzeptiert. Sie schaut nach vorne. Das solltest du auch tun, das wünscht sie für dich."
"Hat sie dir das etwa gesagt?"
"Ja, wir hatten vor kurzem ein Gespräch miteinander. Sie hat gesagt, du sollst auf dein Herz hören und das ich mich endlich zusammenreißen, mein scheiß Ego wegpacken und nett zu Nazile sein soll."
Er lachte kurz. "Sie hat eine ziemlich bissige und direkte Art."
"Wie Michelle", ergänzte ich ihn.
"Wie Michelle also? Interessant."
"Halt deine Fresse, du Penner und mach endlich deine Konsole an. Sonst mutiere ich wegen dir noch zur Pussy."
DU LIEST GERADE
Gebrandmarkt
RandomSie. Diese Wut in mir würde mich umbringen, ich hatte das Bedürfnis alles um mich zu schmeißen, ohne darauf zu achten, ob es danach in Trümmern lag oder nicht. Denn genau das hatte man tagtäglich mit mir gemacht. Die Einsamkeit, Trauer und Verzweifl...