27. Kapitel

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Sie.
"Ich brauche deine Hilfe, sei in einer halben Stunde da!", sprach ich in mein Handy und legte auf, ohne ihr die Gelegenheit zu geben mir zu widersprechen. In meinem Zimmer sah es so aus, als ob ein Wirbelsturm sich ausgetobt hatte. Bevor ich mich hier weiterhin umsah -und den Verstand verlor- suchte ich das Weite.
In der Küche verdrückte ich ein Stückchen Schokolade. Nervennahrung war jetzt das Richtige.
Immer noch genervt wechselte ich den Raum. Als ich auf der Couch im Wohnzimmer saß, machte ich den Fernseher an und zappte -immer noch- genervt durch die Kanäle. Die letzten zwei Tage hatte ich mit Milad verbracht -ungewollt- da ich ihm meine Mitschriften geben musste. Und heute würde ich meinen Tag erneut mit ihm verbringen. Ebenfalls ungewollt. Aber dieses Mal war ich selber Schuld, denn ich hatte dem Essen zugesagt. Wieso hatte ich das nochmal getan?
Ja, wir hatten tatsächlich Samstag, kaum zu glauben, wie schnell die Zeit verging.

Als es an der Tür klingelte, sprang ich auf. Während Nazile die Wohnung betreten wollte, textete ich sie zu.
"Wieso hast du eigentlich so lange gebraucht? Ich kann es immer noch nicht glauben, dass ich ihm zugesagt habe! Wie konnte ich nur so dumm sein? Sag mir, wie? Ich meine, wir reden hier von Milad? Von Milad und einem Essen mit ihm! Oh Gott!" "Mimi?", unterbrach sie mich. "Atme! Du redest wie ein Wasserfall. Es ist nur ein Abendessen, du wirst ihn nicht heiraten-" "-Gott bewahre!" Sie verdrehte ihre Augen. "Also, wobei brauchst du meine Hilfe?"

Ohne ihr eine Antwort zu geben, führte ich sie in mein Zimmer.
"Dabei", sagte ich in mein Zimmer deutend. "Ach du meine Güte! Was hast du hier nur angestellt?" Ein Glück, dass meine Eltern nicht Zuhause waren, denn bei Naziles Gekreische wären sie bestimmt in mein Zimmer geplatzt und den Anblick wollte ich ihnen ersparen, vor allem meiner pingeligen Mutter. Sie wäre vermutlich an die Decke gegangen, wenn sie mein Zimmer so sehen würde. Überall -wirklich überall!- lagen meine Klamotten rum.
"Ich weiß nicht, was ich anziehen soll", gestand ich meiner besten Freundin, die nur lauthals lachte.
"Und du willst mir erklären, dass es nur ein dämliches Essen mit Milad ist? Ohne jegliche Bedeutung? "
"Halt deine Klappe, Nazile! Ich habe nur keine Lust overdressed aufzutauchen. Wer weiß, wohin wir gehen werden. Ich wette mit dir, dass es eine Dönerbude sein wird." "Bestimmt", hastete sie sarkastisch bei. Ich sah mich verzweifelt im Zimmer um und seufzte tief.
"Wenn ich doch nur wüsste, wohin wir gehen werden..."
"Soll ich Eymen fragen?"
"Denkst du, er weiß es?"
"Keine Ahnung, ein Versuch ist es aber auf jeden Fall wert oder?"
"Hmm, ja. Wieso nicht?"
Während sie also mit Eymen telefonierte, sah ich mich -immer noch verzweifelt- im chaotischen Zimmer um.
"Ein Restaurant", weckte sie mich aus den Gedanken.
"Ein Restaurant?"
"Ja, ein türkisches. Soll ziemlich gut sein. 'Das Beste'", zitierte sie ihren Freund.
"Okay und was soll ich anziehen?"
"Hast du überhaupt noch etwas im Schrank?"
"Ja, die Dinge, die gebügelt sind."

Während sie meinen Schrank öffnete und sich darin umsah, machte ich mir Platz auf meinem Bett. Das erste, was sie mir hin hielt war ein Rock.
"Ein Rock? Du vergisst, dass Milad ein Motorrad fährt, wie soll ich da aufsteigen, wenn ich einen Rock anhabe?"
"Als ob er heute mit seinem Motorrad kommen wird."
"Natürlich! Wir reden hier von Milad!" Augenverdrehend widmete sie sich wieder meinem Schrank.

Sie hielt meine beige Chino Hose hoch und zog ihre Augenbrauen fragend in die Höhe. "Wieso nicht?", antwortete ich.
"Bring mir einen Stuhl!", befahl sie. Also schmiss ich die ganzen Klamotten von meinem Stuhl runter und stellte ihn zu Nazile. Sie schüttelte nur den Kopf.
"Du wirst eine Ewigkeit, wenn nicht dein ganzes Leben, damit verbringen, um dieses Zimmer wieder auf Vordermann zu bringen!", schimpfte sie.
"Musste mal ausgemistet werden, konnte mich nur nie dazu aufraffen, jetzt habe ich die Gelegenheit dazu."
Sie hob meine weinrote Bluse hoch, welche an den Schultern mit Spitze beschmückt war. Zufrieden mit ihrer Wahl grinste ich sie an.
"Darunter kannst du ja hohe Schuhe anziehen?"
"Genau, damit ich vom Motorrad falle. Du willst auch, dass ich sterbe!" Sie lachte nur. "Dann deine weinroten Chucks?" Ich nickte.

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